Psychologen entflechten Traum und Wachleben

Was passiert im Gehirn, wenn jemand im Traum die Augen schließt?

Psychologen entflechten Traum und Wachleben

15.04.2024 Claudia Picard-Deland behauptet, dass Träume ein Fenster zum Verständnis der Schlafqualität sind. Sie und ihre Kollegen von der Universität Montréal konzipieren Studien, bei denen Schlafende mehrmals in der Nacht geweckt werden, um festzustellen, wie die Teilnehmer ihren Schlaf wahrnehmen.

„Träume werden im Zusammenhang mit der Schlafqualität nicht sehr oft untersucht. Der Schwerpunkt liegt eher auf objektiven Messwerten wie der Gehirnaktivität oder dem Schlafstadium, aber ich denke, wir müssen uns die Traumaktivität und ihre Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Schlafs genauer ansehen.“ Für Menschen, die unter Schlaflosigkeit und ähnlichen Störungen leiden, ist die Wahrnehmung des Schlafs die Realität, und ihre Träume könnten dazu beitragen, diese Wahrnehmung zu beeinflussen.

Wahrnehmungen versus Realität

In ihrer jüngsten, noch unveröffentlichten Studie weckten Picard-Deland und Kollegen 20 „gute Schläfer“ etwa 12 Mal in der Nacht, die alle vier klassischen Schlafstadien zu drei verschiedenen Zeitpunkten in der Nacht repräsentierten. Bei jedem Aufwachen fragten die Forscher, ob sie wach waren oder schliefen, wie tief sie schliefen, was ihnen zuletzt durch den Kopf ging und wie sehr sie sich in ihre Träume vertieft fühlten.

Sie stellten fest, dass die Teilnehmer häufig eine falsche Schlafwahrnehmung hatten – sie fühlten sich wach, auch wenn die Elektroden anzeigten, dass sie schliefen -, insbesondere in den frühen, traumlosen Schlafphasen. Ebenso stellten sie fest, dass die Teilnehmer, wenn sie sich an ihre Träume erinnern konnten, ihren Schlaf als tiefer empfanden.

„Und wenn sie mehr in ihre Träume eintauchen, sich körperlich präsenter fühlen oder lebhaftere Träume haben, wachen sie mit dem Gefühl auf, dass ihr Schlaf tiefer war, als wenn sie keine oder nur eine geringe Traumaktivität hatten“, sagt Picard-Deland.

Paradoxe Schlaflosigkeit

Die Forscher waren überrascht, wie häufig die Teilnehmer dachten, sie seien wach gewesen, obwohl sie in Wirklichkeit schliefen („paradoxe Schlaflosigkeit“) und sich in der tieferen, langsamen Schlafphase befanden. Diese Arbeit baut auf ähnlichen früheren Erkenntnissen auf und hat wichtige Auswirkungen darauf, wie Wissenschaftler die Architektur des Schlafs verstehen, sowie auf Menschen, die über Schlaflosigkeit berichten.

Als jemand, die ihr ganzes Leben lang unter Schlaflosigkeit gelitten hat, hält Picard-Deland es für wichtig, dass die Menschen erkennen, dass sie vielleicht mehr schlafen, als sie denken. „Es hat mir geholfen, mit eigenen Augen zu sehen, dass die Teilnehmer schliefen und sich trotzdem wach fühlten.“

Über dieses Verständnis hinaus könnte diese Arbeit künftige Anwendungen für die auf Träumen basierende Schlafrehabilitation haben. Picard-Deland würde zum Beispiel gerne erforschen, ob ein Traumtraining, bei dem Menschen lernen, wie sie eindringlichere luzide Träume erleben können, zu einer besseren wahrgenommenen Schlafqualität führen könnte.

Luzide Träume als Werkzeug

Luzide Träume sind ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Saba Al-Youssef, deren Team an der Sorbonne Université die Fähigkeit luzider Träumer, ihre Gesichtsmuskeln während des Schlafs zu benutzen, als neues Instrument zur Datenerfassung nutzt. „Träume sind eine verborgene Welt, zu der wir keinen direkten Zugang haben“, sagt sie.

„Wir verlassen uns meist auf Traumberichte, egal welche Untersuchungsmethode wir verwenden. Die Fähigkeit von luziden Träumern, mit uns in Echtzeit zu kommunizieren, gibt uns einen Nebeneingang zu Träumen, so dass wir zumindest wissen, wann ein bestimmtes Ereignis stattfindet.“

In einer neuen Studie mit Forschern der Northwestern University, die in der Zeitschrift Current Biology veröffentlicht wurde, wollen Al-Youssef und seine Kollegen besser verstehen, wie das Gehirn während des Träumens im Vergleich zu seinem Verhalten im Wachzustand agiert.

Wenn Menschen wach sind und ihre Augen schließen, verschwinden visuelle Inhalte und es treten bestimmte elektrische Signale auf. Die Forscher fragten sich daher, was im Gehirn passiert, wenn jemand im Traum die Augen schließt. Sie hoffen, die neuronalen Korrelate der visuellen Wahrnehmung im Traum besser zu verstehen.

Die Forscher rekrutierten Teilnehmer, darunter luzide Träumer mit Narkolepsie. Im Verlauf von fünf kurzen Schlafphasen wiesen die Forscher die Teilnehmer an, ihre „Traumaugen“ zu schließen und zu öffnen und dies durch ein- oder zweimaliges Schniefen zu signalisieren. Dann baten sie die Narkolepsie-Patienten, durch Stirnrunzeln oder Lächeln anzugeben, ob sie in jeder Situation visuelle Inhalte hatten.

„Überraschenderweise haben wir herausgefunden, dass das Schließen unserer ‚Traumaugen‘ nicht immer mit einem Verlust des Sehvermögens einhergeht, wie es im Wachzustand der Fall ist“, sagt Al-Youssef. „Ich hoffe, dass diese Arbeit helfen wird zu zeigen, wie luzide Träume bei der Untersuchung von Träumen und sogar beim Verständnis ihrer Funktion hilfreich sein können.“

© Psylex.de – Quellenangabe: Current Biology (2024). DOI: 10.2139/ssrn.4692171

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