Anreize statt Zwang: „Nudging“ ist wirksam

Die Wirksamkeit von Nudging: Eine Metaanalyse von Interventionen in der Entscheidungsarchitektur in verschiedenen Verhaltensbereichen

Anreize statt Zwang: „Nudging“ ist wirksam

17.01.2022 Die vom US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler in den späten 2000er Jahren entwickelte „Nudging„-Theorie basiert auf dem Grundsatz, dass unsere Entscheidungen nicht nur von unserer Fähigkeit zur Vernunft bestimmt werden, sondern auch von bestimmten Neigungen wie unseren Emotionen, unseren Erinnerungen, den Meinungen anderer oder der Gestaltung unserer Umgebung beeinflusst werden.

Die Fokussierung auf diese Elemente kann daher wirksamer sein als ein Verbot oder eine Sensibilisierungskampagne, um uns zur Änderung bestimmter Verhaltensweisen zu bewegen.

Entscheidungsarchitektur

In den Verhaltenswissenschaften nennen die Forscher dies eine Änderung der „Entscheidungsarchitektur“. Dies geschieht beispielsweise, wenn in einer Betriebskantine die gesündesten Gerichte bewusst ganz oben auf der Speisekarte platziert werden, um die Kunden zu ermutigen, die für ihre Gesundheit vorteilhafteste Option zu wählen, ohne ihre Wahlfreiheit zu beeinträchtigen.

Diese Art der Intervention stößt sowohl in der Wissenschaft als auch bei den Behörden auf zunehmendes Interesse.

450 „Nudging“-Strategien

Trotz der zunehmenden Beliebtheit von Nudges wurden ihre Leistungen noch nicht umfassend untersucht. Einem Forscherteam der Universität Genf (UNIGE) ist es gelungen, durch eine Metaanalyse (ein statistischer Ansatz, der die Ergebnisse zahlreicher Studien zusammenfasst) die Wirksamkeit von „Nudging“ nachzuweisen und die Bereiche zu identifizieren, in denen sie am wichtigsten sind.

Die Forscher um Stéphanie Mertens, Erstautorin der Studie und Forscherin am Labor für Verbraucherentscheidungen und nachhaltiges Verhalten der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften der UNIGE, haben mehr als 200 wissenschaftliche Artikel gesammelt, die in den letzten 15 Jahren zu diesem Thema veröffentlicht wurden und mehr als 450 „Nudging“-Strategien darstellen.

Information, Struktur und Unterstützung

Zur Durchführung dieser Studie haben die Forscher die in der wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Nudges in drei Gruppen eingeteilt: „Information“, „Struktur“ und „Unterstützung“.

  • In der ersten Gruppe wurden Maßnahmen zusammengefasst, die darauf abzielen, den Einzelnen zu informieren, um ihn zu bestimmten Entscheidungen zu motivieren, wie z. B. die Nährwertkennzeichnung auf bestimmten Lebensmitteln.
  • In der zweiten Gruppe gruppierten sie Techniken, die sich mit der Struktur einer Umgebung befassen. Dies ist das oben genannte Beispiel für die Hervorhebung bestimmter Mahlzeiten auf der Speisekarte einer Cafeteria.
  • In der dritten Gruppe klassifizierten sie Nudges, die eine Form von Engagement beinhalten, wie im Fall einer Person, die mit dem Rauchen aufhört und ihre Umgebung darüber informiert. Die informierten Personen übernehmen die Funktion einer „Absicherung“ in der Entscheidungsarchitektur des abstinenten Rauchers.

Hochwirksam bei der Wahl von Lebensmitteln

Alle drei Gruppen von Nudges waren wirksam, sagen die Psychologen. Sie stellen jedoch fest, dass die Techniken der zweiten Gruppe („Struktur“) am wirksamsten sind. Innerhalb dieser Gruppen haben sie auch verschiedene Anwendungsbereiche wie Gesundheit, Finanzen oder Energieverbrauch verglichen.

Am Ende stellten sie fest, dass Nudges im Bereich Ernährung am besten funktionieren. Außerdem war die Qualität der Studien, die im Laufe der Jahre zu diesem Thema erstellt wurden, sehr unterschiedlich. Angesichts der Auswirkungen, die Nudges auf das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger haben können, ist es unerlässlich, dass die Qualität der Studien insgesamt steigt, schließen die Psychologen.

© Psylex.de – Quellenangabe: Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; 119 (1): e2107346118 DOI: 10.1073/pnas.2107346118

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