Durch Zuhören erkennt man am besten die Emotionen bei anderen
10.10.2017 Wenn Sie wissen wollen, wie sich jemand fühlt, sollten Sie besser die Augen schließen und Ihre Ohren spitzen: Menschen können die Emotionen anderer besser durch das Zuhören wahrnehmen und weniger durch das Anschauen.
Michael Kraus von der Yale Universität und Kollegen führten eine Reihe von Experimenten mit mehr als 1.800 Teilnehmern aus den USA durch. In jedem Experiment wurden die Probanden gebeten, entweder mit einer anderen Person zu interagieren oder ihnen wurde eine Interaktion zwischen zwei anderen Personen gezeigt.
Bild: Takuro Obara
In einigen Fällen konnten die Teilnehmer nur zuhören und nicht beobachten; in anderen konnten sie beobachten, aber nicht zuhören, und einige Teilnehmer durften beobachten und zuhören. In einem Experiment hörten die Teilnehmer einer computerisierten Stimme zu, die ein Transkript eines Gesprächs vorlas – eine Bedingung ohne die übliche emotionale Beeinflussung der menschlichen Kommunikation.
Zuhören lieferte die genauesten Einschätzungen
Über alle fünf Experimente hinweg konnten Personen, die nur zuhörten – ohne zu beobachten, im Durchschnitt die Emotionen anderer präziser einschätzen als diejenigen, die nur die Gesichter beobachteten und diejenigen, die sich die Gesichter anschauten und zuhörten.
Die einzige Ausnahme war, als die Testpersonen den computerisierten Stimmen zuhörten; dies führte zur schlechtesten Trefferquote bei allen Experimenten.
Diese Befunde überraschen, sagte Kraus, angesichts dessen, wie Psychologen bislang oft Emotionen untersucht haben. Viele Tests zur emotionalen Intelligenz beruhen auf genauen Beobachtungen der Gesichter, sagte er.
Was wir hier finden, ist, dass die Menschen vielleicht zu viel Aufmerksamkeit auf das Gesicht lenken – die Stimme drückt viel dessen aus, was notwendig ist, um die innere Stimmung anderer genau wahrzunehmen, sagte er. Die Ergebnisse legen nahe, dass Psychologen sich mehr auf die Untersuchung des stimmlichen Ausdrucks von Emotionen konzentrieren sollten.
Multitasking beeinträchtigt die Genauigkeit
Kraus glaubt, dass es zwei mögliche Gründe gibt, warum die Stimme allein der kombinierten Kommunikation überlegen ist. Zum einen haben wir mehr Übung darin, die Mimik zu benutzen, um Emotionen zu maskieren. Zum anderen sind mehr Informationen nicht immer gleichbedeutend mit einer höheren Genauigkeit, sagte er.
In der Welt der kognitiven Psychologie beeinträchtigen zwei gleichzeitig durchgeführte komplexe Aufgaben (d. h. Beobachten und Zuhören) die Leistung einer Person bei beiden Aufgaben.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Yale Universität; American Psychological Association – http://dx.doi.org/10.1037/amp0000147; Okt. 2017
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