Studie: Menschen mit größerer Angst vor Ansteckung mit COVID-19 urteilen moralisch mehr
15.06.2021 Forscher haben festgestellt, dass Menschen mit größeren Sorgen bzw. Ängsten vor einer Ansteckung mit COVID-19 das Fehlverhalten anderer eher missbilligten, unabhängig davon, was diese falsch machten.
Moral von Emotionen abhängig
Ihre Ergebnisse seien damit ein Beleg, dass unsere Moral von verschiedenen Emotionen und Intuitionen geprägt ist, von denen die Sorge um Gesundheit und Sicherheit eine herausragende Rolle spielt. Dies bedeutet, dass unsere Urteile über Fehlverhalten nicht völlig rational sind.
Die in der Fachzeitschrift Evolutionary Psychology veröffentlichte Studie befasste sich nicht mit Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie selbst stehen – wie z.B. soziale Distanzierung -, sondern betrachtete ein breites Spektrum an moralischen Verfehlungen.
Zwischen März und Mai 2020 wurden über 900 Studienteilnehmern in den USA eine Reihe von Szenarien präsentiert und gebeten, diese auf einer Skala von „überhaupt nicht falsch“ bis „extrem falsch“ zu bewerten. Auf diese Weise konnten die Forscher die Antworten der Teilnehmer in Bezug auf fünf wichtige moralische Prinzipien messen: Leid, Fairness, Loyalität gegenüber der eigenen Gruppe, Gehorsam gegenüber Autoritäten und Integrität.
Menschen, die sich mehr Sorgen machten, sich mit COVID-19 anzustecken, beurteilten die Verhaltensweisen in diesen Szenarien als falscher als diejenigen, die weniger besorgt waren.
Es gibt keinen rationalen Grund, andere härter zu verurteilen, weil man sich Sorgen macht, während der Pandemie krank zu werden, sagte Studienautorin Simone Schnall vom Institut für Psychologie der Universität Cambridge.
Gefährdung des eigenen Wohls
Sie fügte hinzu: Diese Einflüsse auf moralische Urteile geschehen außerhalb unseres bewussten Denkens. Wenn wir das Gefühl haben, dass unser Wohlbefinden durch das Coronavirus bedroht ist, fühlen wir uns wahrscheinlich auch stärker durch das Fehlverhalten anderer Menschen bedroht – das ist eine emotionale Verbindung.
Die Ergebnisse tragen zu einer wachsenden Zahl von Belegen für einen Zusammenhang zwischen körperlichem Ekel – einer Emotion, die uns vor Schaden bewahren soll – und moralischer Verurteilung bei, schreiben die Autoren.
Die Verbindung zwischen den auf COVID-19 bezogenen Ängsten bzw. Sorgen und der moralischen Verurteilung bezieht sich auf die Risiken für das eigene Wohlbefinden. Wenn man sich der gesundheitlichen Risiken bewusster ist, ist man sich auch der sozialen Risiken bewusster: Menschen, deren Verhalten einem Schaden zufügen könnte.
© psylex.de – Quellenangabe: Evolutionary Psychology (2021). DOI: 10.1177/14747049211021524