Forschung und News, die sich mit der Schädigung des Gehirns durch Alkohol bzw. Alkoholismus / Alkoholabhängigkeit beschäftigen.
Alkohol schädigt weiße Substanz des Gehirns; tragischerweise vor allem die Kontrollregionen
20.11.2014 Bei Alkoholismus wird die weiße Substanz überall im Gehirn beschädigt und besonders die Regionen, die für die Abstinenz benötigt werden; diese Schäden konnten nun mit Gehirnscans sichtbar gemacht werden.
Bild: Gerd Altmann (pixabay)
Starkes Trinken schädigt vor allem die weiße Substanz (Nervenfasern) in den frontalen Regionen des Gehirns, was sich dann auf die Impulskontrolle auswirken kann. Diese wird benötigt, um mit dem Trinken aufzuhören.
Die Forscher bildeten die Gehirne von 20 leichten und 31 abstinenten Alkoholikern (hatten im Schnitt 25 Jahre getrunken und waren 5 Jahre nüchtern) mit hochauflösenden strukturellen Magnetresonanz-tomographie-Aufnahmen ab.
„Es gab zwei Schlüsselbefunde in unserer Studie“, sagte Neuropsychologin Catherine Brawn Fortier von der Harvard Medical School.
- „Abstinente Alkoholiker zeigten eine Verringerung der Nervenfasern des gesamten Gehirns, verglichen mit gesunden leichten Trinkern. Dies bedeutet, dass die Leitungsbahnen (ermöglichen die effiziente und effektive Kommunikation der verschiedenen Regionen des Gehirns untereinander) durch den Alkoholismus unterbrochen werden“, erklärte sie.
- „Je mehr Sie trinken, desto größer ist der Schaden an den Schlüsselstrukturen des Gehirns, wie z.B. dem inferioren frontalen Gyrus“, sagte Fortier in der Zeitschrift Alcoholism: Clinical & Experimental Research.
„Dieser Teil des Gehirns beeinflusst die hemmende Kontrolle und Entscheidungsfindung. Dies ist so tragisch: es scheint, dass manche der Gehirnregionen, die vom Alkohol am stärksten betroffen sind, für die Selbstbeherrschung und Urteilsfähigkeit besonders wichtig sind. Es werden also genau die Teile am stärksten betroffen, die für die Abstinenz und Genesung benötigt werden“, fügte sie hinzu.
© PSYLEX.de – Quelle: Alcoholism: Clinical & Experimental Research / Harvard Medical School, November 2014
Volumendefizite im Gehirn unter Alkoholabhängigkeit
Die Rolle des Alterns, der Drogenabhängigkeit und der Hepatitis-C-Komorbidität bei den Gehirnschäden bzw. den Veränderungen des Gehirnvolumens unter Alkohol
17.03.2018 Eine neue Studie untersuchte die schädigende Wirkung der Alkoholabhängigkeit auf das frontale kortikale Volumen, die durch Drogenkonsum noch verstärkt wird.
Alkoholismus hat schädliche Auswirkungen auf das frontale kortikale Volumen, die durch Hepatitis-C-Virus (HCV) Infektion und Drogenabhängigkeit verstärkt werden, berichtet eine in JAMA-Psychiatry veröffentlichte Studie.
Schädigung der Cortices
Dr. Edith V. Sullivan von der Stanford Universität in Kalifornien und Kollegen untersuchten die kortikalen Volumendefizite (Schrumpfung der Cortex-Hirnbereiche – also der grauen Substanz) mit Hilfe von 826 strukturellen Magnetresonanzbildern von 222 Personen mit Alkoholismus und 199 altersangepassten Kontrollteilnehmern. Längsschnittdaten lagen für 116 Teilnehmer mit Alkoholsucht und 96 Kontrollen vor.
Die Forscher fanden heraus, dass alkoholabhängige Teilnehmer Volumendefizite in den frontalen, temporalen, parietalen, cingulären und insularen Cortices aufwiesen; die Defizite waren in den frontalen Subregionen prominent und nicht geschlechtsabhängig.
