Definition des r-Faktors für posttraumatische Resilienz und seiner neuronalen Prädiktoren
19.05.2024 Nach traumatischen Erlebnissen zeigen viele Menschen eine bemerkenswerte psychologische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) und erlangen ihr psychisches Wohlbefinden ohne äußere Intervention zurück. Eine von der Emory University geleitete und in Nature Mental Health veröffentlichte Studie trägt nun zu einem besseren Verständnis der Frage bei, warum sich manche Menschen besser von einem Trauma erholen als andere, was einen wichtigen Fortschritt in der Resilienzforschung darstellt.
Im Rahmen der standortübergreifenden Trauma-Studie AURORA rekrutierten die Forscher 1.835 Teilnehmer, die ein Trauma überlebt hatten, innerhalb von 72 Stunden nach dem Ereignis aus den Notaufnahmen von Krankenhäusern im ganzen Land.
Die Teilnehmer erlebten eine Vielzahl von traumatischen Ereignissen, darunter Zusammenstöße mit Kraftfahrzeugen, Stürze aus großer Höhe (>3 Meter), körperliche Angriffe, sexuelle Übergriffe oder Massenunfälle. Das Ziel war ein besseres Verständnis dafür, wie Gehirnfunktion und Neurobiologie das Risiko für traumabedingte psychische Probleme erhöhen.
Der r-Faktor
Die Forscher entdeckten bei den Studienteilnehmern einen gemeinsamen Faktor, den sogenannten „r-Faktor“ für allgemeine Resilienz. Es wurde festgestellt, dass dieser Faktor für mehr als 50 % der Unterschiede im psychischen Wohlbefinden der Teilnehmer sechs Monate nach dem Trauma verantwortlich ist. Das Team entdeckte, dass bestimmte Muster in der Gehirnfunktion, insbesondere die Art und Weise, wie das Gehirn auf Belohnungen und Bedrohungen reagiert, vorhersagen können, wie widerstandsfähig jemand nach einem Trauma sein wird.
„Diese Forschungsarbeit stellt einen bedeutenden Wandel im Verständnis von Resilienz dar. In der bisherigen Forschung wurde Resilienz oft durch die Linse eines spezifischen Ergebnisses betrachtet, wie z. B. posttraumatischer Stress, wobei die vielfältigen Auswirkungen eines Traumas, einschließlich möglicher chronischer Depressionen und Verhaltensänderungen, übersehen wurden“, sagt Dr. Sanne van Rooij, Assistenzprofessorin am Department of Psychiatry and Behavioral Sciences der Emory University School of Medicine.
„Wir haben die Resilienz auf multidimensionale Weise untersucht und gezeigt, wie sie sich auf zahlreiche Aspekte der psychischen Gesundheit auswirkt, einschließlich Depressionen und Impulsivität, und wie sie damit zusammenhängt, wie unser Gehirn Belohnungen und Bedrohungen verarbeitet.“
Aktivität bestimmter Gehirnregionen
Bei der Untersuchung von MRT-Gehirnscans einer Untergruppe von Teilnehmern entdeckten van Rooij und ihre Kollegen außerdem, dass bestimmte Gehirnregionen bei Personen, die bessere Genesungsergebnisse erzielten, eine erhöhte Aktivität aufwiesen.
Diese Ergebnisse unterstreichen das komplizierte Zusammenspiel zwischen neuronalen Mechanismen und Resilienz nach einem Trauma und bieten wertvolle Einblicke in die Faktoren, die effektive Bewältigungs- und Erholungsprozesse erleichtern.
„Diese Studie zeigt, dass es bei der Resilienz nicht nur darum geht, wieder auf die Beine zu kommen, sondern auch darum, wie unser Gehirn auf positive und negative Reize reagiert, die letztlich unseren Genesungsverlauf bestimmen“, sagt van Rooij.
Für Menschen, die ein Trauma erlebt haben, könnten diese Erkenntnisse zu besseren Vorhersagen darüber führen, wer unter langfristigen psychischen Problemen leiden könnte und wer nicht. Das bedeutet, dass Ärzte und Therapeuten diese Gehirnmuster eines Tages nutzen könnten, um Patienten, die am meisten Unterstützung benötigen, frühzeitig zu erkennen und möglicherweise schwere psychische Probleme durch gezielte Behandlungen zu verhindern.
„Wir haben einen Schlüsselfaktor für das Verständnis der Stressbewältigung entdeckt, der mit bestimmten Teilen des Gehirns zusammenhängt, die für die Aufmerksamkeit gegenüber Belohnungen und das Gefühl der Selbstreflexion zuständig sind“, sagt die Co-Leiterin der Studie Dr. Jennifer Stevens, Associate Professor, Department of Psychiatry and Behavioral Sciences an der Emory University School of Medicine.
© Psylex.de – Quellenangabe: Nature Mental Health (2024). DOI: 10.1038/s44220-024-00242-0