Die Darmflora und das Gehirn

Darmflora erhält Gehirn gesund

02.06.2015 Forscher des Universitätsklinikums Freiburg untersuchten, welche Auswirkungen eine gesunde Darmflora (bei Mäusen) auf die Gehirngesundheit hat. Die Forschungsergebnisse dürften aber auch wichtig für die Gesundheit des Menschens allgemein und insbesondere bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sein.

Sie benutzten dazu Mäuse, die unter sterilen Bedingungen aufgezogen wurden oder eine Antibiotika-Kur bekommen hatten. Beide Mäusegruppen wiesen dadurch keine bzw. eine ungenügende Darmflora auf, wodurch das Immunsystem gestört war.

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Mikroglia (braun); Bild: Grzegorz Wicher (wiki)

Mikroglia, Immunsystem des Gehirns

Die Forscher stellten fest, dass ohne die Darmbakterien die Immunzellen im Gehirn der Mäuse verkümmerten. Diese Immunzellen – die sogenannten Mikrogliazellen, Fresszellen im Gehirn, die eindringende Organismen und abgestorbenes Material entsorgen – sind fehlgesteuert auch an der Entstehung bzw. Entwicklung von verschiedenen Gehirnerkrankungen beteiligt.

Prof. Dr. Marco Prinz und seine Kollegen konnten so erstmals im Tierversuch demonstrieren, dass „ein intaktes Immunsystem des Gehirns von einer gesunden bakteriellen Darmflora abhängt.“

Beide Maus-Gruppen reagierten aufgrund ihres geschwächten Immunsystems (wegen der dysfunktionalen Mikroglia) kaum auf Entzündungsreize im Gehirn.

„Unsere Ergebnisse weisen auf einen ständigen Informationsfluss zwischen Darmbakterien und Hirnmakrophagen hin“, sagte Prinz.

Vielfalt im Darm verbesserte Gehirn-Immunsystem

Bekamen die Tiere allerdings Kontakt mit Mäusen mit einer intakten Darmflora, entwickelten auch die mit gestörter Darmflora schnell wieder Darmbakterien und ein besseres Immunsystem. Und: „Je größer die Vielfalt der Darmbakterien war, desto besser entwickelten sich auch die Mikroglia“, sagte der Forscher.

Die Wissenschaftler konnten zeigen, wie diese Unterstützung der Mikroglia durch die Darmflora funktioniert: Kurzkettige Fettsäuren gelangen aus dem Darm über das Blut ins Hirn und unterstützen die Mikrogliazellen gegen die Entzündungen.

Kurzkettige Fettsäuren

Kurzkettige Fettsäuren werden von den Bakterien im Darm bei der Verarbeitung von Milchprodukten, best. Kohlenhydraten, Ballaststoffen und weiteren Nahrungsmitteln hergestellt.

Laut Prinz wiesen die Befunde auf die Wichtigkeit von „zur bakteriellen Bildung von kurzkettigen Fettsäuren“ beitragenden Nahrungsmitteln für die psychische Gesundheit hin.

Die Ergebnisse der Studie unterstützen frühere Forschungsbefunde und sind nach Prinz auch für den Menschen von großer Wichtigkeit.
Denn es gäbe einen Zusammenhang zwischen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn und einem Mangel an kurzkettigen Fettsäuren.

Es wird bereits bei diesen Krankheiten untersucht, ob die Übertragung von Darmflora von einem gesunden auf einen kranken Menschen (Stuhltransplantation) bei der Genesung helfen kann.

Zukünftige Studien sollten untersuchen, welche Auswirkungen die Darmflora auf Gehirnentwicklung und -funktionalität beim Menschen genau hat, sagten die Forscher in der Zeitschrift Nature Neuroscience.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Freiburg, Nature Neuroscience; Juni 2015

Gehirnstimulation verändert Darmflora und unterstützt Gewichtsabnahme

04.04.2017 Laut einer auf dem 99. Meeting der Endocrine Society in Orlando vorgestellten Studie der Università degli Studi di Milano kann nichtinvasive elektromagnetische Gehirnstimulation die Darmflora beeinflussen und übergewichtigen Menschen helfen, Gewicht abzunehmen.

