Verkehrspsychologie: Was treibt Raser an?

Studie stellt Zusammenhang her zwischen riskantem Autofahren und Aggressivität, Energydrinks, biologischen Merkmalen

Verkehrspsychologie: Was treibt Raser an?

05.10.2021 Eine neue psychologische Langzeitstudie über Autofahrer hat einen Zusammenhang zwischen Verkehrsverurteilungen, Unfällen und alltäglichen Verhaltensweisen wie dem Verzehr von Junkfood, Energydrinks oder Alkoholkonsum festgestellt.

Die Forscher haben auch Hinweise darauf gefunden, dass dieser Zusammenhang mit genetischen Variationen im Serotonin-Stoffwechsel zusammenhängt – dem gleichen Neurotransmitter, auf den viele Antidepressiva wirken.

Dies deutet darauf hin, dass riskantes Verhalten beim Autofahren und im Leben eine gemeinsame psychologische Grundlage haben könnten.

Die verkehrspsychologische Studie

In einer innovativen Studie kombinierten Forscher aus dem Team von Professor Jaanus Harro von der Universität Tartu (Estland) psychologische, genetische und biochemische Daten aus der einzigartigen estnischen psychobiologischen Studie zum Verkehrsverhalten mit Polizei- und Versicherungsdaten

817 Autofahrer (49,2 Prozent Männer, 50,8 Prozent Frauen) nahmen an der Studie teil. Sie füllten über einen bestimmten Zeitraum Fragebogen aus, um Faktoren wie Impulsivität und Aggressivität zu messen; außerdem unterzogen sie sich einer Reihe von Bluttests und genetischen Analysen. Durch die Verknüpfung dieser Ergebnisse mit Polizei- und Versicherungsdatenbanken begannen die Forscher, einige Zusammenhänge im Zusammenhang mit riskantem Fahren aufzudecken.

Reaktionszeit, Aggressionen und Energydrinks

Bei der Vorstellung ihrer Ergebnisse auf der ECNP-Konferenz in Lissabon berichteten sie, dass 137 Fahrer, die wegen Geschwindigkeitsüberschreitung verwarnt worden waren, tendenziell eine schnellere Reaktionszeit aufwiesen, aber auch mehr körperliche und verbale Aggressionen zeigten, sich mehr körperlich betätigten und mehr Junkfood (einschließlich Energydrinks) zu sich nahmen.

Der leitende Forscher Tõnis Tokko sagte, dass sie viele Zusammenhänge zwischen alltäglicher Risikobereitschaft und riskantem Fahren feststellen konnten.

So fanden sie beispielsweise heraus, dass Probanden, die mindestens einmal pro Woche Energydrinks tranken, mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit zu schnell fuhren im Vergleich zu denjenigen, die nicht so oft Energydrinks tranken. Die Verkehrspsychologen vermuten, dass der Konsum von Energydrinks eher mit einem Bedürfnis nach Anregung zusammenhängt, als dass die Getränke selbst eine direkte Ursache für Verkehrsverstöße sind.

Auch die psychologischen Tests haben gezeigt, dass Personen mit schneller Entscheidungsfindung zu 11 Prozent und solche mit höherem Erregungsbedürfnis zu 13 Prozent eher zu schnell fahren.

Die meisten Menschen fahren Auto, und Verurteilungen oder Unfälle am Steuer sind objektive Aufzeichnungen – sie bleiben in Datenbanken gespeichert. Die Psychologen fanden heraus, dass es signifikante Zusammenhänge zwischen riskantem Verkehrsverhalten und einer Reihe von Lebensstilverhaltensweisen gibt, wie z. B. intensiver Sport, Alkoholkonsum oder der Konsum von Junkfood und Energydrinks.

Genetische Merkmale; Serontonintransport

Die Forscher untersuchten auch die genetischen Merkmale der teilnehmenden Fahrer. Sie fanden heraus, dass bestimmte Varianten eines Gens, das den Serotonintransport steuert (der 5-HTTLPR-Polymorphismus), mit riskantem Fahren in Verbindung stehen. Serotonin ist der Neurotransmitter, der bei Depressionen eine Rolle spielt und der auch von vielen Antidepressiva reguliert wird.

Die Psychologen haben herausgefunden, dass bestimmte Genvarianten mit risikoreichem Verhalten sowohl beim Autofahren als auch in anderen Lebensbereichen in Verbindung stehen; dies ist jedoch ein frühes Ergebnis und muss noch bestätigt werden, sagt Tõnis Tokko.

Bei der estnischen psychobiologischen Studie zum Verkehrsverhalten handelt es sich um eine Langzeitstudie, die 2001 mit der Datenerfassung begann – es ist vermutlich die weltweit einzige Langzeitstudie, die Autofahrer unter Berücksichtigung der Psychologie und der damit verbundenen Biologie beobachtet, schreiben die Autoren. Ursprünglich sollten Verhaltensmuster von betrunkenen und zu schnell fahrenden Autofahrern ermittelt werden, um diese Verhaltensweisen zu verhindern, aber inzwischen wurden auch weitere Faktoren berücksichtigt.

© Psylex.de – Quellenangabe: 34th ECNP Congress Hybrid, 2–5 October: https://www.ecnp.eu/Congress2021/ECNPcongress

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