Staurophobie

Staurophobie – Angststörungen – Phobien (weitere Phobien in der Phobie-Liste)

Die Phobie Staurophobie: Angst vor dem Kreuz oder Kruzifix

Die Staurophobie gehört zu den spezifischen Phobien und bezeichnet die krankhafte Angst vor dem Kreuz oder Kruzifix.

Menschen mit Kreuzangst leiden unter dem Anblick von Kreuzen, haben oft negative Erfahrungen mit der christlichen Kirche / Religion (in der Kindheit) gemacht und haben intrusive bzw. Zwangsgedanken, dass sie durch das Kreuz / Kruzifix (im übertragenen Sinne durch die Kirche) Schaden erleiden könnten oder auch nicht würdig sind, diesem zu nahe zu kommen. (Literarisch dürfte der typische Staurophobiker ein Vampir sein 😉

Das Wort Staurophobie kommt aus dem Altgriechischen: stauros = Kreuz, zwei zusammengenagelte Holzstücke; phobos = Angst.

Beiträge zu “Staurophobie”

  1. „Der typische Staurophobiker dürfte ein Vampir sein“ – Finden Sie das witzig und einer seriösen psychologischen Ratgeber-Seite angemessen? Als bayerischer Volksschul-Pädagoge, promoviert über John Dewey’s Einfluss im Schulsystem Brasiliens, habe ich mehrere Bücher über Wirkungen des Symbols geschrieben, auf das alle bayerischen Grundschülerinnen trotz klarem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schauen müssen, und bekam für meine „als Einzelfall“ erfolgreiche Klage anno 2002 in Berlin den Ossip-Kurt-Flechtheim-Preis der Humanistischen Union. Die Mutter meiner Mutter, jüdischer Abstammung wie auch mein Vater, litt im Alter unter Kreuzangst. Es folgen 14 Beispiele von Kreuzangst in der Kindheit:

    (1) 1893: Dem kleinen Dov Berkowitz war wie allen jüdischen Kindern in Polen eingeschärft worden, sich bei jedem Wegkreuz abzuwenden, um die Augen nicht zu „besudeln“ mit dem Götzenbild. Doch eines Tages will er es wissen – und dreht sich um! „Was soll das bedeuten? Ist er das? Der Eindruck war … unheimlich, erschreckend in seiner Fremdheit … Aber da kam ein Bauer auf seinem Pferdekarren vorüber, hielt an und bekreuzigte sich. Als er mich dastehen sah, verfinsterte sich sein Antlitz, er stieß einen Fluch aus und schlug mit der Peitsche nach mir.“ (Lapide, Pinchas: Ist das nicht Josephs Sohn? Jesus im heutigen Judentum. Gütersloh 1985, p.17)

    (2) 1925: Der kleine Michael, Sohn eines späteren Literatur-Nobelpreisträgers, fürchtete sich vor dem am Kreuz hängenden kleinen Mann. Ob das damit zu tun hatte, dass seine Mutter Katia (wie wohl auch Julia da Silva-Bruhns, die brasilianische Mutter des Vaters) von jüdischen Vorfahren herkam? Jedenfalls, die deutsche „Da-muss-Kind-durch“-Kur ging dann so: „Den gekreuzigten Nackten nagelte der Vater seinem sechsjährigen Michael ans Kopfende des Bettes. Das sei nämlich ein ‚Teil von unserer westlichen Kultur, und der Junge muss sich an das gewöhnen‘, erinnert sich seine Schwester Elisabeth Mann.“ Michael und sein Bruder Klaus starben durch Suizid. Zu weich für diese Kreuz-Welt oder für diesen deutschen Vater? (Roggenkamp, Viola: Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Frankfurt am Main 2008, p.125)

    (3) 1938: Der kleine Victor, ein Sprössling der vielen Pereiras, die der portugiesischen Inquisition unter windgeblähten Segeln entkamen, wuchs in Guatemala auf, stets gut betreut vom siebzehnjährigen Kindermädchen: „Chata, eine katholische Maya aus einem Bergdorf, war entschlossen, meine jüdische Seele zu retten; sie schlich sich oft mit mir in die Kathedrale, wo sie mich vor dem Gekreuzigten knien und das Ave Maria beten ließ. Mein Geruchssinn war betört von der Mischung aus Weihrauch und Chatas Bluse, wenn sie ihre festen Brüste gegen meinen Rücken presste; dies war ihre Art, meine Angst zu lindern vor der schrecklichen nackten Figur am Kreuz.“ (Perera, Victor: The Cross and the Pear Tree. A Sephardic Journey. London 1995, p.231)

