Langzeitarbeitslosigkeit und Apathie, psychosozialer Rückzug

Langzeitarbeitslosigkeit ist mit Kontrollverlust und persönlichem sowie sozialem Rückzug verbunden

Langzeitarbeitslosigkeit und Apathie, psychosozialer Rückzug

03.09.2024 Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass eine längere Arbeitslosigkeit stark mit dem Verlust der persönlichen Kontrolle und dem anschließenden psychologischen und sozialen Rückzug verbunden ist.

Das Bedürfnis nach Kontrolle ist eine grundlegende menschliche Motivation, die, wenn sie entzogen wird, zu weitreichenden und erheblichen Veränderungen im menschlichen Verhalten führen kann. Die Forscher um Wiktor Soral vom Fachbereich Psychologie der University of Warschau, Polen, wollten die Folgen des Kontrollverlusts in einer realen Situation bewerten, die eine schwerwiegende Bedrohung für die persönliche Kontrolle darstellt: Langzeitarbeitslosigkeit.

Die im Journal of Personality veröffentlichte Studie umfasste eine Stichprobe von 1.055 polnischen Teilnehmern mit 748 Arbeitslosen und 307 Beschäftigten, die als Kontrollgruppe dienten. Die arbeitslosen Teilnehmer wurden nach der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit in Kategorien eingeteilt: kurzfristig (0-3 Monate), mittelfristig (4-12 Monate) und langfristig (über 12 Monate).

Wohlbefinden, Selbstwertgefühl und Kontrollverlust

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Langzeitarbeitslosigkeit mit einem psychologischen Zustand einhergeht, der sowohl das psychologische als auch das soziale Funktionieren stark beeinträchtigt. Sie stellten fest, dass längere Arbeitslosigkeit in starkem Maße mit einem Rückgang des Wohlbefindens und des Selbstwertgefühls sowie mit einer verstärkten Wahrnehmung von persönlichem und fatalistischem Kontrollverlust verbunden ist.

Sie zeigten auch weniger positive Emotionen, insbesondere solche, die mit aktivem Engagement wie Enthusiasmus verbunden sind. Dieser emotionale Rückzug ging mit einer signifikanten Verringerung der aktiven Stressbewältigungsstrategien und einer Abnahme der Verfolgung persönlicher Projekte und zukunftsorientierter Ziele einher. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Langzeitarbeitslosigkeit ein Gefühl der erlernten Hilflosigkeit fördert, bei dem die Betroffenen zunehmend demotiviert und pessimistisch werden, was ihre Fähigkeit angeht, die Kontrolle über ihr Leben wiederzuerlangen.

Während Modelle zur Wiedererlangung von Kontrolle als Reaktion auf mangelnde Kontrolle durch die Ergebnisse praktisch keine Unterstützung erfahren haben, liefern die Ergebnisse den Nachweis, dass langzeitarbeitslose Personen sich stärker zurückziehen als arbeitende Personen. Sie sind eher apathisch und beteiligen sich seltener an Bemühungen zur Rückgewinnung von Kontrolle und an aktiven Formen der Gestaltung der eigenen Zukunft.

Negative Emotionen und soziale Auswirkungen

Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit berichteten die Teilnehmer über mehr negative Emotionen, insbesondere über solche, die mit einem gering ausgeprägten Annäherungs- dafür größerem Vermeidungsverhalten zusammenhängen, wie z. B. Depressionen oder Ängste.

Im sozialen Bereich ergab die Studie, dass sich Langzeitarbeitslose eher von sozialen und politischen Aktivitäten abwenden. Sie berichteten über eine geringere nationale Identifikation und eine geringere Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an kollektiven Aktionen, wie z. B. Protesten. Darüber hinaus wiesen diese Personen ein höheres Maß an psychologischer Defensivität auf, einschließlich eines verstärkten individuellen und kollektiven Narzissmus, und neigten eher dazu, externe Instanzen wie Regierungen oder Unternehmen für ihre Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen.

Interessanterweise fand die Studie keine Hinweise darauf, dass diese Personen sich externen Kontrollquellen zuwandten, wie dem Glauben an einen eingreifenden Gott oder der Rechtfertigung des Systems, was darauf hindeutet, dass sie zwar defensiver und unbeteiligter werden, aber nicht unbedingt Trost oder Kontrolle durch externe Systeme suchen.

© Psylex.de – Quellenangabe: Journal of Personality – https://doi.org/10.1111/jopy.12967

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