Studie untersuchte soziale und zeitliche Desorientierung während der Pandemie
17.06.2024 Gefühle der Einsamkeit und der sozialen Isolation während der Pandemie führten dazu, dass viele Menschen die Reihenfolge der Ereignisse nicht mehr richtig einordnen konnten und Schwierigkeiten hatten, sich an den jeweiligen Wochentag zu erinnern, wie eine neue Studie zeigt.
Die von der Universität York durchgeführte Studie untersuchte die psychologischen Auswirkungen der Pandemie, die sich im März 2020 im Vereinigten Königreich ausbreitete, unter dem Aspekt der Orientierungslosigkeit. Die Studie wurde im British Journal of Psychology veröffentlicht.
Die Forscher stellten mehr als 3.300 französischen Teilnehmern fast 60 Fragen zur Analyse der psychologischen Auswirkungen von Abriegelungsmaßnahmen (Lockdowns). Die Befragung fand während einer akuten Phase der Einschränkungen statt, als es zu einer Abriegelung mit anschließender strenger Ausgangssperre kam.
Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl soziale als auch zeitliche Desorientierung – ein Gefühl der Verwirrung in Bezug auf soziale Interaktionen und Zeitempfinden – weit verbreitet war.
Viele Studienteilnehmer beschrieben, dass sie sich fehl am Platz fühlten und unsicher waren, wie sie sich in sozialen Situationen verhalten sollten. Sie berichteten auch, dass sie ein verschwommenes Zeitempfinden hatten und sich hilflos fühlten, da sie Schwierigkeiten hatten, den Überblick über die Ereignisse vor der Pandemie zu behalten und zu wissen, welcher Wochentag gerade war.
Die Probleme erstreckten sich auch auf die Zukunft. Die Teilnehmer konnten sich schlechter vorstellen, was vor ihnen lag, und sie fühlten sich ängstlicher und fühlten sich weniger sicher in Bezug auf ihre Zukunft.
Soziale Desorientierung ein starker Vorhersagefaktor für zeitliche Desorientierung
Die Forscher fanden heraus, dass Menschen, die sich sozial ausgegrenzt fühlten, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unter zeitlicher Desorientierung litten. Ihre Analyse der Studiendaten deutet auf einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen beiden Phänomenen hin, wobei die soziale Isolation zu einer Störung des Zeitempfindens führt.
Dr. Pablo Fernandez Velasco sagte: „Wir haben festgestellt, dass soziale Desorientierung ein starker Vorhersagefaktor für zeitliche Desorientierung ist, und es ist wahrscheinlich, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden besteht. Sich einsam und von anderen isoliert zu fühlen, scheint unsere Zeitwahrnehmung zu verzerren, so dass wir uns verloren und verwirrt fühlen, wenn wir die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft überblicken“.
„Viele Menschen in unserer Gesellschaft, quer durch alle Gruppen und Demografien, leiden unter Einsamkeit. Die Ergebnisse unserer Studie unterstreichen, wie wichtig es ist, dass sich die Behörden mit den sich verstärkenden Auswirkungen des Gefühls der Einsamkeit sowohl in Krisenzeiten als auch im Alltag befassen.“
Zeitlicher Bruch
Die Forscher fanden heraus, dass junge Menschen unter 25 Jahren die Altersgruppe waren, die am stärksten von Gefühlen der Desorientierung betroffen war.
Die Forscher vermuten, dass ihre Ergebnisse auf ein neues Phänomen hindeuten, das sie als „zeitlichen Bruch“ bezeichnen, der wie eine Verwerfungslinie in unseren Köpfen das „Vorher“ und „Nachher“ der Pandemie trennt.
Fernandez Velasco fügte hinzu: „Unsere Studie zeigt, dass das Gefühl eines Risses zwischen der Zeit vor und der Zeit nach der Pandemie eine häufige Erfahrung während der COVID-19-Krise war“.
„Je größer die erlebte Kluft zwischen der Zeit vor der Pandemie und der Zeit nach der Pandemie war, desto desorientierter fühlten sich die Menschen. Die in unserer Studie gesammelten persönlichen Berichte tragen dazu bei, das Verständnis für die möglichen Auswirkungen von Gefühlen der Einsamkeit und Isolation durch die außergewöhnlichen Erfahrungen der Pandemie zu verbessern.“
© Psylex.de – Quellenangabe: British Journal of Psychology – https://doi.org/10.1111/bjop.12704
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