Fluchen (Psychologie)

Fluchen (Psychologie, Psyche)

Kommunikationspsychologie

Verbindung zwischen Fluchen und Ehrlichkeit

18.01.2017 Fluchen wird als Ausdruck von Wut und Grobheit, oder sogar moralischer Verderbtheit eingeschätzt, aber es kann auch eine andere, positivere Konnotation haben: Ehrlichkeit.

Ein internationales Psychologen-Team fand heraus, dass Menschen, die häufiger fluchen auch ehrlicher sind laut einem im Social Psychological and Personality Science veröffentlichten Forschungsbericht.

Definition

Fluchen ist obszöne Sprache, die in einigen sozialen Kontexten unpassend und unannehmbar betrachtet wird. Es drückt sich häufig in einer Sprache aus, die sexuelle, gotteslästerliche oder andere vulgäre Begriffe enthält.

Es ist normalerweise mit dem Ausdruck von Emotionen wie Wut, Frustration oder Überraschung verbunden. Aber es kann auch bewusster eingesetzt werden, um andere zu unterhalten und ein Publikum zu erobern.

Ungefilterter Ausdruck

Die Beziehung zwischen Fluchen und Unehrlichkeit ist eine heikle, sagt der Studienautor Dr. David Stillwell von der Universität Cambridge. Es ist häufig unpassend, aber es kann auch Beleg dafür sein, dass jemand einem seine ehrliche Meinung erzählt.

Da die Person ihre Sprache nicht filtert, um angenehmer oder attraktiver zu wirken (also sozial erwünscht zu erscheinen), filtert sie auch ihre Ansichten nicht, sagt der Psychologe.

Zusammenhänge

  1. In der ersten Studie sollten 276 Teilnehmer angeben, welches ihre am meisten verwendeten und liebsten Flüche sind. Sie sollten auch angeben, warum sie diese Worte benutzten. Sie nahmen an einem Lügendetektortest teil, um ihre Ehrlichkeit festzustellen, bzw. ihre Tendenz im Sinne einer sozialen Erwünschtheit zu antworten.Diejenigen mit einer höheren Anzahl der angegebenen Flüche logen auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit.
  2. In einer zweiten Studie wurden die Daten von 75.000 Facebook-Benutzern gesammelt, um ihren Gebrauch von Flüchen in ihren Online-Kommunikationen zu erfassen.Es zeigte sich, dass öfter fluchende Teilnehmer auch eher Sprachmuster verwendeten, die in früheren Forschungsarbeiten mit Ehrlichkeit in Verbindung standen, so z.B. der Benutzung der Pronomen ‚ich‘ und ‚mir‘, sagte Studienautor Gilad Feldman vom Fachbereich Psychologie der Universität Maastricht.
  3. In einer dritten Studie konnten mit Hilfe der Sprachanalyse auch die unterscheidenden Ansichten zum Fluchen in den USA bestimmt werden, die zwischen verschiedenen geografischen Regionen bestehen. Zum Beispiel fluchten Menschen in den nordöstlichen Staaten (wie Connecticut, Delaware, New Jersey und New York) mit größerer Wahrscheinlichkeit häufiger, wohingegen Teilnehmer aus den südlichen Staaten (South Carolina, Arkansas, Tennessee und Mississippi) eher weniger wahrscheinlich fluchten.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Maastricht, Universität Cambridge, Social Psychological and Personality Science – DOI:10.1177/1948550616681055; Jan. 2017

Lautes Fluchen setzt mehr Kraft und Leistung frei

05.05.2017 Laut einer sportpsychologischen Studie der Wissenschaftler Dr. Stephens vom Fachbereich Psychologie der Keele Universität und Dr. David K. Spierer von der Long Island University Brooklyn zeigten zwei Experimente, dass lautes Fluchen die Kraft beim Sporttraining steigern kann.

Mehr Kraft

Im ersten Experiment führten 29 Teilnehmer einen Test ihrer anaeroben Leistungsfähigkeit durch – ein kurzes, intensives Training auf einem Hometrainer, wobei sie vorher geflucht oder nicht geflucht hatten. Im zweiten Experiment nahmen 52 Teilnehmer an einem isometrischen Test zur Messung der Griffstärke teil – wiederum nachdem sie vorher geflucht hatten oder nicht.

Die Ergebnisse der psychologischen Studie zeigten, dass die Teilnehmer im ersten Experiment mehr Kraft erzeugten und im 2. einen festeren Händedruck über längere Zeit demonstrierten, wenn sie vorher geflucht hatten.

Größere Schmerztoleranz

Aus früheren Studien ist bereits bekannt gewesen, dass Fluchen die Schmerztoleranz anheben kann, sagten die Psychologen. Ein möglicher Grund dafür besteht darin, dass es das sympathische Nervensystem des Körpers stimuliert – das System, das das Herz schneller schlagen lässt, wenn man in Gefahr ist; auch als Sympathikus bekannt, ein Teil des vegetativen Nervensystems.

