Arbeitslosigkeit: Psychologische, psychosoziale Folgen

Der Verlust des Jobs, der Arbeit und seine psychologischen, sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen.

Arbeitslose: nicht generell faul, unmotiviert oder asozial

Eine Studie der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum widerspricht dem Mythos des faulen Hartz-IV-Empfängers und gibt Empfehlungen.

Arbeitslose - Arbeit

Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob es grundsätzliche Unterschiede zwischen Arbeitssuchenden und Berufstätigen hinsichtlich der Arbeitseinstellung gibt.

Dazu ließen sie 133 Arbeitssuchende aus dem Jobcenter Kaufbeuren und 274 Sachbearbeiter und Fachkräfte den Fragebogen „Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung“ (kurz: BIP) ausfüllen.

Es zeigte sich, dass berufsbezogene Leistungsmotivation, Verträglichkeit, Freundlichkeit und Begeisterungsfähigkeit sich zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant unterschieden.

Jedoch waren die Arbeitssuchenden weniger teamorientiert, zeigten weniger Führungsmotivation und Wettbewerbsorientierung.

Die Ergebnisse geben grobe Trends wieder, sie sagen aber nichts über das jeweilige Individuum.

„Jeder Arbeitssuchende ist einzigartig und benötigt demnach auch eine entsprechende individuelle Beratung“, sagt Dr. Philip Frieg vom Projektteam Testentwicklung.

Der BIP-Fragebogen ist hierbei eine gute Stütze, um individuelle Beratung und Maßnahmen herauszufinden.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Ruhr-Universität Bochum, März 2014

Langzeitarbeitslose Männer altern schneller

Männer, die mindestens zwei Jahre arbeitslos sind, zeigen Anzeichen eines beschleunigten Alterns in ihrer DNS, laut einer neuen Forschungsstudie.

Telomere und das Altern

Kappen von Telomeren

Forscher vom Imperial College London und der Universität von Oulu, Finland, untersuchten DNS-Proben von 1966 in Finnland geborenen Männern und Frauen. Sie maßen deren Telomere – Endkappen der DNS – welche die kodierte genetische Information davor beschützen soll, zu degenerieren.

Telomere schrumpfen im Laufe des Lebens und ihre Länge wird als Biomarker für das biologische Altern benutzt. Kürzere Telomere sind mit einem größeren Risiko für altersgebundene Krankheiten (wie Typ 2 Diabetes, geistiger Verfall und Herzkrankheiten) und einem früheren Tod verbunden.

Langzeitarbeitslosigkeit

„Belastende Lebensereignisse in Kindheit und Erwachsenenalter sind bereits mit einer Beschleunigung der Verkürzung der Telomere in Verbindung gebracht worden. Wir haben jetzt gezeigt, dass Langzeitarbeitslosigkeit auch vorzeitiges Altern verursachen kann“, sagte Genetikerin Dr. Jessica Buxton vom Imperial College London.

Die Telomere der Teilnehmer wurden anhand von 1997 entnommenen Blutproben gemessen.

Die Befunde zeigten, dass Männer ohne Arbeit (wenn sie mehr als zwei der vorherigen drei Jahre arbeitslos waren) mehr als doppelt so wahrscheinlich kürzere Telomere hatten als erwerbstätige Männer.

Die Forscher klammerten andere soziale, biologische und Verhaltensfaktoren aus, die die Ergebnisse möglicherweise hätten beeinflussen können. Dies half auszuschließen, dass die kürzeren Telomere mit Krankheiten in Zusammenhang standen, wodurch die Studienteilnehmer nicht hätten arbeiten können.

Frauen und junge Menschen

Interessanterweise konnten diese Befunde nicht auf Frauen ausgeweitet werden; vielleicht weil weniger Frauen in der Studie über längere Zeit arbeitslos waren. Es sollte also noch untersucht werden, ob sich Langzeitarbeitslosigkeit auf Männer stärker schädigend auswirkt als auf Frauen.

„Es hat bereits einige Studien zur Verbindung zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und der schlechteren Gesundheit gegeben. Dies ist aber die erste Studie, die eine schädigende Wirkung auf zellularer Ebene zeigt.“

„Diese Befunde lassen auch Sorgen aufkommen, wie es um langzeitarbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene steht. Menschen Arbeit zu geben, sollte ein wichtiger Part in der allgemeinen Gesundheitsförderung sein“, sagte Dr. Leena Ala-Mursula von der Universität Oulu.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Imperial College London, Nov. 2013

Arbeitslosigkeit verändert die Kern-Persönlichkeit

17.02.2015 Der durch Arbeitslosigkeit verursachte psychosoziale Schaden ist größer als zuvor angenommen laut einer Studie mit 6.769 deutschen Erwachsenen von Wissenschaftlern der Universität Stirling.

Stirlings Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass Arbeitslosigkeit – nicht nur verantwortlich für einen Abfall im persönlichen Wohlbefinden ist – sondern auch zu großen Veränderungen an der Kernpersönlichkeit einer Person führen kann.

Pflichtbewusstsein, Toleranz und Offenheit

Die Persönlichkeit wird normalerweise über die Zeit als stabil betrachtet, aber die Forscher stellten fest, dass die Erfahrung von Arbeitslosigkeit zu negativen Verändungen bei den Eigenschaften Gewissenhaftigkeit (Pflichtbewusstsein), Verträglichkeit (Toleranz) und Offenheit führte.

Die Betroffenen verloren deutlich an Motivation, wurden weniger rücksichtsvoll und mitfühlend, und waren hinsichtlich der Welt um sie herum weniger neugierig. Diese Veränderungen waren umso größer, je länger eine Person arbeitslos war.

