Depression und Emotionen

Emotionen lassen sich schwerer ‚verstehen‘, wenn man depressiv ist

27.05.2015 Der Raum ist voll mit lautem Geplapper. Gläser klirren. Musik ist im Hintergrund zu hören. Bei all diesen Hintergrundgeräuschen, kann es manchmal schwierig sein, zu verstehen, was der Nachbar sagt.
Wenn ein wohlmeinender Freund einen depressiv gestimmten Menschen mit zu einer Party nimmt, kann es ihn noch tiefer in sich selbst versinken lassen.

Denn laut einer Studie der University of Texas (Austin) haben es Depressive in solchen Situationen schwerer, jede Form von emotionaler Sprache zu hören (also nicht nur nicht negativ ‚getönte‘ Kommunikation).

„Frühere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass Menschen mit stärkeren Depressionssymptomen eine Verzerrung bei der negativen Wahrnehmung von Informationen dieser Art vorweisen“, sagte Forscher Zilong Xie.

Energetische und informatorische Maskierung

Die Wissenschaftler erklären, dass, wenn ein Zuhörer Probleme hat, das Gesagte von jemand anderen zu verstehen, die Störungsquelle in eine von zwei Kategorien eingeordnet werden kann: energetische oder informatorische Maskierung.

Bei der energetischen Maskierung stören die Geräusche aus peripheren Quellen wie Baustellen oder Flugzeugen die Sprachwahrnehmung.
Bei der informatorischen Maskierung entsteht die Störung durch sprachliche und kognitive Quellen – wie z.B. durch den Hintergrundlärm menschlicher Kommunikation.

Interessanterweise scheint die informatorischer Maskierung größeren Stress für die Exekutivfunktionen (ausführende Funktionen im Gehirn) zu bedeuten als die energetische. Dies bedeutet, dass eine Cocktailparty oder ein Hörsaal eine potentiell ‚isolierende‘ Erfahrung werden kann.

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Bild: Takuro Obara

Emotionale Sprache

Die Wissenschaft der Psychoakustik identifiziert fünf Grundformen emotionaler Sprache: verärgert, ängstlich, fröhlich, traurig und neutral.

„Viele Studien haben bisher nur die neutrale Sprache, Sprache ohne emotionalen Inhalt, untersucht“, sagte Xie im Journal of the Acoustical Society of America.

Die Forscher wollten aber verstehen, was mit der Sprachwahrnehmung besonders in einem multitonalen Zustand – während emotional gesprochen wird – passiert.

Xie und seine Kollegen wollten herausfinden, ob die Verzerrung bei depressiven Menschen, sich an traurige Informationen zu erinnern, dazu führt, leichter negative Informationen in diesen Umgebungen wahrzunehmen.

Experiment mit energetischer und informatorischer Maskierung

Um ihre Annahme zu testen, untersuchten sie die Sprachwahrnehmung von Freiwilligen mit leichten oder schweren Depressionssymptomen bei energetischer und informatorischer Maskierung.

Die Teilnehmer sollten auf bestimmte Sätze achten, die in einer der fünf Formen emotionaler Sprache gesprochen wurden, wobei Lärm im Hintergrund zu hören war.

Die Teilnehmer schrieben auf, was sie gehört hatten. Dies wurde später mit den tatsächlichen Sätzen verglichen. Der Test wurde fünfzigmal mit jedem Freiwilligen mit zehn Sätzen aus jedem emotionalen Typus ausgeführt.

Die Forscher stellten fest, dass Teilnehmer mit schwereren Depressionssymptomen generell schlechter alle Arten emotionaler Sprache hörten/verstanden verglichen mit Probanden mit leichteren Depressionssymptomen, sagte Xie.

Die Wissenschaftler waren überrascht, dass die depressiveren Teilnehmer negative Sätze, die in Umgebungen mit informatorischer Maskierung übermittelt wurden, nicht besser verstanden. Sie hörten bzw. verstanden alles schlechter, egal welchen emotionalen Inhalt die Sätze hatten.

Jedoch hörten beide Gruppen gleich gut, wenn die Sätze in energetisch maskierten Umgebungen vorgelesen wurden.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Texas, Journal of the Acoustical Society of America; Mai 2015

Gehirnnetzwerke für Emotionen sind bei Depression gestört

22.01.2016 Eine in der Zeitschrift Psychological Medicine veröffentlichte Studie hat festgestellt, dass Gehirnregionen, die normalerweise zusammen Emotionen verarbeiteten, sich bei Menschen mit mehreren depressiven Episoden trennen.

Laut den Neurowissenschaftlern könnten diese Befunde helfen festzustellen, welche Patienten von einer langfristigen antidepressiven Behandlung profitieren, um das erneute Auftreten depressiver Episoden zu verhindern.