    (4) 1970: „An die Erfahrung eines Kirchenraums kann ich mich schon in sehr früher Kindheit erinnern – ich muss da etwa fünf gewesen sein – und wenn ich zum Kreuz aufschaute, war mir sehr klar, dass etwas in mir sich wehrte gegen die Annahme Jesu als Gott. Ich hatte Angst, weil er sehr detailliert gemacht war, aber diese Angst war mein Geheimnis, das ich für mich behielt.“ Das kleine Mädchen nannte sich als Erwachsene Shlomit, weil sie zum Judentum übertrat. (Myrowitz, Catherine Hall: Finding a Home for the Soul. Interviews with converts to Judaism. Northvale, NJ 1995, p.193)

    (5) 1985: Die Amerikanerin Terry Kallet war mehr als erstaunt, als ihr dreijähriger Sohn Nathan eines Tages aus der Vorschule nach Hause kam und sie bat: „Beschütz mich vor Papi!“ – „Was, warum, was ist passiert?“ fragte seine Mutter zurück und erfuhr, was Nathan heute gelernt hatte: Die Vorschullehrerin hatte erzählt, dass die Juden Jesus getötet haben und dass Jesus der Sohn eines Juden sei. „Also ging mein eigener Sohn nach Hause im Gedanken, dass, weil sein Vater Jude ist und er der Sohn eines Juden, sein Daddy ihn folglich killen würde. Und während mir mein Sohn dies sagte, war ich dabei, das Sedermahl vorzubereiten!“ (Myrowitz, p.72)

    (6) Meine ebenso engagierte wie erfahrene Grundschulkollegin Elke erzählte mir, sie habe (vorschriftswidrig) ihre ersten und zweiten Klassen jahrelang ohne Kruzifix unterrichtet, weil in jeder neuen Klasse nach den ersten Schultagen regelmäßig Kinder fragten, was ist das an der Wand da mit dem Mann? Und weil die Kleinen, als sie versuchte, die Kreuzigung so schonend wie möglich zu erklären, regelmäßig in Tränen ausbrachen. Erst nach dem Kruzifixurteil habe sie das Symbol wieder aufgehängt, um das Problem aus dem Klassenzimmer rauszuhalten. Eine richtige Entscheidung?

    (7) Was den Zusammenhang von Intelligenz und Sensibilität betrifft, hat Kierkegaard schon 1848 ganz schlicht festgestellt: „Je weniger Geist, desto weniger Angst.“ Das heißt nicht, dass nur hochbegabte Kinder unter Kruzifixen leiden. Mein ehemaliger Schüler Stefan Gassner berichtete mir aus seiner Arbeit in einer Förderschule für geistig behinderte Kinder: „Die Karin, die hat mir erzählt: ‚Den Jesus mag ich nicht.’“ Das Kind meinte den Juden, der, wer weiß warum, stumm hängend auch geistig behinderten Kindern erklären soll, wie das Annageln eines Menschen der Welt das Heil gebracht hat. Aber wer ist hier behindert?

    (8) „Sechs Jahre alt war ich, als man mich einmal aus der Episkopal-Kirchenbank entfernen musste, weil ich mein Weinen nicht stoppen konnte. Niemand kapierte, dass ich auf ein schreckliches, prächtiges Glasfenster mit der Kreuzigung gestarrt und gespürt hatte, welche Schmerzen Christus ertragen haben musste”. So erinnert sich William Stillman, der 2006 in seinem autobiographischen Buch über „Autism and the God Connection“ die besondere Sensitivität, angeborene Sanftheit und Tierfreundlichkeit autistischer Kinder hervorhob. (Stillman, William: Autism and the God Connection. Naperville, Illinois 2006, pp.4 und 6.)

    (9) „Meine Enkelin ist vier Jahre alt und hat Angst vor dem Kruzifix“, schreibt eine Frau namens Christa, die 1939 zur Welt kam. „Bei uns neben der Kirche ist ein großes Kreuz. Sie mag da nicht mehr vorbei gehen weil sie Angst vor dem Kreuz hat. Sie weint weil der Mann Aua hat und blutet. Wie soll ich ihr das am besten kindgerecht erklären. Gruß Christa.“ (spin.de/forum, 4.-8.11.2011.)

