Nebenwirkungen von Psychotherapie

Bessere Erkennung von unerwünschten Wirkungen (Nebenwirkungen) könnte die Qualität der Psychotherapie verbessern

Nebenwirkungen von Psychotherapie

09.02.2024 Die Psychotherapie ist neben der Pharmakotherapie eine wichtige evidenzbasierte Methode zur Behandlung und Rehabilitation verschiedener psychischer Störungen.

Bei der Erörterung der Psychotherapie liegt der Schwerpunkt häufig auf ihren Nutzen, während die systematische Überwachung, Identifizierung und Verhütung ihrer unerwünschten Wirkungen (auch Nebenwirkungen genannt) nicht so streng gehandhabt wird wie z. B. bei der Überwachung unerwünschter Wirkungen bei der Pharmakotherapie.

Psychotherapie kann jedoch auch unerwünschte Wirkungen haben, unabhängig von der Therapietechnik, von Faktoren, die mit dem Klienten oder dem Therapeuten zusammenhängen, oder von einer Kombination dieser Faktoren.

Eine kürzlich an der Universität von Ostfinnland durchgeführte und in Psychotherapy Research veröffentlichte Studie untersuchte unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit Psychotherapie. Ziel war es, Informationen über psychotherapiebedingte unerwünschte Ereignisse, deren Inhalt, Umfang und Schweregrad für den Klienten zu sammeln.

Übersichten und Metaanalysen

Die Forscher führten eine systematische Literaturübersicht über frühere Übersichten und Metaanalysen zu randomisierten kontrollierten Studien (RCT) durch, in denen die Wirksamkeit und die negativen Auswirkungen von Psychotherapie untersucht wurden. Mögliche negative Folgen wurden nur in einem kleinen Teil (30 %) der relevanten Studien erwähnt, und 57 Originalstudien wurden schließlich in die Überprüfung einbezogen.

Die Forscher stellten fest, dass in den in die Überprüfung einbezogenen Studien keine signifikanten negativen Ergebnisse auftraten; allerdings stellen die Studien einen äußerst geringen Anteil aller veröffentlichten RCT zur Psychotherapie dar.

„Wir sollten jedoch standardisierte Methoden zur Bewertung der unerwünschten Wirkungen von Psychotherapie anwenden und entwickeln. Beispielsweise könnten die Einrichtung unabhängiger Systeme und die systematische Erfassung von Daten zur Überwachung unerwünschter Ereignisse dazu beitragen, mehr Erkenntnisse zu gewinnen“, so Professor Kirsi Honkalampi von der University of Eastern Finland.

Ihrer Meinung nach sind die ordnungsgemäße Ermittlung und Behandlung unerwünschter Wirkungen ein Zeichen für eine gute klinische Praxis und könnten auch dazu beitragen, die Qualität der Psychotherapie zu verbessern.

© Psylex.de – Quellenangabe: Psychotherapy Research (2024). DOI: 10.1080/10503307.2024.2301972

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Definition

“Unerwünschte Behandlungsreaktionen” sind alle unerwünschten Ereignisse, die durch die Behandlung verursacht werden. Dies erfordert die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der unerwünschten Ereignisse und der laufenden Behandlung.

In vielen Fällen wird es nicht möglich sein, eine endgültige Entscheidung über die Ursache eines unerwünschten Ereignis zu treffen. Daher sollte eine Wahrscheinlichkeitsbewertung vorgenommen werden: z.B.:

  • ohne Bezug,
  • wahrscheinlich nicht verbunden,
  • möglicherweise im Zusammenhang,
  • wahrscheinlicher Zusammenhang,
  • auf jeden Fall mit der Behandlung verbunden.

Nebenwirkungen sind unerwünschte Behandlungseffekte, die durch eine richtige Behandlung verursacht werden, während Fehlverhalten-Effekte eine Folge einer ungeeigneten Behandlung sind. Daher muss eine Entscheidung über die Qualität der Behandlung vorgenommen werden. Gute Psychotherapie verursacht Nebenwirkungen (NW), schlechte Therapie Kunstfehler-Effekte, eine Unterscheidung, die eine Voraussetzung für die Entkriminalisierung von NW ist.

