Wie Signale vom Herzen unser Bauchgefühl beeinflussen, wenn es darum geht, ob wir unserem eigenen Urteil oder dem eines anderen vertrauen
20.06.2023 Eine aktuelle in Cognition veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern der Royal Holloway University zeigt, wie unser Herz beeinflusst, inwieweit wir uns von der Meinung anderer Menschen beeinflussen lassen.
In der von Dr. Mariana von Mohr und Professor Manos Tsakiris vom Fachbereich Psychologie geleiteten Studie wurde untersucht, wie die Signale unseres Herzens an unser Gehirn beeinflussen, wie sehr wir uns an unser eigenes Urteil halten oder uns entscheiden, anderen zu folgen.
Das Herz und das Gehirn stehen in ständiger Kommunikation, und bei jedem Herzschlag erhält das Gehirn Informationen über den Zustand des Körpers, etwa wie ruhig oder erregt er ist.
Die Forscher nutzten diese Erkenntnisse zur Untersuchung, ob die Bewertung eines Ereignisses während eines Herzschlags dazu führen kann, dass jemand an seiner eigenen Meinung zweifelt und stattdessen der Meinung anderer folgt.
Einfluss während systolischer und diastolischer Phase
In zwei Experimenten wurden den Teilnehmern Fotos von Gesichtern entweder während der Phase gezeigt, in der sich das Herz zusammenzieht und Signale an das Gehirn sendet (systolische Phase des Herzzyklus), oder zwischen den Kontraktionen (diastolische Phase), wenn sich das Herz entspannt und nur wenige Informationen an das Gehirn sendet. In beiden Fällen sollten sie beurteilen, wie vertrauenswürdig sie die Gesichter fanden.
Anschließend maßen die Forscher, inwieweit die Teilnehmer ihre Meinung aufgrund des sozialen Feedbacks, das sie erhielten, änderten. Im ersten Experiment wurden die Teilnehmer darüber informiert, was viele andere Online-Nutzer über dieses Gesicht dachten, und im zweiten Experiment führten sie eine Diskussion mit einem anderen Teilnehmer. Nach dem sozialen Feedback sollten die Teilnehmer noch einmal angeben, wie vertrauenswürdig sie das Gesicht fanden.
In beiden Experimenten änderten die Teilnehmer ihre Meinung stärker, wenn die Gesichter während der Kontraktion des Herzens präsentiert wurden, als wenn die Gesichter zwischen den Herzschlägen präsentiert wurden. Mit anderen Worten: Die Teilnehmer ließen sich stärker von der Meinung anderer Personen beeinflussen, wenn die Gesichter während des tatsächlichen Herzschlags präsentiert wurden, also wenn das Gehirn Informationen über den Zustand des Körpers empfing.
Dr. Mariana von Mohr vom Fachbereich Psychologie am Royal Holloway sagte: „Wir wissen, dass die ersten paar hundert Millisekunden der Wahrnehmung eines Gesichts unseren ersten Eindruck bestimmen, und unsere Ergebnisse zeigen, dass dieser erste Eindruck dann mehr oder weniger anfällig für die Meinung anderer Menschen wird, je nachdem, wann im Herzzyklus die Menschen dieses Gesicht zum ersten Mal gesehen haben.“
Die Ergebnisse dieser Studie helfen uns zu verstehen, wie soziale Einflüsse auf unsere Entscheidungsfindung von den Signalen abhängen können, die der Körper über das Herz an das Gehirn übermittelt. Die Ergebnisse könnten angesichts der Rolle sozialer Entscheidungen in unserem Alltag, die von banalen (z. B. welcher Film angeschaut werden soll) bis hin zu wichtigen Entscheidungen (z. B. wer bei der nächsten Wahl gewählt werden soll) reichen können, wichtige Auswirkungen haben.
Professor Manos Tsakiris vom Fachbereich Psychologie am Royal Holloway fügte hinzu: „Obwohl wir normalerweise Ereignisse wahrnehmen, die länger als einen einzigen Herzschlag dauern, zeigen unsere Forschungen und die anderer Labore, dass der genaue Zeitpunkt im Herzzyklus, an dem Ereignisse zum ersten Mal wahrgenommen werden, weitreichende Auswirkungen darauf haben kann, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet.“
„Diese Ergebnisse zeigen, wie Signale unseres Körpers – in diesem Fall des Herzens – unser Bauchgefühl und unsere Entscheidungsfindung in sozialen Situationen beeinflussen.“
© Psylex.de – Quellenangabe: Cognition (2023). DOI: 10.1016/j.cognition.2023.105502