„Die Hälfte der Menschen, die eine erste depressive Episode hatten, werden innerhalb von zwei Jahren eine weitere bekommen“, sagte Dr. Scott Langenecker, Professor für Psychiatrie und Psychologie an der Universität Illinois (Chicago).

Störungen in den Netzwerken

Frühere Forschungen konnten zeigen, dass Störungen in den Netzwerken des Gehirns, die während der Lösung von Problemen und der Verarbeitung von Emotionen gleichzeitig aktiv sind, bei psychisch Erkrankten häufig vorkommen.

Während eine Unterbrechung neuraler Verbindungen problematisch sein kann, sind ‚Hyperkonnektivität‘ bzw. zu viele Verbindungen innerhalb des „ruhenden Netzwerks“, oder Bereichen, die während Ruhephasen und Selbstreflexion aktiv sind, auch mit Depression verbunden worden.


Bild: Gerd Altmann

Konnektivitätsmuster als Vorhersagevariablen

„Wenn wir verschiedene Netzwerkverbindungsmuster identifizieren können, die mit Depression verbunden sind, dann könnten wir möglicherweise auch feststellen, welches die Risikofaktoren für sich verschlechternde Resultate sind (wie multiple Episoden), und wir können diese Patienten dann auf Präventiv- oder Erhaltungsmedikation setzen“, erklärte Langenecker.

Ebenfalls könnte herausgefunden werden, welche Medikamente am besten für Menschen mit anderen Konnektivitätsmustern wirken, um so personalisiertere Behandlungspläne zu entwickeln.

In einer früheren Forschungsarbeit stellte Langenecker fest, dass die emotionalen und kognitiven Gehirnnetzwerke bei jungen depressiven Erwachsenen Hyperkonnektivität aufwiesen. Mit Grübeln verbundene Bereiche des Gehirns wiesen ebenfalls eine übermäßige Konnektivität bei Jugendlichen auf, die schon einmal eine depressive Episode erlebt hatten.

Gibt es verschiedene Muster der Netzwerkstörungen?

In der neuen Studie wollten die Forscher herausfinden, ob es verschiedene Muster der Netzstörungen bei jungen Erwachsenen gäbe, die nur eine Episode erlebt hatten, im Vergleich zu Personen, die mehrere Episoden erlebten.

Die Forscher benutzten funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um die Gehirne von 77 jungen Erwachsenen (durchschnittliches Alter: 21) zu scannen. Siebzehn der Teilnehmer erlebten während der Scans eine klinische Depression, während es 34 zu diesem Zeitpunkt gut ging.

Von den 51 Patienten hatten 36 mindestens eine vorherige depressive Episode und diese Personen wurden mit 26 Teilnehmern verglichen, die noch nie eine klinische depressive Episode hatten. Keiner nahm Psychopharmaka während der Scans.

Alle wurden im Ruhe-Zustand gescannt, um zu zeigen, welche Bereiche des Gehirns am meisten synchron aktiv sind, wenn man relaxt und die Gedanken frei wandern lässt.

‚Entkoppelte‘ Amygdala

Die Forscher stellten fest, dass die Amygdala – eine Gehirnregion, die bei der Wahrnehmung von Emotionen involviert ist – aus dem emotionalen Netz bei Menschen entkoppelt ist, die multiple depressive Episoden hatten.

Langenecker nimmt an, dass dies die emotionale Informationsverarbeitung stören und ’negative Verarbeitungsverzerrungen‘ erklären könne, durch die Depressive selbst neutrale Informationen als negativ werten.

Erhöhte Konnektivität

Die Forscher entdeckten auch, dass Teilnehmer mit mindestens einer vorherigen depressiven Episode – ungeachtet dessen, ob sie zur Zeit der Scans depressiv waren – eine erhöhte Konnektivität zwischen Ruhe- und dem kognitiven Netzwerk zeigten.

„Dies könnte ein Versuch der Anpassung des Gehirns sein, um die emotionalen Verzerrungen und das depressive Grübeln zu regulieren“, sagte Langenecker.

Diese Erkenntnisse sind wichtig, um neue Wege zur Verbesserung und Kontrolle von Depression zu gehen. Jedoch sind weitere langfristigere Studien vonnöten, um festzustellen, ob die Muster eine Vorhersagekraft für multiple Episoden bei einigen Patienten haben und wer eine Erhaltungstherapie oder eine neue präventive Behandlung braucht, schloss er.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Illinois (Chicago), Psychological Medicine; Jan. 2016

Depressive Menschen haben stärkere emotionale Reaktionen auf negative Erinnerungen

08.03.2018 Menschen mit einer schweren depressiven Störung empfinden mehr negative Emotionen, wenn sie sich an schmerzliche Erfahrungen erinnern – als Menschen ohne diese Störung, so eine neue in Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging veröffentlichte Studie.