Beschleunigte Gehirnalterung
Im frontalen Cortex und in den präzentralen und superioren Gyri kam es zu einer beschleunigten Alterung; diese konnte jedoch nicht auf die Menge des konsumierten Alkohols zurückgeführt werden, die bei jüngeren Teilnehmern mit Alkoholismus größer war als bei älteren alkoholabhängigen Teilnehmern.
Kokain und Opiate verstärken Hirnschädigung
Es wurden kleinere frontale Volumen in den Alkohol- plus Kokain- und Alkohol- plus Opiatgruppen im Vergleich zu den Teilnehmern in den Alkoholismusgruppen ohne Opiat- oder Kokainabhängigkeit beobachtet.
Hepatitis-C
Größere Gehirnschäden in Bezug auf die Volumendefizite wurden bei den Teilnehmern mit HCV-Infektion bei den Frontal-, Präzentral-, Superior- und Orbitalvolumina beobachtet; bei nicht-infizierten Teilnehmern mit Alkoholismus waren jedoch die totalen frontalen, insularen, parietalen, temporalen und präzentralen Volumendefizite im Vergleich zu den Kontrollteilnehmern mit bekannter HCV-Diagnose weiterhin vorhanden.
Die Wissenschaftler nehmen an, dass Alter-Alkohol-Wechselwirkungen, die als Gehirnschäden im frontalen Cortex deutlich zu sehen sind, ältere Menschen einem erhöhten Risiko für altersassoziierte neuronale Degeneration aussetzen, selbst wenn Alkoholmissbrauch erst später im Leben beginnt.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Stanford Universität; JAMA Psychiatry. Published online March 14, 2018. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.0021
Alkoholbedingte Hirnschäden setzen sich fort, auch nachdem der Alkoholkonsum gestoppt wurde
04.04.2019 Eine in JAMA Psychiatry veröffentlichte Forschungsarbeit zeigt, dass es sechs Wochen nach Beendigung des Trinkens von Alkohol noch immer Veränderungen in der weißen Substanz des Gehirns gibt, wie die Neuroimaging-Studie an 90 Freiwilligen zeigt, die zur Rehabilitationsbehandlung in einem deutschen Krankenhaus aufgenommen wurden.
Silvia De Santis vom Instituto de Neurociencias de Alicante und Kollegen untersuchten wie sich die Hirnschädigungen in den ersten Wochen der Alkoholabstinenz entwickelten.
An dieser Studie nahmen neunzig Patienten im Alter von durchschnittlich 46 Jahren teil, die wegen Alkoholabhängigkeit im Krankenhaus behandelt wurden. Um die Hirnaktivität dieser Patienten zu vergleichen, untersuchten die Forscher eine Kontrollgruppe von 36 Männern ohne Alkoholprobleme.
Hirnschäden in der Abstinenz
Die während der Abstinenzzeit beobachteten Hirnschäden betrafen vor allem die rechte Hemisphäre und den frontalen Bereich des Gehirns und widersprechen der herkömmlichen Vorstellung, dass die mikrostrukturellen Veränderungen unmittelbar nach dem Alkoholentzug wieder auf Normalwerte zurückkehren.
Mit dem Konsum von Alkohol setzt eine allgemeine Veränderung in der weißen Substanz – das heißt, der Menge der Fasern, die verschiedene Teile des Gehirns miteinander kommunizieren lassen – ein.
Corpus callosum
Die Veränderungen sind im Corpus callosum und in den Fimbrien intensiver. Der Corpus callosum steht im Zusammenhang mit der Kommunikation zwischen beiden Hemisphären.
Fimbria hippocampi
Die Fimbria enthält die Nervenfasern, die mit dem Hippocampus kommunizieren, eine grundlegende Struktur für die Bildung von Erinnerungen, den Nucleus accumbens und den präfrontalen Cortex, erklären die Neurowissenschaftler.
Der Nucleus accumbens ist Teil des Belohnungssystems des Gehirns, und der präfrontale Cortex ist von grundlegender Bedeutung für die Entscheidungsfindung, wodurch die Probleme von Alkoholsüchtigen in diesen Bereichen erklärt werden.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: JAMA Psychiatry – DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2019.0318
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