Gesichtergedächtnis: Wie wir uns Gesichter merken

Erinnern an Gesichtern abhängig von Alter, Emotionen und Cross-Race-Effect

Gesichtergedächtnis: Wie wir uns Gesichter merken

14.09.2023 Mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger, sich an ein Gesicht oder einen Namen zu erinnern, und eine neue in Neuropsychologia veröffentlichte Forschungsarbeit der Rice University möchte herausfinden, warum.

„Eine große Hürde bei der Erforschung des Gedächtnisses ist die Entwicklung von Messinstrumenten, die die Erfahrungen des Gehirns genau widerspiegeln“, sagte Stephanie Leal, Assistenzprofessorin für psychologische Wissenschaften und Hauptautorin. „Wir haben diese Gedächtnisaufgabe entwickelt, um möglicherweise helfen zu können, Gedächtnisprobleme früher zu erkennen“.

Überschneidungen und Interferenzen

Die Schwierigkeit, sich an Gesicht-Namen-Assoziationen zu erinnern, könnte laut der Studie auf das hohe Maß an „Überschneidungen und Interferenzen“ bei Menschen zurückzuführen sein. Die bisherige Gedächtnisforschung hat sich nicht auf natürliche Hindernisse für das Gedächtnis konzentriert, wie z. B. die Ähnlichkeit von Gesichtszügen und Namen sowie die Tatsache, dass Menschen ihr Aussehen von Tag zu Tag durch Frisur, Kleidung und Accessoires leicht verändern können.

In der Studie wurde eine neue Gedächtnisaufgabe für Gesichter und Namen entwickelt, die Bilder von Gesichtern mit unterschiedlichen Ähnlichkeiten, emotionalen Ausdrücken, Rassen und Geschlechtern enthält. Die Forscher haben ihr Experiment absichtlich so konzipiert, dass der Hippocampus aktiviert wird, der Bereich des Gehirns, der uns hilft, unsere Erfahrungen zu verarbeiten und Erinnerungen zu bilden.

Emotionen im Gesicht

Bei einer Stichprobe gesunder junger und älterer Erwachsener hatten beide Altersgruppen Schwierigkeiten, sich an Gesichter und Gesichter-Namen-Paare zu erinnern, wenn die Interferenz zwischen Gesichtern und Namen zunahm, aber insgesamt hatten die älteren Erwachsenen größere Schwierigkeiten als die jungen. Junge Erwachsene erinnerten sich auch besser an emotionale Gesichter als an neutrale Gesichter, aber ältere erinnerten sich besser an positive Gesichter.

Dies deutet darauf hin, dass der emotionale Gesichtsausdruck ein starker Einflussfaktor auf das Gedächtnis ist, so Leal. Die Erinnerung an negative und positive Erfahrungen mit anderen ist ein wichtiger Teil der sozialen Dynamik, die uns hilft, effektiv zu kommunizieren und zu interagieren.

„Es ist wahrscheinlich adaptiv, dass Menschen sich an emotional aufgeladene Interaktionen erinnern, um zu überleben“, so Leal.

Cross-Race-Effect

Die Daten zeigten auch, dass sich weiße Teilnehmer besser an weiße Gesichter erinnern als andere Rassen – ein Ergebnis, das sowohl für junge als auch für ältere Erwachsene gilt. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit dem „Cross-Race-Effect“ (auch Cross-Race-Bias, Other-Race-Bias oder Cross-Race-Identification-Bias), der darin besteht, dass Menschen der eigenen Rasse aufgrund von mehr Interaktionen und Erfahrungen – oder Expertise – besser am Gesicht erkannt werden.

„Es ist wichtig zu bedenken, welche Bevölkerungsgruppe man testet und welche Arten von Informationen für diese Bevölkerungsgruppe mehr oder weniger relevant sein könnten, da dies erhebliche Auswirkungen auf das Gedächtnis haben könnte“, sagte Leal. „Frühere Arbeiten, die diesen Effekt und die Trennung von Mustern im Hippocampus untersuchten, deuten darauf hin, dass ‚Expertise‘ eine wichtige Rolle im Gedächtnis spielt. Wir haben stärkere neuronale Verbindungen für Menschen, Orte und Dinge, mit denen wir mehr Erfahrung haben.“

Die Aufgabenstellung der Studie ist so konzipiert, dass sie für alle Geschlechter und Rassen verallgemeinert werden kann – Variablen, die in früheren Untersuchungen oft nicht berücksichtigt wurden. Zukünftige Studien müssen unbedingt eine vielfältigere Gruppe von Teilnehmern einbeziehen, um die Auswirkungen von Geschlecht und Rasse auf das assoziative Gedächtnis für Gesichter und Namen zu bestimmen, so Leal.

© Psylex.de – Quellenangabe: Neuropsychologia (2023). DOI: 10.1016/j.neuropsychologia.2023.108678

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