Bestimmte Denkweise kann die Macht traumatischer Erinnerungen brechen
07.05.2016 Laut einer in der Zeitschrift Behavior Therapy veröffentlichten Studie der Universität Oxford kann man sich eine Denkweise antrainieren, die vor Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung schützt.
Intrusive Erinnerungen
Die klinischen Psychologinnen Rachel White und Jennifer Wild wollten untersuchen, ob eine bestimmte Denkweise – konkrete Verarbeitung genannt – die Zahl intrusiver Erinnerungen nach einem traumatischen Ereignis verringern kann.
Diese aufdringlichen Erinnerungen sind eines der Kernsymptome von posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS).
Abstrakte und konkrete Verarbeitung
Dr. Rachel White erklärte: Konkrete Verarbeitung konzentriert sich darauf, wie sich eine Situation entfaltet, was erfahren wird, und wie die folgenden Schritte ablaufen.
Diese Denkweise unterscheidet sich von der der abstrakten Verarbeitung, die sich mit der Analyse beschäftigt, warum etwas passiert, mit den Implikationen und mit ‚Was-wäre-wenn‘-Fragen ohne offensichtliche Antworten.
Bild: Gerd Altmann
Schlechteres Coping durch abstrakte Verarbeitung
Frühere Forschung hat gezeigt, dass Notfallhelfer mit der abstrakten Verarbeitung ein schlechteres Coping zeigten.
Eine weitere Studie verglich abstrakte und konkrete Verarbeitung von negativen Ereignissen und fand heraus, dass die abstrakten Denker länger unter einer niedergeschlagenen Stimmung litten.
Die Wissenschaftler wollten deshalb untersuchen, ob diese Personen Strategien lernen können, die sie vor den krankmachenden Auswirkungen bzw. der Entwicklung von PTBS-Symptomen schützen.
Der Versuch
Fünfzig Freiwillige wurden dazu in zwei Gruppen aufgeteilt. Alle gaben Auskunft über ihre Stimmung bevor ihnen ein Film mit traumatischen Szenen gezeigt wurde. Die Teilnehmer sollten ihre Gefühle danach einstufen. Jede Gruppe sah sich dann weitere Filme an, während sie über verschiedene Fragen nachdachten.
Die erste Gruppe sollte über abstrakte Fragen nachdenken – wie: Warum kann es zu solchen Situationen kommen. Die zweite Gruppe sollte konkrete Fragen überdenken – wie: Was konnten sie sehen und hören, und was ist zu tun von da an? Am Ende dieser Versuchsphase sollten die Teilnehmer noch mal ihre Stimmung einschätzen.
Sie wurden dann gebeten, einen letzten Film so zu betrachten wie sie es geübt hatten, während sie wieder ihre Gefühle von Distress und Entsetzen beurteilten – wie beim ersten Film.
In der folgenden Woche sollten die Teilnehmer alle intrusiven Erinnerungen in ein Tagebuch eintragen.
Weniger Betroffenheit und intrusive Gedanken
Während die Stimmung der Teilnehmer in beiden Gruppen nach der Training gedrückt war, fühlten sich die im konkreten Denken trainierten Personen weniger betroffen als diejenigen, die abstraktes Denken geübt hatten.
Konkrete Denker hatten auch weniger intensive Gefühle von Distress und Entsetzen während sie den letzten Film angeschaut hatten.
Die abstrakten Denker zeichneten auch fast doppelt so viele aufdringliche (intrusive) Erinnerungen in der Woche nach der Betrachtung der Filme auf als die konkreten Verarbeiter.
Dr Jennifer Wild sagte: „Diese Studie zeigt zum ersten Mal, dass die Art – wie wir an ein Trauma denken – unsere Erinnerungen darüber beeinflussen können.“
Stärkung der Resilienz
Weitere Studien sind jetzt mit Personen nötig, die ein tatsächliches Psychotrauma erlebt haben, und um zu bestätigen, dass dies bei Menschen angewandt werden kann, die häufig Traumata erleben – wie z.B. Notfallhelfer. Dies könnte die Basis für die Ausbildung sein, um die Resilienz der Betroffenen angesichts erwarteter traumatischer Erlebnisse zu stärken, sagte sie.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Oxford, Behavior Therapy – DOI: 10.1016/j.beth.2016.02.004; Mai 2016