Einfluss von Armut auf Gehirn, Verhalten, Entwicklung

Studie untersuchte die Auswirkungen von Armut und sozioökonomischem Status auf Gehirn, Verhalten und Entwicklung

Einfluss von Armut auf Gehirn, Verhalten, Entwicklung

16.04.2024 Was bestimmt die psychische Gesundheit, die schulischen Leistungen und sogar die kognitive Entwicklung? Eine neue Studie in der Zeitschrift Reviews in the Neurosciences legt nahe, dass Armut und ein niedriger sozioökonomischer Status (SES) wichtige Faktoren sind. Andere Studien haben die isolierten Auswirkungen von Armut auf das Gehirn oder auf das Verhalten untersucht.

Diese neue Übersichtsarbeit bietet jedoch laut den Autoren den ersten einheitlichen Rahmen, der sich auf Erkenntnisse aus der Literatur stützt, um die Veränderungen im Gehirn, die sich aus einem niedrigen sozioökonomischen Status ergeben, direkt mit verhaltensbezogenen, pathologischen und entwicklungsbezogenen Folgen zu verknüpfen.

SES bezieht sich auf die soziale Stellung einer Person oder Familie und umfasst Faktoren wie Wohlstand, Beruf, Bildungsniveau und Lebensbedingungen. Der soziale Status wirkt sich nicht nur auf das tägliche Leben aus, sondern kann – vielleicht überraschenderweise – auch weitreichende Folgen für unser Gehirn haben, die in der Kindheit beginnen und bis ins Erwachsenenalter andauern.

Wie können also Armut und niedriger sozioökonomischer Status das Gehirn verändern? Die Studie untersucht die negativen Auswirkungen von schlechter Ernährung, chronischem Stress und Umweltgefahren (wie Umweltverschmutzung und unzureichende Wohnverhältnisse), von denen Familien mit niedrigem Sozialstatus häufiger betroffen sind. Diese Faktoren können die Gehirnentwicklung von Kindern beeinträchtigen, was sich wiederum auf ihre Sprachkenntnisse, ihren Bildungsstand und ihr Risiko für psychiatrische Erkrankungen auswirken kann.

Teufelskreis

In Familien mit niedrigem sozialen Status ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie einem erhöhten Stress ausgesetzt sind, was sich schon in jungen Jahren auf ihre Kinder auswirken kann. Anhaltender Stress kann die Neurogenese – das Wachstum neuer Neuronen – im Hippocampus verringern, was die Lernfähigkeit beeinträchtigen und sich negativ auf den Bildungserfolg und die Karrierechancen im späteren Leben auswirken kann.

Der von den Forschern vorgeschlagene einheitliche Rahmen hilft auch bei der Erklärung der generationenübergreifenden Armut, die dazu führen kann, dass die Kinder von Familien mit niedrigem sozialen Status nicht in der Lage sind, ihrer Situation zu entkommen, wenn sie erwachsen sind und selbst Eltern werden. Dieser Teufelskreis kann schwer zu durchbrechen sein.

Die Forscher haben eine umfangreiche Liste mit Studienvorschlägen vorgelegt, mit denen die Gültigkeit ihres Rahmens überprüft und neue Wege gefunden werden könnten, um den Teufelskreis der Armut zwischen den Generationen zu durchbrechen. Dazu gehören die Konzentration auf die Auswirkungen eines niedrigen sozialen Status in bestimmten Gehirnregionen und die Ermittlung von Techniken zur Verbesserung der schulischen Leistungen der betroffenen Kinder.

Die Überprüfung kommt zur rechten Zeit, da die Ungleichheiten in der Gesellschaft zunehmen, schreiben die Autoren. Die Identifizierung spezifischer Mechanismen, die der Generationenarmut zugrunde liegen, könnte Forschern und politischen Entscheidungsträgern helfen, neue frühzeitige Interventionen zu entwickeln. Der neue Rahmen berücksichtigt den multifaktoriellen Charakter der Generationenarmut und könnte den Weg für ganzheitlichere und ausgefeiltere gesellschaftliche Interventionen ebnen, die dieser Komplexität Rechnung tragen.

„Diese Forschung wirft ein Licht auf die tiefgreifende Art und Weise, wie Armut und sozialer Status nicht nur die gegenwärtigen Lebensbedingungen des Einzelnen beeinflussen, sondern auch dessen kognitive Entwicklung, psychische Gesundheit und Zukunftschancen“, sagte der Erstautor der Studie, Dr. Eid Abo Hamza von der Universität Al Ain in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

„Wenn wir diese Zusammenhänge verstehen, kann die Gesellschaft besser gegen Ungleichheiten vorgehen und diejenigen unterstützen, die sich in einer benachteiligten Situation befinden, was möglicherweise zu Interventionen führen kann, die den Kreislauf der Armut durchbrechen helfen.“

© Psylex.de – Quellenangabe: Reviews in the Neurosciences (2024). DOI: 10.1515/revneuro-2023-0163

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