Die Probleme, mit einer bipolaren Störung zu leben, sind gut dokumentiert worden, aber eine neue Studie der Lancaster Universität hat die Ansichten jener gesammelt, die auch von hochgeschätzten, positiven Erfahrungen berichten, wenn man mit dieser Erkrankung lebt.
Das Positive an einer bipolaren Störung
Bipolare Störung ist ein zweischneidiges Schwert: eine qualitative Studie versucht, die positive Seite zu verstehen. Fiona Lobban, Katherine Taylor, Craig Murray und Steven Jones haben sie im Journal of Affective Disorders veröffentlicht.
Die Forscher am Lancaster Spectrum Centre, welches der Erforschung der bipolaren Störung gewidmet ist, interviewten und zeichneten die Ansichten und Erfahrungen von zehn Menschen mit bipolarer Diagnose im Alter zwischen 24 und 57 auf. Die Teilnehmer der Studie berichteten über eine Anzahl von wahrgenommenen Vorteilen der Störung, die sich von schärferen Sinnen bis zu einer Produktivitätszunahme erstreckten.
Die Studie sollte herausfinden, ob es Belege dafür gibt, dass einige Menschen mit bipolarer Störung auf ihre Erfahrungen soviel Wert legen, dass sie es vorziehen, nicht ohne diese Erkrankung zu leben.
Die Teilnehmer beschrieben eine viel größere Intensität und ein breites Spektrum von Erfahrungen und inneren Zuständen, dass sie glaubten, sie würden ein reicheres Leben führen, als jene ohne diese Störung. Dies schließt gesteigerte wahrgenommene Sensitivität, Kreativität, Fokussierung und Klarheit der Gedanken ein.
Studienleiterin Dr. Fiona Lobban sagte: „Bipolare Störung wird im Allgemeinen als eine schwerwiegende und bleibende psychische Erkrankung mit ernsten negativen Folgen für die Menschen mit dieser Diagnose und ihren Freunden und ihrer Familie betrachtet. Für einige Personen ist dies sicher der Fall.
Die Forschungsstudie zeigt, dass die langfristige Arbeitslosigkeitsrate hoch ist, Beziehungen sind durch hohe Belastungen für Familie und Freunde schwierig, und die Lebensqualität ist oft schlecht. Es wird von hohen Raten bei Drogen- und Alkoholmissbrauch berichtet und die Suizid-Raten sind bei Menschen mit dieser Diagnose ca. zwanzigmal höher als in der allgemeinen Bevölkerung.
Jedoch wissen die Forscher und Kliniker trotz all dieser Faktoren, dass einige Aspekte bipolarer Erfahrungen auch hoch von einigen Betroffenen geschätzt werden. Wir wollten etwas über diese positiven Erfahrungen herausfinden.
Die Betroffenen waren sehr darauf versessen, an dieser Studie teilzunehmen und ihre Ansichten auszudrücken, von denen manche annahmen, dass sie vor den Angehörigen der Gesundheitsberufe geheimgehalten werden müssten, sagte Lobban.
Bipolar zu sein ist nicht nur negativ
„Es ist wirklich wichtig, dass wir mehr über das Positive der bipolaren Störung erfahren, da wenn man sich nur auf die negativen Aspekte konzentriert, ein sehr befangenes Bild gemalt wird, das die Ansicht aufrechterhält, bipolar zu sein, wäre eine gänzlich negative Erfahrung. Wenn wir versäumen, das Positive zu erkunden, versäumen wir auch, die Ambivalenz einiger Menschen zu verstehen, die gegen eine Behandlung gerichtet ist“.
Rita Long aus Stockport war nicht Teil der Studie, aber kann sich mit den Befunden identifizieren. Sie war 40, als sie mit Bipolare Störung diagnostiziert wurde, aber von ihren Schultagen an wusste sie, dass sie die Welt anders erfuhr als ihre Zwillingsschwester.
Größere Intensivität
„Wir machten Weihnachtsplätzchen in der Schule und ich war davon so begeistert und aufgeregt, und meine Schwester sagt, dass sie sich daran erinnert, mich beobachtet und gedacht zu haben: ‚Ich wünschte wirklich, dass ich so begeistert sein könnte, Weihnachtsplätzchen zu machen‘. Ich bemerkte Dinge, erlebte sie auf einer anderen Ebene der Intensität. Wenn wir auf einem Spaziergang wären, würde ich sagen, ’schau Dir diese Farbe mal an‘, und meine Schwester würde sagen ‚es ist nur eine Beere‘. Auch können bipolare Menschen in Gesellschaft ziemlich schnell witzig und lustig sein. Bis sehr viel später im Leben nahm ich an, dass jene Dinge Teil meiner Persönlichkeit sind.
„Ich will nicht unterschätzen, wie schwierig schlechte Zeiten sein können, durch die einige mit bipolarer Störung gehen müssen, aber ich fühle zur gleichen Zeit das Positive sehr leidenschaftlich. Wenn wir vorhaben, als eine Gesellschaft voranzugehen – in der akademischen Welt, im Geschäftsleben, in der Unterhaltungswelt – brauchen wir Menschen, die über Grenzen gehen. Bipolare Menschen können das“.
Quelle: Journal of Affective Disorders; Lancaster’s Spectrum Centre. Mai 2012
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Ich denke, es ist andersherum. Weil der innere Reichtum so gross ist, keiner einem hilft damit umzugehen, man abgelehnt wird für das was man sagt und tut, darum entwickelt sich die Störung.
Der Artikel macht mich als Angehörige einfach nur traurig.
Für mich gibt es an der Erkrankung nichts positives.
Die über 20 Jahre lang unbehandelte Erkrankung meines Mannes hat in der letzten manischen Phase alles zerstört. Wir waren 30 Jahre lang verheiratet, haben eine wunderbare
Tochter und ein schönes Heim. Zwischenmenschlicher und finanzieller Ruin liegt nun vor.
Für etwas Besonderes wahrnehmen zu können, braucht man die Manie nicht.
Ich habe diese Erkrankung nicht und nehme die Außenreize auch sehr bewusst wahr.
Auch ohne Manie, kann ich den Regen riechen und die glitzernden Regentropfen
bestaunen, die sich in der Sonne auf den Halmen spiegeln.