Tangotherapie (Psyche, Psychiatrie)
Psychotherapieformen – Tanztherapie
Tango-Therapie hebt die Stimmung bei psychisch Erkrankten
30.06.2016 Die Schatten der verriegelten Fenster lassen das psychiatrische Krankenhaus von Buenos Aires besonders seelenlos erscheinen, aber dann füllt der synkopierte Rhythmus der Tango-Musik den Raum.
Für etwas mehr als ein Dutzend Bewohner im Borda-Krankenhaus hat das tägliche Schlurfen zur Warteschlange der Medikamentenausgabe den sinnlichen Tanzschritten von Argentiniens klassischem Tanz – dem Tango – Platz gemacht.
Wir sind alle verrückt nach Tango
Zweimal im Monat findet der Workshop „Wir sind alle verrückt nach Tango“ statt.
Menschen mit psychischen Krankheiten neigen dazu, passive Empfänger zu sein, aber beim Tango sind sie die ‚Taktgeber‘, sagt Tanzlehrerin Laura Segade.
Bild: Brigitte Werner
„Wir versuchen zu erreichen, dass der Mann sich als Mann fühlt und sich so auch sieht. Er kommt in die Klasse als ein Patient und geht als (Tanz)Schüler mit einem Lächeln auf dem Gesicht.“
Der Tanzkurs in der größten Psychiatrie Argentiniens
Borda ist Argentiniens größtes öffentliches psychiatrisches Krankenhaus für Männer mit derzeit etwa 600 Patienten. Die weiblichen Tanzpartner sind Tango-Enthusiasten von außerhalb der Psychiatrie.
Krankenhaus-Psychiater Guillermo Hönig sagt, dass Tango die Kreativität und das Körperbewusstsein der Patienten trainiert.
„Ich denke, ich tanze heut besser. Ich bin entspannter“, sagt ein Patient, der sich als Maximiliano ausgibt.
Er ist ein ambulanter Patient und nimmt am Tangotraining zusammen mit einem Dutzend anderen hospitalisierten Patienten teil.
Unterbrechung der Krankenhaus-Routine
„Ich mag die Lyrik des Tangos – die Sehnsucht, die Melancholie.“
Die Veranstalterin des Tango-Workshops Psychologin Silvana Perl sucht die Gänge des Krankenhauses nach potentiellen Mittänzern ab.
Die meisten Patienten wollen nicht tanzen. „Ich habe keine Zeit“, sagt jemand, der in der Schlange auf sein Medikament wartet.
Der Workshop ist eine Gelegenheit, die Krankenhaus-Routine zu unterbrechen, sagt Perl.
Die Idee ist: in das lustlose Leben der schizophrenen Patienten ‚einzubrechen‘. Künstlerische Aufregung kann sie aufwecken und untereinander in Kontakt bringen.
Sie kehrt zur Tanzfläche der Kantine zurück mit einem halben Dutzend Teilnehmern, die lachen und mit den Freiwilligen paarweise anfangen zu tanzen, als die Musik beginnt.
Es ist wie jede normale Tango-Klasse auch. Jeder tut sein Bestes, die Bewegungen auszuführen. Sie machen es nicht deswegen, weil es ihnen befohlen wird; sie versuchen es zu lernen, weil sie es selbst wollen, sagt Tanzlehrer Roque Silles, 53 Jahre alt.
„Sie geben alle ihr Bestes, um etwas zu tun, was ein paar Minuten vorher noch unmöglich schien.“
Am Ende der Stunde versammeln sich alle Tänzer im Kreis und Singen Tango-Lieder. „Die Welt ist ein Chaos und wird es immer sein“, singen sie zum Klassiker „Cambalache“.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Borda Hospital; Juni 2016
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