Die Fähigkeit zur Imagination bei Babys

Die Pupillometrie des Möglichen: eine Untersuchung der Repräsentation von alternativen Möglichkeiten bei Säuglingen

Die Fähigkeit zur Imagination bei Babys

21.11.2022 In einer in der Fachzeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society B veröffentlichten Studie haben Wissenschaftler der Central European University in Wien herausgefunden, dass bereits 14 Monate alte Säuglinge selbständig mehrere Alternativen in Betracht ziehen können, wenn ihnen ein Objekt gezeigt wird, das nicht eindeutig erkennbar ist und mehrere Interpretationen offen lässt.

Die von Nicolo Cesana-Arlotti (John Hopkins University), Balint Varga und Erno Teglas (beide Central European University) durchgeführten Untersuchungen erbrachten durch die Messung des Pupillendurchmessers der Säuglinge den Nachweis einer erhöhten geistigen Anstrengung, wenn die Säuglinge Situationen ausgesetzt waren, die mit mehreren alternativen Hypothesen vereinbar waren. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Grundlage für unsere Imagination (Vorstellungskraft) und die Fähigkeit, über alternative Möglichkeiten nachzudenken, schon sehr früh vorhanden ist, noch bevor Säuglinge sprechen können.

Die Fähigkeit, sich mehrere mögliche Szenarien vorzustellen und zu vergleichen, spielt eine enorm wichtige Rolle – sowohl in den Künsten und Wissenschaften als auch im täglichen Leben. Wenn wir beispielsweise in einem Restaurant Essen bestellen wollen, vergleichen wir oft verschiedene Alternativen, ziehen mögliche Hypothesen in Betracht und spielen verschiedene Szenarien durch.

Diese Fähigkeit, mehrere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, ist daher von grundlegender Bedeutung, um auf mögliche zukünftige Ereignisse gut vorbereitet zu sein.

Forscher des Zentrums für kognitive Entwicklung an der Central European University (CEU) zeigten 10 und 14 Monate alten Säuglingen Videoanimationen, in denen sich drei verschiedene Objekte (eine Puppe, ein Spielzeugelefant und ein Ball) hinter zwei Bildschirmen bewegten. Wichtig ist, dass alle Objekte in diesen Animationen eines gemeinsam hatten: ihr oberer Teil sah gleich aus.

Wenn also ein Objekt aus einem der Bildschirme auftauchte, aber teilweise verdeckt blieb – so dass nur sein oberer Teil zu sehen war -, war dieses Objekt mit einer unterschiedlichen Anzahl möglicher Identitäten vereinbar. Während es in einigen Szenarien nur mit einer Möglichkeit (z. B. dem Elefanten) kompatibel war, war es in anderen Fällen mit zwei Möglichkeiten (z. B. der Puppe oder dem Ball) kompatibel. Dann verglichen sie den Pupillendurchmesser, der während der beiden Szenarien aufgezeichnet wurde.

Die Untersuchungen zeigten, dass sich die Pupillen stärker erweiterten, wenn die Kinder eine Szene betrachteten, die mehrere Möglichkeiten offen ließ, als wenn das betrachtete Objekt eindeutig identifiziert werden konnte. Diese Ergebnisse bekräftigen auch die Annahme, dass Kleinkinder bei unklaren Verhältnissen selbständig mehrere alternative Möglichkeiten geistig abbilden können.

© Psylex.de – Quellenangabe: Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences (2022). DOI: 10.1098/rstb.2021.0343

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