Bewusstsein (Gehirn, Psychologie)

Bewusstsein: An/Aus-Schalter entdeckt?

08.07.2014 Bei einer Operation einer Epilepsiepatientin haben Mohamad Koubeissi und seine Kollegen womöglich die Region im Gehirn entdeckt, die, wie bei einem Auto der Zündschlüssel, das Bewusstsein an- bzw. ausschaltet.

Die Ärzte waren bei ihrer Operation auf der Suche nach der Ursache für die Anfälle der Patientin als sie plötzlich – bei der elektrischen Stimulation einer kleiner Region im Gehirn – ‚einfror‘ und die Augen wegdrehte. Sie war zwar wach, aber überhaupt nicht mehr ansprechbar.

Die genaue von den Ärzten stimulierte Region – genannt Claustrum – ist ein zum Großhirn gehörender Hirnteil und es ist recht wenig darüber bekannt. Überrascht von der Reaktion der Frau auf die Stimulation wiederholten die Chirurgen zehnmal die Prozedur, wobei die Patientin jedes Mal auf dieselbe Weise reagierte. Stimulationen 2,7mm vom Claustrum entfernt konnten diese Reaktion nicht hervorrufen.

Eine Paralyse durch die elektrische Stimulation konnte ausgeschlossen werden: Einfache Anweisungen kurz vor der Stimulation, wurden für einige Sekunden nach der Erregung weiter ausgeführt bevor die Frau in einen Stupor verfiel. Auch erlangte sie nachdem die Stimulation endete sofort wieder das Bewusstsein. Sie hatte auch keine Erinnerungen an die Zeit während der Stimulationsphase.

Die Ärzte stellten auch eine erhöhte Synchronisation der Gehirnaktivität während der elektrischen Erregung des Claustrums fest – möglicherweise auf einem lähmenden Niveau. Dies könnte eine Erklärung für den Verlust des Bewusstseins bei epileptischen Anfällen sein.

Allerdings ist dies ein Einzelfall und die Befunde müssen reproduziert werden.

Koubeissi vergleicht das Claustrum mit der Zündung eines Autos: Gehirn und Auto bestehen aus vielen Funktionsteilen. Doch es gibt nur einen Ort, wo man den Schlüssel reinsteckt und alles springt an und arbeitet zusammen. „Wir haben möglicherweise den Schlüssel für diesen komplizierten Prozeß – genannt Bewusstsein – gefunden.

© PSYLEX.de – Quelle: George Washington University/Epilepsy and Behavior, Juli 2014

Bewusstsein: Das optimale Ausmaß der Verbundenheit im neuronalen Netzwerk?

29.01.2016 Ein Team europäischer Forscher hat Belege dafür gefunden, dass das menschliche Bewusstsein ein Zustand ist, in dem das neuronale Netz in einem optimalen Ausmaß der Verbundenheit operiert.

In ihrem in der Zeitschrift Journal of the Royal Society Interface herausgegebenen Bericht untersuchte das Team die Gehirne von Freiwilligen mit Hilfe von Magnetresonanztomographie (MRT), während sie durch Propofol anästhesiert worden waren und das Bewusstsein verloren hatten.

Verschiedene Bewusstseinszustände


Bild: Gerd Altmann

Wache Menschen leben in einem Zustand des Bewusstseins, der schwierig zu definieren ist. Wissenschaftler versuchen es als die Fähigkeit zu erklären, subjektive Erfahrungen zu machen und eine Ich-Perspektive der „Realität“ zu besitzen. Aber das erklärt nicht die Stimme, die unser eigenes Selbst ist und auch nicht die verschiedenen Grade von Bewusstsein – wie die Unterschiede zwischen Schlafen und teilweise erwacht sein, oder völlig bewusstlos zu sein.

In dieser neuen Studie versuchten Enzo Tagliazucchi et al. mehr über den Zustand im Gehirn herauszufinden, wenn Bewusstsein ‚auftritt‘. Sie machten 12 Freiwillige mit dem Medikament Propofol bewusstlos und scannten sie mit MRT.

Anästhetikum Propofol

Propofol wird normalerweise bei Operationen eingesetzt. Wissenschaftler (und Chirurgen) nehmen an, dass das Medikament bei Menschen zur völligen Bewusslosigkeit führt, was per Definition bedeutet, dass sie unfähig wären, Gedanken zu verarbeiten. Das Gehirn sollte nicht in der Lage sein, Schmerzsignale zu verarbeiten – wodurch Operationen schmerzfrei gemacht werden sollen.

Veränderungen des Blutflusses

Um eine bessere Perspektive auf die verschiedenen Zuständen des Bewusstseins zu erreichen, beobachtete das Team die Veränderungen des Blutflusses in den Gehirnen der Freiwilligen, während sie sich vom bewussten Zustand hin zur Bewusstlosigkeit und dann zurück ins Bewusstsein bewegten.

‚Flut ständig wechselnder Aktivitäten‘

Bei der Analyse der Scans fanden die Forscher: Wenn die Freiwilligen volles Bewusstsein hatten, gab es „eine Flut ständig wechselnder Aktivitäten“ mit großer Aktivität zwischen den verschiedenen neuronalen Netzen, die das Gehirn ausmachen.

Im Kontrast dazu stellten sie bei den bewusstosen Teilnehmern fest, dass die Gehirne sehr viel weniger Verbindungen aufrechterhielten – mit viel weniger Interaktivität beschäftigt waren – und sich weniger variabel im Laufe der Zeit zeigten.

Diese Befunde zeigen, dass das Bewusstsein im Gehirn – im physikalischen Sinne – lediglich ein Zustand ist, in dem es zu einem optimalen Verbundenheitsniveau des neuronalen Netzwerk kommt, schlossen die Forscher.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Journal of the Royal Society Interface; Jan. 2016

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