Alltägliche Erfahrungen und mangelnde Prävention
„Spätestens mit Bekanntwerden des mutmaßlichen Ausmaßes der Mordserie des Krankenpflegers Niels H. hat das Thema Gewalt in der Pflege eine erschütternde und dringend notwendige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten“, schreibt Professor Dr. Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) und Leiter einer neuen Studie zu den alltäglichen Erfahrungen zur Gewalt in Pflegeeinrichtungen.
„Ohne Zweifel handelt es sich hierbei um einen Fall außerordentlicher krimineller Energie. Aber auch die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es in Krankenhäusern, Altenheimen und in der ambulanten Versorgung endlich eine neue Kultur des Hinschauens und der Achtsamkeit geben muss. Damit einhergehen müssen wirksame Angebote der Prävention und Aufarbeitung von jeglichen Gewaltsignalen und -erfahrungen in der Pflege!“
Gewalt im Pflegealltag
Bild: Gerd Altmann
Das DIP hat in Zusammenarbeit mit der B. Braun-Stiftung rund 400 Pflegefachpersonen und -schüler aus verschiedenen Pflegeeinrichtungen zu persönlichen Gewalterfahrungen in der Pflege, Angeboten zur Aufarbeitung und Prävention von Gewalt in ihren Einrichtungen, Beurteilung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten und zur Selbsteinschätzung im Umgang mit Gewaltsituationen befragt.
Die Forschungsarbeit zeigt, dass Erfahrungen mit Gewalt gegenüber PatientInnen, Bewohnern und Pflegebedürftigen, aber auch gegenüber Pflegenden in der Pflege in Deutschland üblich sind.
Doch laut den Forschenden erhalten die Gewalterfahrungen in den Pflegeeinrichtungen nicht genug Beachtung, und sie werden auch nicht systematisch aufgearbeitet.
Auch Präventionsmaßnahmen – wie adäquate Schulungen zum Erkennen von Warnsignalen oder zum Umgang mit Gewalt im Pflegealltag – gibt es offensichtlich zu selten.
Die Pflegekräfte schätzten ihre Sicherheit im Umgang mit Gewalterfahrungen umso schwächer ein, „je konkreter die Gewaltsituation wird und je stärker sie sich auf Patienten, Bewohner und Pflegebedürftige bezieht“.
Alltägliche Gewalt
30,8% der befragten Pflegekräfte berichteten, dass Gewalt in ihren Einrichtungen – wie z.B. Aktionen gegen den Willen der Pflegebedürftigen – täglich vorkomme.
10,2% der Befragten berichteten über konkrete Gewalterfahrungen in jüngster Zeit (in den letzten drei Monaten).
Auch in den wenigen Einrichtungen mit betrieblichen Weiterbildungsangeboten zur Vorbeugung und Aufarbeitung von Erfahrungen mit Gewalt, „bleiben konkrete Gewalterfahrungen zumeist unbearbeitet“, schreiben die Studienautoren. „Seitens der Pflegenden besteht jedoch ein großes Interesse an der Auseinandersetzung mit Gewalt in der Pflege in Aus-, Fort- und Weiterbildung“, schließen die Autoren.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: DIP; Sept. 2017
Ähnliche Artikel, News
- Stress in der Pflege
- Stressmanagement, Stressabbau in der Krankenpflege