Matheangst / Mathephobie

Wenn Zahlen ängstlich machen: Die Angst zeigt sich im Mathematik-Unterricht oder z.B. vor dem Rechnen an der Kasse. Bei einer Mathephobie ist die Angst krankhaft gesteigert.

Besondere Nachhilfe gegen Matheangst hochwirksam

21.09.2015 Mathephobie oder Mathematikangst kann durch Einzelnachhilfe laut einer in der Zeitschrift The Journal of Neuroscience veröffentlichten Studie der Stanford Universität verringert werden. Das von den Forschern eingesetzte Tutoring-Programm konnte die anormalen Reaktionen in den Angstvernetzungen des Gehirns heilen.

Die Studie zeigt als erste eine wirkungsvolle Behandlung der Matheangst bei Kindern: Das kognitive Tutoring konnte nicht nur die Performance verbessern, sondern auch die Angst reduzieren, sagte Studienautor Vinod Menon. „Es war erstaunlich, dass wir wirklich die Mathephobie heilen konnten.“

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Bild: George Hodan

Selbst wenn sie gut in Mathematik sind, fühlen sich viele Kinder ängstlich, wenn es darum geht, Matheprobleme zu lösen. Bei einigen bleibt die Angst während des gesamten Lebens bestehen und hält sie davon ab, fortgeschrittene Mathe- und Wissenschaftskurse zu belegen, oder Karrieren nachzugehen, die mathematische Sachkenntnis erfordern. Doch bisher ist nur sehr wenig auf dem Gebiet geforscht worden, wie man diesem Problem beikommen könnte.

Expositionsbasierter Nachhilfeunterricht

Die aktuelle Studie mit 46 Kindern der dritten Klasse ging davon aus, dass expositionsbasierte Psychotherapie – normalerweise bei der Behandlung von Phobien eingesetzt – auch bei Matheangst wirksam sein könnte.

Die Kinder wurden auf die Ausprägung ihrer Angst vor der Mathematik getestet und anschließend zwei Gruppen zugeteilt – in die eine gingen Kinder mit großer, in die andere Kinder mit geringer ausgeprägter Matheangst. Außerdem wurden sie mit neuropsychologischen Standardverfahren beurteilt und führten einfache Additionsaufgaben durch, während ihre Gehirne mit funktioneller Magnetresonanztomographie gescannt wurden.

Aktivität im Angstzentrum

Die Gehirnscans der Kinder mit einer hohen Matheangstausprägung zeigten Aktivitäten in den Angstverschaltungen des Gehirns und dem sogenannten ‚Angstzentrum‘ oder Amygdala vor der Nachhilfe, wodurch Befunde von Menon und Kollegen im Jahr 2012 wiederholt wurden.

Nach den ersten fMRT-Scans wurden die Kinder in einem achtwöchigen Intensivprogramm unterrichtet, das aus 22 Stunden bestand – inkl. Additions- und Subtraktionsaufgaben. Die Tutoren unterrichteten jedes Kind individuell. Nach dem Unterricht wurden Matheangsttest und fMRT-Scans wiederholt.

Höhere Leistung und geringeres Angstniveau

Alle Kinder schnitten nach dem Einzelunterricht bei den Additions- und Subtraktionsaufgaben besser ab. Bei den Kindern aus der ‚hochängstlichen‘ Gruppe hatte sich die Angst nach der Nachhilfe reduziert, während die Angstniveaus bei denjenigen aus der ‚geringängstlichen‘ Gruppe sich nicht verändert hatten.

Keine Aktivierung im Angstzentrum

Nach dem Tutoring waren die Angstverschaltungen und die Amygdala nicht mehr bei den Kindern aktiviert, die die Studie mit großer Matheangst begonnen hatten, wodurch bestätigt wurde, dass die Einzelnachhilfe die Angst selbst verringerte, statt den Kindern einfach einen Bewältigungsmechanismus zu liefern, der von anderen Gehirnvernetzungen abhängt.

„Es ist beruhigend, dass wir diesen Kindern tatsächlich durch reine Exposition mit den angstbesetzen Aufgaben helfen konnten, die Angst zu reduzieren“, sagte Studienautor Kaustubh Supekar.

Die Forscher wollen in zukünftigen Studien herausfinden, welche Aspekte des Einzelunterrichts nun genau hilfreich waren. Spielt die Interaktion zwischen Nachhilfelehrer und Schüler in einem sozialen Kontext eine Rolle, oder kann ein computerisierter Unterricht einen ähnlichen Effekt erreichen?

Das Tutoringprogramm hat ein Standardprotokoll, wird aber auch personalisiert, sagte Menon. „Wenn ein Kind in einem bestimmten Konzept feststeckt, versucht der Tutor, das Kind durch eine nicht-negative ermutigende Weise über diese Schwelle hinwegzuführen. Weil es Einzelunterricht ist, brauchen die Kinder keine Angst vor den Reaktionen ihrer Mitschüler zu haben.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Stanford Universität, The Journal of Neuroscience; Sept. 2015

Musik hilft gegen Matheangst

03.12.2015 Entspannende Musik wird häufig eingesetzt, um die nervösen Nerven von Patienten zu beruhigen, die sich einer Operation unterziehen müssen. Die Musik scheint den Herzschlag des Zuhörers auf eine geringere Rate von etwa 60 bis 80 Schläge pro Minute zu synchronisieren.

Doch während die meisten Studien über eine verringerte Angst nach dem Hören beruhigender Musik berichten, haben nur wenige die physiologischen Veränderungen im Körper untersucht.

