Psychologie: Sich rächen oder doch nicht?

Psychologen erforschten, wie Menschen Rache sehen und wer sie ausübt

Psychologie: Sich rächen oder doch nicht?

24.05.2024 Rache wird oft als gesellschaftlich unangemessen und moralisch verwerflich angesehen – eine Art „wilde Gerechtigkeit“. Die meisten Menschen sind sich einig, dass Rache moralisch falsch ist. Andererseits finden die Menschen Gefallen an Geschichten, in denen sich das Opfer effektiv an dem Täter rächt. Darüber hinaus haben frühere Untersuchungen bestätigt, dass Menschen Rache von Natur aus gutheißen.

Das Forscherteam um Prof. Karolina Dyduch-Hazar und Prof. Dr. Mario Gollwitzer (Ludwig-Maximilians-Universität München) untersuchte daher, ob es tatsächlich der Racheakt ist, den die Menschen moralisch verurteilen, oder eher das Vergnügen, das der Rächer empfinden könnte.

Moralische Verurteilung

Nach der Durchführung einer Reihe von vier Umfragen: drei mit sorgfältig ausgewählten Gruppen von Studenten aus Polen und eine mit einer ähnlich zusammengestellten Auswahl US-amerikanischer Erwachsener, berichten die Wissenschaftler von kuriosen Unterschieden zwischen Situationen, in denen die Täter Stolz über ihre Rache demonstrierten, und solchen, in denen sie Vergnügen empfanden; sowie von Fällen, in denen die Umfrageteilnehmer in die Rolle eines imaginären Rächers schlüpften, im Gegensatz zu Fällen, in denen sie nur Beobachter waren.

In ihrer Studie bestätigte das Team, dass obwohl sich rächende Menschen von anderen durchaus unterstützt werden, sie dennoch moralisch verurteilt werden im Vergleich zu Menschen, die sich nicht rächen.

Rache und anschließende Zufriedenheit

Als die Umfrageteilnehmer hypothetische Situationen bewerteten, in denen die Rächer mit ihrer Tat zufrieden waren, wiesen sie ihnen interessanterweise Eigenschaften wie größere Kompetenz (d. h. Selbstvertrauen, Fähigkeit, Effizienz) zu, verglichen mit imaginären Personen, die sich schlecht fühlten, weil sie sich an ihren Missetätern gerächt hatten, oder mit denen, die sich überhaupt nicht rächten.

In diesem Fall, so erklären die Forscher, werden die Rache und die anschließende Zufriedenheit eher als Zeichen dafür gewertet, dass der Akteur in der Lage ist, ein Ziel zu erreichen.

Rache und Lustempfinden

Wurde den imaginären Rächern hingegen ein Lustempfinden zugeschrieben, sahen die Umfrageteilnehmer sie als besonders unmoralisch an.

„Das Gefühl der Freude nach einer Racheaktion könnte darauf hindeuten, dass die ursprüngliche Motivation nicht darin bestand, dem Täter eine moralische Lektion zu erteilen, sondern sich gut zu fühlen – ein selbstbezogenes und moralisch fragwürdiges Motiv“, kommentieren die Wissenschaftler.

Interessanterweise gab es bemerkenswerte Unterschiede zwischen den gleichen Szenarien, in denen die Umfrageteilnehmer in die Rolle der Rächer schlüpften, und denen, in denen sie nur Beobachter waren. Wenn sie sich vorstellten, die Rache zu begehen, empfanden die Teilnehmer sich selbst als weniger moralisch als beispielsweise einen Mitstreiter, der dasselbe tat.

Kompetenz

Wenn jemand anderes Rache nahm, erschien diese Person zudem kompetenter. Diese Ergebnisse widersprechen laut den Autoren früheren wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach man bei der Beurteilung anderer Menschen deren Handlungen aus einer moralischen Perspektive bewertet, während Selbstbeurteilungen in der Regel unter dem Aspekt der Kompetenz erfolgen.

Neben anderen interessanten Schlussfolgerungen, die während der Erhebungsreihe gezogen wurden, stellten die Wissenschaftler fest, dass der Eindruck, sich bei der Ausübung von Rache gut (oder schlecht) zu fühlen, keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Racheaktion hatte.

Im Durchschnitt erklärten die Teilnehmer, dass sie den Übeltäter nicht bestrafen würden. Außerdem stellte sich heraus, dass die Angst, selbst verurteilt zu werden, keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit hatte, dass sie sich rächen oder nicht.

Die Forscher berichten zwar über eine Reihe interessanter Ergebnisse, von denen die meisten im Gegensatz zu früheren Erkenntnissen und Schlussfolgerungen stehen, weisen aber auch auf einige Einschränkungen ihrer Studie hin, die weitere Untersuchungen zur Bestätigung ihrer Beobachtungen erforderlich machen.

Erstens könnten ihre Schlussfolgerungen kulturspezifisch sein. Sie weisen darauf hin, dass Rachenehmen beispielsweise in Gemeinschaften und Nationen, in denen die Ehre besonders hoch geschätzt wird, nicht so streng beurteilt werden. Zweitens wurden bei den Umfragen hypothetische Situationen zugrunde gelegt.

Schließlich sollten sich die Teilnehmer lediglich vorstellen, Rache zu nehmen – und die daraus resultierenden guten/schlechten Gefühle.

© Psylex.de – Quellenangabe: Social Psychological Bulletin (2024). DOI: 10.32872/spb.12477

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