Depression und Traurigkeit

Wollen Depressive traurig sein?

27.06.2015 Eine Studie der Hebräischen Universität Jerusalem zeigt, dass viele depressive Menschen ihre Traurigkeit nicht verringern, selbst wenn sie Möglichkeit und Wahl haben.

Festhalten an der Traurigkeit

Der Befund ist ein wenig verblüffend, denn Depression ist durch intensive und häufige negativ empfundene Gefühle – wie Traurigkeit – gekennzeichnet. Folglich erschiene es logisch, Interventionen zu entwickeln, die sich gegen diese negativen Gefühle richten.

traurigkeit
Bild: iWorksphotography Gary Ross

Aber die neuen in der Zeitschrift Psychological Science herausgegebenen Befunde legen nahe, dass dies nicht immer die angemessene Vorgehensweise zu sein scheint.

Entgegengesetzt zu dem was man erwarten würde, verhielten sich Depressive oft so, als ob sie ihre Traurigkeit nicht verringern sondern verstärken wollten, sagte Studienautor Dr. Yael Millgram zu den Befunden.

Dies ist eine wichtige Sache, denn es weist darauf hin, dass depressive Personen manchmal bei der Reduzierung ihrer Traurigkeit im täglichen Leben erfolglos sind, weil sie sich – aus irgendeinem Grund – daran festhalten, sagte er. Zur Untersuchung dieser Verbindung führten Millgram und Kollegen eine Reihe von Experimenten durch.

Experiment I: Bilder

Im ersten Experiment wurden 61 weibliche Teilnehmerinnen auf depressive Symptome untersucht und anschließend nach Ergebnis als ’nicht depressiv‘ (keine bis wenig Symptome) und ‚depressiv‘ (moderate bis starke Symptomatik und Diagnose einer depressiven Episode oder Dysthymie) klassifiziert.

Alle Probandinnen sollten dann an einer ‚Bildauswahl-Aufgabe‘ teilnehmen: Bei jedem Durchgang sahen die Teilnehmerinnen eine bestimmte Abbildung und konnten eine Taste drücken, um es sich noch einmal anzusehen, oder eine andere, um den schwarzen Bildschirm stattdessen zu sehen. Die Bilder wurden in zufälliger Reihenfolge gezeigt und bestanden aus 10 fröhlichen, 10 traurigen und 10 emotional neutralen Abbildungen.

Es zeigte sich, dass sowohl depressive als auch nicht depressive Teilnehmerinnen fröhliche Fotos häufiger als die traurigen oder neutralen Photos erneut sehen wollten.

Aber, als sich die Forscher insbesondere ansahen, wie die Gruppen auf die traurigen Abbildungen reagierten, stellten sie fest, dass die depressiven Teilnehmerinnen diese Bilder häufiger erneut aufriefen als die nicht-depressiven.

Experiment II: Musik

Diese Befunde wurden in einer zweiten Studie bestätigt, wobei es diesmal um die Musikwahl ging. Wieder fanden die Forscher, dass sich die depressiven Teilnehmerinnen eher die traurigen als die fröhlichen oder neutralen Musikstücke erneut anhörten.

Traurige Musik wurde nur von 24 Prozent der nicht-depressiven aber von 62 Prozent der depressiven Teilnehmerinnen gewählt.

Die Versuchsteilnehmerinnen fühlten sich weniger traurig, wenn sie die fröhliche Musik hörten, und trauriger, wenn sie traurige hörten, aber sie wählten die traurige Musik, sagte Millgram.

Wir waren überrascht, dass die depressiven Teilnehmerinnen eine derartige Auswahl trafen, obwohl sie wussten, mit welchen Gefühlen sie auf diese Art von Musik reagieren würden, sagte er.

Experiment III: Kognitive Neubewertung

Und das dritte Experiment zeigte: Als den Teilnehmerinnen beigebracht wurde, wie man kognitive Neubewertungen als Strategie zur Steigerung oder Abnahme ihrer emotionalen Reaktionen auf Stimuli einsetzt, verstärkten die depressiven Teilnehmer ihre emotionalen Reaktionen auf traurige Abbildungen häufiger als es die nicht-depressiven taten.

Die Forscher entdeckten, dass diese Bemühungen wirkungsvoll waren: Je mehr die Teilnehmerinnen die Neubewertung einsetzten, um ihre emotionalen Reaktionen auf traurige Bilder zu steigern, desto mehr nahm ihre Traurigkeit zu.

Die Befunde legen nahe, dass die Entwicklung von wirkungsvollen Werkzeugen nicht ausreicht, um den Betroffenen zu helfen, ihre Emotionen auf förderliche Weise zu regulieren; sie müssen auch motiviert werden, diese Werkzeuge zu benutzen.

„Die dringendste Aufgabe für uns ist, zu verstehen zu versuchen, warum depressive Menschen ihre Emotionen auf eine Weise regulieren, die die Traurigkeit nicht verringert, sondern eher größer werden lässt“, sagte Millgram.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Hebräische Universität Jerusalem, Psychological Science; Juni 2015

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