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Bild: Gerd Altmann

Man muss die Musik und die eigene Entspannung wahrscheinlich erst einmal richtig wahrnehmen, bevor dieses Bewusstsein in eine physiologische Reaktion des Körpers umgesetzt wird, erklärt Studienautor Samuel Gan vom A*STAR Bioinformatics Institute und der James Cook University in Singapore.
Gan erläutert, dass er in seiner Jugend unter einer Mathephobie gelitten hat und deswegen Wissenschaftler wurde.

Gan und sein Psychologiestudent von der James Cook Universität untersuchten die Verbindung zwischen Musik und ihrer Wirkung auf den Körper. Sie ließen 105 Psychologiestudenten im Alter von 19 bis 31 an einer Matheprüfung teilnehmen.

Alle Studenten berichteten über ihre Angstausprägung vor, während und nach dem Test, und es wurden regelmäßig Herzfrequenz und Blutdruck gemessen. Die eingesetzten Tests waren das State-Trait Anxiety Inventory (STAI) und die Mathematics Anxiety Rating Scale (MARS).

Beruhigende und anregende Musik

Eine Gruppe hörte Beethovens beruhigende Mondscheinsonate; eine andere Gruppe hörte Saint-Saëns lebhaftes Allegro Moderato, Sinfonie Nr. 3. Eine Kontrollgruppe hörte nicht Musik.
„Viele Studenten schienen durch die Matheaufgaben ziemlich gestresst worden zu sein“, erzählt Gan. „Einige seufzten sogar vor Erleichterung am Schluss.“

Angst wurde verringert

Die statistische Analyse der Tests zeigte, dass die beruhigende Musik ihre Angst reduzierte, die anregende Musik sie aber aufrechterhielt. Ihre Herzfrequenzen ließen sich jedoch nicht so leicht von der Musik beeinflussen und zeigten keine Veränderungen.

„Wir waren durch unsere vorläufige Analyse etwas enttäuscht“, sagte Gan in der Zeitschrift Psychology of Music. Die Forscher konnten aber bei weiteren Analysen feststellen, dass es zu einer Abnahme des systolischen Blutdrucks durch die beruhigende Musik gekommen war.

Eine Rezension früherer Studien legt eine optimale musikalische Entspannungszeit von 30 Minuten nahe. Gan erklärt sich seine nicht eindeutigen Ergebnisse mit einem ‚P2P‘-Modell der Wahrnehmungsphysiologie, wonach Vertrautheit mit und Vorliebe für die beruhigende Musik hilft, den Blutdruck zu verringern.

Gan möchte weitere Studien durchführen, um das Modell zu überprüfen. „Die Auswirkungen sind nicht auf Matheangst beschränkt.“

© PSYLEX.de – Quellenangabe: A*STAR Bioinformatics Institute, James Cook University, Psychology of Music; Nov. 2015

Forschungsarbeit untersuchte Entstehung und Wesen der Angst vor Mathe

14.03.2019 Ein veröffentlichter Bericht untersuchte die Faktoren, die die Angst vor der Mathematik bei Grund- und Sekundarschülern beeinflussen, und zeigt, dass Lehrer und Eltern unbeabsichtigt eine Rolle bei der Entwicklung der Angst eines Kindes spielen können, und dass Mädchen in der Regel stärker betroffen sind als Jungen.

Größere Angst bei Mädchen

Bei einer Stichprobe von 1.000 italienischen Schülern fanden die Forscher um E. Carey vom Fachbereich Psychologie der Universität Cambridge heraus, dass Mädchen in der Grund- und Sekundarschule ein höheres Maß an Angst vor Mathematik und allgemeiner Angst hatten.

Eine eingehendere Untersuchung bei 1.700 britischen Schülern ergab, dass ein allgemeines Gefühl, dass Mathematik schwieriger sei als andere Fächer, oft zur Angst vor Mathe beitrug, was zu einem Mangel oder Verlust des Vertrauens führte.

Die Schüler wiesen auf schlechte Noten oder Testergebnisse hin oder auf negative Vergleiche mit Mitschülern oder Geschwister als Grund, sich ängstlich zu fühlen.

Lehrer und Eltern

Die Schüler sprachen oft über die Rolle, die ihre Lehrer und Eltern bei der Entwicklung der Matheangst spielen. Kinder der Grundschule bezogen sich auf Fälle, in denen sie durch unterschiedliche Lehrmethoden verwirrt waren, während Sekundarschüler über schlechte zwischenmenschliche Beziehungen sprachen.

Sekundarschüler gaben an, dass der Übergang von der Grundschule zur Sekundarschule eine Ursache für mathematische Ängste gewesen sei, da die Arbeit härter schien und sie sie nicht bewältigen konnten. Es gab auch einen höheren Druck durch Tests und eine erhöhte Belastung durch Hausaufgaben.

Empfehlungen

Die Wissenschaftler haben in dem Bericht eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen. So sollten sich die Lehrer bewusst machen, dass die Mathematikangst wahrscheinlich auch die Mathematikleistung beeinflusst.

Lehrer und Eltern müssen sich auch bewusst sein, dass ihre eigene Angst vor Mathe die ihrer Schüler oder Kinder beeinflussen könnte, und dass geschlechtsspezifische Stereotypen über die Eignung und Fähigkeit zur Mathematik zur geschlechtsspezifischen Kluft bei der Matheleistung beitragen können.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Cambridge – https://doi.org/10.17863/CAM.37744

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