    (10) „Hallo und einen schönen Samstag Nachmittag zusammen, irgendwie ist man es ja gewohnt bei einer 3,5-jährigen Tochter ständig Sinn gebende Antworten parat haben zu müssen. Aber gestern hat sie uns vor eine ernsthafte Herausforderung gestellt und zwar mit der Frage, warum Jesus am Kreuz hängt und warum er denn blute? Und das um 5 Minuten vor Schlafenszeit!“ (Mac, auf chefkoch.de/forum.)

    (11) „Hallo Mamis, meine Tochter (2,5 Jahre) geht seit Anfang September in den Kindergarten. Fremdbetreuung war sie vorher von der Tagesmutter her gewöhnt. Seitdem sie aber in den Kiga geht, äußert sie frühs vor dem Kiga immer, dass sie Angst hat vor dem großen Kreuz im Kiga. Der ‚Mann mit den Nägeln‘ macht ihr Angst. Mittlerweile weiß ich schon gar nicht mehr, ob ich groß darauf reagieren soll und vor allem, was ich noch sagen soll. Die werden es jedenfalls bestimmt nicht wegen ihr von der Wand hängen. Alle Beschwichtigungen und Erklärungen machen es nur noch schlimmer. Ich muss dazu sagen, dass das Kreuz im Kiga echt ein monströses häßliches Teil in 2 Meter Größe ist, das dann auch noch in Augenhöhe der Kinder hängt (auch mit richtiger Christusfigur).“ (huxe 91, auf netmoms.de)

    Zwei Kindheitserinnerungen von ex-christians auf reddit.com:
    (12) BryannaW (2024): Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, dass ich im Alter von 4 Jahren gezwungen war, ein Zeichentrickvideo von der Kreuzigung Jesu mit nach Hause zu nehmen. Als meine Lehrerin an unserer christlichen Grund- und Sekundarschule das Video vorspielte, war ich wohl allzu „Unterricht störend“, weil ich während des gesamten Videos weinte. Jedenfalls ließ sie mich das Video meinen Eltern nach Hause bringen, damit ich es mir anschauen konnte, denn das war für mich wohl notwendig.

    (13) Shaz (2024): Von der Kreuzigung hatte ich Albträume. Meine Mutter wusste, dass ich Angst davor hatte und auch vor der Hölle. Also erzählte sie mir jahrelang, dass man in der Hölle gekreuzigt wird und die Ewigkeit damit verbringt, an ein Kreuz genagelt zu werden, das Feuer fängt, und dass der Schmerz nie aufhört; so blieb ich jahrelang gehorsam und hatte Angst vor allem, was gegen meine Mutter und Gott ging. Die Albträume habe ich immer noch. Ich verstehe nicht, warum es nicht als Missbrauch gilt, wenn Eltern ihren Kindern solche Dinge beibringen.
    (reddit.com/r/exchristian/comments/18krlkb/thinking_about_how_sick_the_corpse_imagery_of/)

    (14) Ihre Schulzeit als kleine Jüdin im schwäbischen Hainsfarth, unter dem so harmlosen Pflicht-Symbol über der Tafel, fasste die Schauspielerin Therese Giehse (1898-1975) so zusammen: „Ich war dick, rothaarig und hatte den Herrn Jesus umgebracht.“ (Gernot Römer, Vortrag in der Hainsfarther Synagoge, in: Sonntagszeitung, Augsburg, 04.05.1997. Vgl. Giehse, Therese: Ich hab nichts zum Sagen. Reinbek 1976.

    Zum Schluss eine bitter witzige Anekdote (erzählt von Salcia Landmann), die auf Zusammenhänge zwischen Kreuz, KZ und Gaza hinweist:
    Kindergespräch an einem deutschen Sandkasten der 1930er Jahre:
    Fritzchen: „Ich darf nicht mehr mit dir spielen, Sarah.“
    Sarah: „Und warum nicht?“
    Fritzchen: „Mama hat gesagt, ihr Juden habt Jesus gekreuzigt.“
    Sarah nimmt ihre Kuchenform, läuft wütend heim, ist aber bald wieder da.
    Sarah: „Also hör mal zu, Fritzi. Ich war’s nicht, Mama war’s nicht, Papa war’s nicht, und Tante Betty auch nicht. Das müssen die Cohns vom dritten Stock gewesen sein.“

    Mit freundlichen Grüßen,
    Dr. Konrad Yona Riggenmann (konrig@t-online.de),
    Morretes, Paraná, Brasilien.

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