Grundpersönlichkeit kann sich ändern

Der leitende Forscher Dr Christopher Boyce sagte: „Die Ergebnisse zeigen, dass unsere Persönlichkeit nicht ’starr‘ (fix) ist, und belegen, dass die Auswirkungen externer Faktoren wie Arbeitslosigkeit eine große Wirkung auf unsere Grundpersönlichkeit haben können.“

Die Teilnehmer der Studie machten zwei Persönlichkeitstests zu zwei Zeitpunkten. Alle Teilnehmer waren zur Zeit des ersten Tests erwerbstätig. Zur Zeit des zweiten Tests hatten die einen noch ihre Arbeit, andere waren seit einem bis vier Jahre arbeitslos oder arbeiteten nach einer Phase der Arbeitslosigkeit wieder.

Die Ergebnisse zeigten, dass Arbeitslose deutliche Änderungen bei Pflichtbewusstsein, Toleranz und Offenheit im Vergleich zu den in Arbeit gebliebenen Personen zeigten. Wieder eingestellte Personen zeigten limitierte Veränderungen.

arbeitslos
Bild: PublicDomainPictures(pixabay)

Mehr als nur ein ökonomisches Problem

Die in Journal of Applied Psychology veröffentlichte Studie legt nahe, dass die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit in der Gesellschaft mehr als nur ein ökonomisches Problem ist. Die Arbeitslosen können zu Unrecht in Folge unvermeidbarer Persönlichkeitsveränderungen stigmatisiert werden, wodurch es zu einer Abwärtsspirale hinsichtlich der zukünftigen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt kommen kann.

Die Politik spielt deshalb eine Schlüsselrolle darin, negative Veränderungen der Persönlichkeit in der Gesellschaft durch Schaffung niedrigerer Arbeitslosenquoten und einer größeren Unterstützung der Arbeitslosen anzubieten.

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Dr. Boyce sagte: „Eine hohe nationale Arbeitslosenquote kann bedeutsame Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Zum Beispiel kann eine hohe Arbeitslosigkeit die Entwicklung eines wünschenswerten sozialen und ökonomischen Verhaltens wie Beteiligung an sozialen Aktivitäten und ein besseres Gesundheitsverhalten behindern.

„Eine Politik, die die Arbeitslosigkeit reduziert ist nicht nur deshalb wichtig, um die Wirtschaft zu stützen, sondern auch, um den Menschen der Gesellschaft ein positives Persönlichkeitswachstum zu ermöglichen.“

© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Stirling, American Psychological Association (Journal of Applied Psychology); Feb. 2015

Arbeitsplatzverlust macht Menschen auf lange Zeit misstrauischer

12.03.2015 Nach dem Verlust des Arbeitsplatzes können Menschen bis zu 10 Jahre danach misstrauischer als vorher sein laut einer in Social Science Research veröffentlichten Studie.

Forscher der Manchester Universität stellten fest, dass entlassene oder in die Arbeitslosigkeit getriebene Menschen ihr Vertrauen in solch einem Maß verlieren können, dass dieses Misstrauen selbst noch bestehen bleiben kann, wenn sie einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben.

Mann mit Depression
Bild: George Hodan
(pixabay, PublicDomainPictures)

Persönlichkeit verändert sich

Die Bereitschaft der Menschen, anderen zu vertrauen, bleibt normalerweise im Leben im Wesentlichen stabil. Jedoch zeigt diese Studie, dass ein Trauma wie Arbeitslosigkeit die Ansicht der Entlassenen auf ihre Welt verändern kann, und diese Einstellung kann lange bestehen bleiben, sagt Autor Dr. James Laurence.

Für die Studie analysierten die Wissenschaftler Daten von beinahe 7.000 britischen Erwachsenen. Laurence konzentrierte sich auf die Reaktionen von 1991, als sie 33 Jahre, und 2008, als sie 50 Jahre alt waren.

Faktoren Identität und Selbstbewusstsein

Personen im Alter von 50, die während der vorangegangenen 17 Jahre Arbeitslosigkeit erfahren hatten, zeigten weniger Vertrauen. Es war um 4,5% geringer als bei Teilnehmern, die nicht entlassen worden waren. Diese Zahl stieg auf 7% bei denen Arbeit eine Schlüsselrolle in ihrem Leben für ihre Identität und Selbstbewusstsein spielte.

„Schon eine einzelne Entlassung kann zum Vertrauensverlust führen, und was besonders besorgniserregend ist: Viele Entlassene berichten über eine geringere Bereitschaft, anderen zu vertrauen, selbst als sie wieder einen anderen Job bekamen. Die Studie zeigt, dass die Erfahrung des Jobverlusts Narben im Vertrauen zu anderen hinterlassen kann“, sagte Laurence.

„Dies hat nicht nur wichtige Auswirkungen für die betroffene Person, sondern auch für die gesamte Gesellschaft, denn Vertrauen kann wichtige Vorteile bringen: Gesundheit und Zufriedenheit, sozialer Zusammenhalt, eine effiziente, demokratische Regierung und wirtschaftliche Entwicklung.“

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Social Science Research (Elsevier), Manchester Universität; März 2015

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Beiträge zu “Arbeitslosigkeit: Psychologische, psychosoziale Folgen”

  1. So ziemlich Alles,was hier beschrieben wird, trifft auf mich zu, und es is noch Milde ausgedrueckt.
    Vertrauen in irgendeinem menschliches Wesen ist jedenfalls dahin. Nicht einmal meiner Frau kann ich 100%ig vertrauen.

Was denken Sie darüber? Oder haben Sie Erfahrungen damit gemacht?


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