Wenn dies der Grund ist, würden wir erwarten, dass Fluchen uns auch stärker machen würde, sagte Dr. Stephens; und genau dies haben die Experimente bestätigt.

Mechanismus nicht bekannt

Doch als die Psychologen die Herzrate und andere Maße erfassten, von denen angenommen werden musste, dass sie vom Sympathikus bei einer Erhöhung der Körperkraft beeinflusst werden müssten, fanden sie keine nennenswerten Veränderungen.

Warum genau Fluchen diesen Effekt auf Körperkraft und Schmerztoleranz hat, muss also noch erforscht werden, sagte Stephens auf der jährlichen Konferenz der British Psychological Society. Die Psychologie des Fluchens und die Auswirkungen auf Körper und Psyche bergen also noch einige Geheimnisse, schloss er.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Long Island University Brooklyn, Keele Universität, British Psychological Society; Mai 2017

Flüche lindern sowohl körperliche als auch psychosoziale Schmerzen

03.06.2017 Laut früheren Studien lindert Fluchen den körperlichen Schmerz, wenn man sich z.B. einen Finger in der Tür einklemmt. Doch eine neue im Fachblatt European Journal of Social Psychology veröffentlichte psychologische Studie zeigt, dass es auch den Schmerz eines ‚gebrochenen Herzens‘ bzw. verletzte Gefühle lindern kann.

Kurzfristiger psychosozialer Distress

Studienautor Dr. Michael Philipp vom Fachbereich Psychologie der Massey Universität sagt, dass Fluchen eine Erleichterung für Menschen sein kann, die kurzfristigen psychosozialen Distress erleben.

Dies kann z.B. der Krach mit dem Partner – Beziehungsstreitigkeiten oder die Ausgrenzung in einer sozialen Situation sein.

Pain Overlap Theory

Er führte ein Experiment zur Überprüfung der ‚Pain Overlap Theory‘ (etwa Theorie der Schmerzüberlappung) durch, die behauptet, dass körperliche und soziale / emotionale Schmerzen das gleiche zugrundeliegende Verarbeitungssystem im Gehirn teilen.

70 Teilnehmer wurden auf zwei Gruppen verteilt, die auf Gefühle sozialen Schmerzes und Sensitivität gegenüber körperlichen Schmerzen getestet wurden. Vorher war bei ihnen sozialer Distress und die entsprechenden Emotionen ausgelöst worden, auf die sie entweder mit einem lauten Fluchen oder mit einem lauten neutralen Wort reagieren sollten.

Weniger psychosoziale und physische Schmerzen

Die Ergebnisse legen nahe, dass sozial gestresste Teilnehmer, die laut geflucht haben, geringere soziale Schmerzen erfuhren als diejenigen, die nicht geflucht hatten, sagte Dr. Philipp. Sie empfanden auch weniger körperliche Schmerzen.

Bisherige Untersuchungen deuten darauf hin, dass soziale Stressoren, wie Ablehnung und Ausgrenzung, nicht nur schmerzhaft sind, sondern auch die Empfindlichkeit gegenüber körperlichen Schmerzen erhöhen, sagte er.

Warum sozialer Distress schmerzhaft ist

Die Theorie der Schmerzüberlappung legt nahe, dass sozialer Distress schmerzhaft ist, weil sowohl soziale als auch körperliche Schmerzen biologisch gekoppelt sind.

Die Pain Overlap Theory prognostiziert, dass etwas, das körperliche Schmerzen auslöst auch ähnliche Auswirkungen auf psychosoziale Schmerzen hat.

Fluchen scheint soziale und körperliche Schmerzen zu lindern, sagt er, indem es die Intensität des Schmerzes ‚verwässert‘ und die betroffene Person ablenkt, sagt er.

Vorsicht vor dauerndem Fluchen

Und obwohl Fluchen noch mit einem Tabu behaftet ist, ist dies auch Teil seiner kathartischen Heilkraft. Aber man sollte aufpassen, wo man seinen Sturm der Blasphemie entfesselt, fügte er hinzu.

Außerdem kann tägliches Fluchen oder bei geringeren Anlässen die Kraft der Profanität schwächen, wenn man dessen Effekt am meisten benötigt – man sollte also sparsam mit den Flüchen umgehen, wenn man von dessen heilenden Eigenschaften profitieren möchte.

Warum das Fluchen vor allem eine Wirkung auf körperliche und psychosoziale Schmerzen hat, ist noch unklar. Die psychologische Wirkung dürfte aber wohl keine völlig fehlangepasste Reaktion auf einen gepeinigten Daumen oder ein gebrochenes Herz sein, sagte er.

Allerdings sind Flüche keine schnelle Lösung für Menschen, die schwere emotionale Schmerzen der Trauer, des Missbrauchs oder anderer Traumata erleiden, und eine psychologische Behandlung kann in solch einem Fall erforderlich sein.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Massey Universität, European Journal of Social Psychology – DOI: 10.1002/ejsp.2264; Juni 2017

Ähnliche Artikel, News