Laut einer Studie scheint Psychotherapie bei jedem 10. Klienten zur Verschlimmerung seines Befindens beizutragen. Unerwünschte Ergebnisse könnten Symptome verschlimmern oder allgemein das Befinden drücken.

Bei Medikamenten und Psychopharmaka wird die Sicherheit – sprich: Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Kontraindikationen etc. – in speziellen Studien untersucht bzw. bei Bekanntwerden schnell veröffentlicht; bei den psychotherapeutischen Verfahren gibt es das nicht.

Sigmund Freud

Doch bereits bei Sigmund Freud kam es bei manchen zu “einer Verschlimmerung der Kur”, aber die lastete er seinen Klienten an.

Diese unprofessionelle und unwissenschaftliche Herangehensweise von Freud verwundert nicht, wurde jedoch von späteren Psychotherapeuten einfach übernommen, statt unerwünschte Ergebnisse, z.B. Therapeutenfehlern oder den Behandlungsformen zuzuschreiben.

Verschlechterung der Symptome während der Psychotherapie

In der Studie von Carsten Spitzer und Kollegen vom Universitätsklinikum Eppendorf ‘Symptomverschlechterung während stationärer Psychotherapie – Wer ist betroffen?’ konnte gezeigt werden, dass von 130 Patienten 11,5% eine Verschlimmerung ihrer Symptome erfuhren.

Die Forscher konnten feststellen, dass soziodemographische und diagnostische Merkmale, Psychopathologie, zwischenmenschliche Probleme oder Reife keinen Unterschied machten. Es gab jedoch Unterschiede hinsichtlich der Traumatisierung in der Kindheit: Schwerer traumatisierte Teilnehmer, erfuhren während der Behandlung eine stärkere Verschlechterung.

Häufigkeit negativer Auswirkungen

11.03.2016 Die Nebenwirkungen bzw. unerwünschten Wirkungen von Psychopharmaka werden recht gut erforscht und auch publiziert, aber über Patienten, die sich während oder nach einer Psychotherapie schlechter fühlen, weiß man nicht sehr viel.

Eine in der Zeitschrift The British Journal of Psychiatry veröffentlichte Studie zu Daten aus einer Umfrage in England und Wales des National Health Service untersuchte die Häufigkeit negativer Auswirkungen psychotherapeutischer Behandlungen. Studienautor Mike Crawford und Kollegen analysierten die Daten von 14.587 Befragten.

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Bild: Peggy u. Marco Lachmann-Anke

763 sagten, ihre Therapie hätte anhaltende negative Auswirkungen gehabt. Personen über 65 berichteten über weniger verschlechternde Effekte, Angehörige von sexuellen und ethnischen Minderheiten über mehr.

Die am häufigsten eingesetzte Therapieform war die Kognitive Verhaltenstherapie; es wurden jedoch auch die Daten der anderen Therapieformen wie z.B. psychodynamische Psychotherapie und Gesprächstherapie erfasst. Es konnten aber keine Unterschiede bei der Häufigkeit der Nebenwirkungen zwischen den verschiedenen Therapieformen festgestellt werden.

Wussten die Befragten nicht, welche Therapieform bei ihnen eingesetzt wurde, wurden sie unzureichend über die Therapie informiert, oder gaben sie bei der eingesetzten Behandlungsform ‘eine andere’ (als auf der Liste stehende) an, berichteten sie auch über mehr unerwünschte negative Effekte der Therapie.

Patienten, die angaben, sie hätten ausreichend Informationen über die Therapie vor dem Behandlungsbeginn erhalten, beobachteten weniger unerwünschte Wirkungen.

Die Autoren schließen: Jeder 19 berichtete über negative Auswirkungen der Therapie; d.h. dass unter den vielen Menschen, die in den vergangenen Jahren psychotherapeutische Maßnahmen in Anspruch genommen haben, gäbe es insgesamt viele Tausende, die unter negativen Auswirkungen ihrer Therapie litten/leiden. Es ist also besonders wichtig, dass die Psychotherapeuten ihre Klienten über die zu erwartende Behandlungsform ausreichend informieren, und dass auch negative Wirkungen auftreten können.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: The British Journal of Psychiatry; März 2016

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