Die Forschungsarbeit zeigt Unterschiede darin, wie die Systeme des Gedächtnisses während der Emotionsverarbeitung bei Depressionen eingesetzt werden und wie die erkrankten Menschen diese Systeme regulieren müssen, um ihre Emotionen zu kontrollieren.

Höheres Ausmaß negativer Emotionen auf negative Erinnerungen

Die persönlichen Erinnerungen, die in der Studie verwendet wurden, um Emotionen hervorzurufen, halfen dabei, komplexe emotionale Situationen zu erschließen, die depressive Menschen in ihrem Alltag erleben.

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Bild: George Hodan

Die 29 Männer und Frauen mit einer klinischen Depression berichteten über ein größeres Ausmaß negativer Emotionen, wenn sie sich an negative Ereignisse erinnerten – als die 23 gesunden Vergleichspersonen.

Amygdala und Hippocampus

Unter Verwendung von bildgebenden Verfahren beobachteten Studienautor Kevin Ochsner von der Columbia Universität und Kollegen die erhöhten emotionalen Reaktionen auf erhöhte Aktivität in einem emotionalen Zentrum des Gehirns, der Amygdala, und auf Interaktionen zwischen der Amygdala und dem Hippocampus – einer Gehirnregion, die für das Gedächtnis wichtig ist.

Die Teilnehmer mit Depression waren in der Lage, diese erhöhten negativen Emotionen auf ein normales Niveau zu reduzieren, wenn sie das Gedächtnis als entfernten Beobachter in Erinnerung riefen.

Wenn sie diese Strategie benutzten, zeigten die depressiven Probanden ein Muster der Hirnaktivität, das mit dem vergleichbar war, was die gesunden Kontrollen zeigten.

Wobei es einen entscheidenden Unterschied gab: eine größere Dämpfung einer Region des hinteren Hippocampus, die mit dem Rückruf spezifischer Gedächtnisdetails in Verbindung gebracht wird, sagte Studienautor Bruce Doré von der Universität Pennsylvania.

Hemmung der Abrufes der Erinnerungen

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass negative Erinnerungen zwar einen stärkeren Einfluss auf Menschen mit Depressionen haben, dass sie aber in der Lage sein könnten, ihre emotionale Reaktion zu regulieren, indem sie es schwieriger machen, sich an bestimmte Details der Erfahrung zu erinnern.

Dies ist im Allgemeinen konsistent mit einer wachsenden Anzahl von Arbeiten, die darauf hindeuten, dass Personen mit Depression in der Lage sind, ihre Emotionen zu regulieren, wenn sie darauf angewiesen sind. Manchmal tun sie dies aber auf eine tendenziell anormale Weise, wie z.B. eher problematische Strategien wie Ablenkung und Grübeln im täglichen Leben einzusetzen, sagte Dr. Doré.

Emotionsregulation

Laut Doré stehen die Ergebnisse der Studie im Einklang mit der Vorstellung, dass Menschen mit Depression von einem Training profitieren könnten, das sich darauf konzentriert, geeignete Strategien zur Emotionsregulation zu identifizieren und effektiv einzusetzen.

Es ist möglich, dass das Training dazu beitragen könnte, die depressionsbedingten funktionellen Hirnunterschiede, die wir hier beobachtet haben, zu normalisieren, schließt Doré.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Columbia Universität; Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging (2018). DOI: 10.1016/j.bpsc.2018.01.002

Differenzierung zwischen negativen Emotionen könnte vor Depressivität schützen

30.06.2019 Jugendliche, die ihre negativen Emotionen präzise und differenziert beschreiben können, sind besser vor Depressionen geschützt als ihre Altersgenossen, die es nicht können.

Das ist das Fazit einer im Fachblatt Emotion veröffentlichten Studie über die Differenzierung von negativen Emotionen – die Fähigkeit, fein abgestufte Unterscheidungen zwischen negativen Emotionen zu treffen und präzise Bezeichnungen zu verwenden.

Lisa Starr vom Fachbereich Psychologie der Universität Rochester und Kollegen untersuchten Heranwachsende (Durchschnittsalter 16 Jahre) auf Depressionen und wie gut sie ihre Emotionen beschreiben konnten.

Die Psychologen fanden heraus, dass Jugendliche, die ihre negativen Emotionen schlecht unterscheiden konnten, anfälliger für depressive Symptome nach stressigen Lebensereignissen waren.

Dagegen waren die Teilnehmer mit einer höheren Differenzierungsfähigkeit (die also mehr über ihre Stimmung erzählen konnten als z.B. ‚Ich fühl mich schlecht‘) besser in der Lage, die emotionalen und verhaltensbedingten Folgen von Stress zu bewältigen, wodurch die Wahrscheinlichkeit, dass negative Emotionen mit der Zeit zu einer klinisch bedeutsamen Depression eskalieren, verringert wird.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Emotion – https://dx.doi.org/10.1037/emo0000630

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