Amoklauf an der Schule (Psychologie, Psyche)
Rechtspsychologie – Kriminalpsychologie
News aus der Forschung zur Psyche von Schul-Amokläufern
Welche Charakterzüge haben jugendliche Schul-Amokläufer?
02.11.2017 Männliche amoklaufende Jugendliche haben oft Mühe, dem gerecht zu werden, was sie als Männlichkeits-Ideale an ihrer Schule wahrnehmen.
Die ultimative Inszenierung
Wenn sie in der Schule sozial gemieden werden, entwickeln sie tiefe Ressentiments gegen ihre Klassenkameraden und Lehrer. Die Schützen werden zunehmend wütend, depressiv und gewalttätiger in ihrer geschlechtsspezifischen Haltung.
Ein Amoklauf ist ihre ultimative Inszenierung, sagt die Sozialpsychologin Kathryn Farr von der Portland State Universität. In einer psychologischen im Fachblatt Gender Issues publizierten Studie untersuchte sie die Merkmale von 31 Schuljungen, die zwischen 1995 und 2015 an 29 amerikanischen Schulen an Massenschießereien mitwirkten.
Männlich genug?
Bild: Clker-Free-Vector-Images
Farrs Analyse legt nahe, dass der soziale Status von Jungen in der Mittel- und Oberschule zu einem großen Teil davon abhängt, ob sie von Gleichaltrigen als „ausreichend männlich“ akzeptiert werden.
Ihre Richtlinien für die geschlechtsspezifische Relevanz finden sich in einer Reihe von Adolescent Insider Masculinity Normen, die das männliche Ideal als cool, heterosexuell und „tough“ beschreiben, wobei Männer „Sissy-Stuff“ (Sachen die ‚Waschlappen‘, ‚Weicheier‘ machen) vermeiden und Aktivitäten, Verhaltensweisen und Manierismen zeigen, die typisch für „Jungs“ sind.
Dieses Ideal zu verfehlen, bedeutet für einige Jungen schulische Probleme und Reaktionen, die typisch für Jugendliche sind, schreibt die Sozialpsychologin.
Psychische Probleme
Zehn der 31 Schützen hatten schwere psychiatrische Probleme, während zehn weitere in extrem misshandelnden Haushalten aufgewachsen sind.
Die übrigen elf Jungen reagierten explosiv und unangemessen auf Vorfälle, die sie als ungerechtfertigt diskreditierend empfanden.
25 Jungen waren weiß und alle bis auf einen heterosexuell.
Viele der jugendlichen Amokläufer hatten persönliche psychische Probleme, die ihre sozialen Fähigkeiten in der Schule beeinträchtigten, erklärt Farr. Außerdem könnte der potenzielle Amoklauf eines Jungen mit schweren psychischen Erkrankungen und Amoklauf-bezogenen Risikofaktoren besonders gefährlich sein.
Entsprachen nicht den Männlichkeitsidealen
Die meisten wurden wiederholt und öffentlich mit homosexuellen und feminisierten Beinamen wie „Homo“, „Heulsuse“ oder „Schwuchtel“ versehen.
Allen 31 Amokläufern wurde gezeigt, dass sie den Männlichkeitsidealen nicht entsprächen, indem sie von ihren Mitschülern „entmannend“ gemobbt, von den Mädchen zurückgewiesen und ganz allgemein marginalisiert (sozial isoliert) wurden.
Einige berichteten, dass sie körperlich und sexuell von ihren männlichen Mitschülern viktimisiert wurden.
Laut Farr war die geschlechtsspezifische Performance der Schützen in der Schule typischerweise „off“, weil sie die Insider-Maskulinität nicht erreichten oder sie übertrieben. Sie sahen die Reaktionen, die sie erhielten, als unverdiente Ungerechtigkeiten an, die ihnen ihre Männlichkeitsansprüche verweigerten.
Dramatische Darstellungen
Die meisten benutzten dramatische Darstellungen männlichen ‚Mutes‘, um zu zeigen, dass sie hart und stark waren.
Sie brachten zum Beispiel Waffen in die Schule oder betonten gewalttätige Themen in ihren Schriften, Zeichnungen und Klassenvorträgen. Fast alle hatten mit ihren Amokplänen geprahlt.
Ein solches Verhalten verletzt die moralischen Grenzen der Männlichkeit und schädigt den ohnehin schon niedrigen sozialen Status der Jungen, schreibt die Studienautorin.
Aufklärung in Schulen
Sie glaubt, dass die Schulen ihre Schüler über solche Amokläufe und die möglichen Warnsignale, die gemeldet werden müssten, aufklären sollten. In den Lehrplänen der Schulen sollten auch Fragen jugendlicher Maskulinität angesprochen und Diskussionsforen zu Fragen der Geschlechtergleichstellung angeregt werden.
Wie oft haben heranwachsende Jungen die Gelegenheit, miteinander über Männlichkeitsnormen und ihre Herausforderungen zu sprechen, einschließlich Gewaltnormen oder die Auswirkungen von entmannendem Mobbing, fragt sie.
Solche Diskussionen im Klassenzimmer könnten den Schulen auch dabei helfen, Aktivitäten zu erkennen, anzubieten und aufzuwerten, die Jungen ansprechen, deren Interessen und Fähigkeiten außerhalb der Normen von Insider-Männlichkeit liegen, sagte Farr.
Sie warnte vor unnötiger Stigmatisierung von anfälligen Jugendlichen: „Obwohl viele Jungen risikoreiche Verhaltensweisen und Einstellungen zeigen, werden nur sehr wenige tatsächlich zu Amokläufern.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Portland State Universität; Gender Issues – DOI: 10.1007/s12147-017-9203-z; Okt. 2017
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