Die Forscher nehmen an, dass die Gewichtsabnahme durch die Veränderung der Zusammensetzung der Darmbakterien – dem Darm-Mikrobiom – erleichtert wurde.

Tiefe transkranielle Magnetstimulation

Mit Hilfe von tiefer transkranieller Magnetstimulation (deep transcranial magnetic stimulation – dTMS) des Gehirns wurde laut den Wissenschaftlern das Verlangen (Craving) nach Essen reduziert und eine Gewichtsabnahme bei den adipösen Probanden eingeleitet.

Im Unterschied zur tiefen Hirnstimulation ist bei der dTMS keine Operation oder Implantation von Elektroden nötig.

Übergewicht durch gestörtes Darmmikrobiom

In ihrer Studie nahmen die Wissenschaftler an, dass ein gestörtes Darmmikrobiom – ein Ungleichgewicht zwischen nützlichen und schädlichen Mikroorganismen im Darm – Ursache für Übergewicht sein könnte.

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Bild: OpenClips

Studienleiter Prof. Dr. Livio Luzi sagte, dass eine gestörte Darmflora die Signale des Gehirns in Bezug auf Appetit und Sattheit bzw. Sättigung ändern kann. Deshalb untersuchen sie, ob eine elektrische Hirnstimulation das Darmmikrobiom bei übergewichtigen Personen verändern kann, und, falls dem so ist, welche Mechanismen zugrundeliegen.

An ihrer vom italienischen Gesundheitsministerium geförderten Pilotstudie nahmen 14 Studienteilnehmer (11 Frauen) im Alter zwischen 22 und 65 Jahren teil, bei denen ein Körpermassenindex (BMI) von 30 bis 45 kg/m2 gemessen wurde.

Stimulation von Insula und präfrontalem Cortex

Die Teilnehmer erhielten über fünf Wochen 15 Sitzungen – dreimal pro Woche – von dTMS (der Insula und des präfrontalen Cortex tief im Gehirn) oder eine vorgetäuschte Hirnstimulation als Kontrolle. Vor und am Ende der Behandlung wurden Stuhlproben der Teilnehmer auf ihre Mikroorganismen analysiert.

Weiterhin wurden Glukose (Zucker), Insulin, pituitäre Drüsenhormone und Neurotransmitter wie Norepinephrin im Blut untersucht. Pituitäre Hormone spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulation des Appetits, und neue Forschungsbefunde zeigen, dass Norepinephrin und andere Neurotransmitter die Zusammensetzung der Darmflora beiinflussen, sagte Luzi.

Veränderungen bei Gewicht und Mikrobiom im Darm

Nach fünf Behandlungswochen hatten die hirnstimulierten Teilnehmer mehr als 3 Prozent ihres Körpergewichts und mehr als 4 Prozent ihres Fettes verloren, deutlich mehr als die Kontrollteilnehmer, berichtet Luzi.

Ergebnisse der fäkalen Analyse zeigten, dass die dTMS-behandelten Probanden deutlich mehr der nützlichen Darmbakterien mit antientzündlichen Eigenschaften vorwiesen – wie sie bei gesunden Menschen vorgefunden werden.

Die Kontrollgruppe zeigte jedoch keine klinisch relevanten Veränderungen der Darmflora, schreiben die Forscher.

Positive Veränderungen bei Stoffwechsel und Hormonen

Sie entdeckten auch, dass die Veränderungen der Häufigkeit bei anderen Bakterienarten mit einer Verbesserung metabolischer und hormoneller Werte – einschließlich Glukose, Insulin, mehrere pituitäre Hormone und Norepinephrin verbunden waren.

Diese Veränderungen deuten eine vorteilhafte Wirkung von dTMS sowohl auf Gewichtsabnahme als auch auf die Veränderung in der Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm an, schloss Luzi.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Mailand, Endocrine Society; April 2017

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