Aussagepsychologie / Zeugenpsychologie

Aussagepsychologie / Zeugenpsychologie

Rechtspsychologie – Forensische Psychologie

News/Forschung zur Zeugenpsychologie und Aussagepsychologie: Psychologie bei der Zeugenvernehmung bzw. die Aussageanalyse bei der Vernehmung des Zeugen; es werden die Wahrnehmungsvorgänge, Speicherung und der Abruf aus dem Gedächtnis auf denen die Aussage basiert untersucht.

Kinder als Zeugen: Gesten führen zu Falschaussagen

Kinder können durch die Gesten der (interviewenden) Erwachsenen leicht zu Falschaussagen gebracht werden, laut Forschern der Universität Hertfordshire.

Psychologen der Universität spielten Kindern ein Video vor und fragten sie danach, was sie gesehen hatten.

Falschaussagen durch Gesten evoziert

Die Kinder wurden darüber befragt, woran sie sich erinnerten. Nachdem den Kindern ein Film über eine Frau gezeigt wurde, die einen Hut trägt, wurden sie vom Forscher gefragt: „Was trug die Frau?“, während er eine Geste zeigte, die ähnlich dem Aufsetzen eines Hutes war. Wenn die Fragen von Gesten begleitet wurden, die die richtige Antwort nachahmten, antworteten die Kinder korrekt.

Aber wenn der Forscher dieselbe Frage stellte und vorgab eine Brille aufzusetzen, ignorierten 93 Prozent der Kinder, was sie im Video gesehen hatten und bestanden darauf, dass die Frau stattdessen eine Brille getragen hatte.

Die Einbindung von Gesten

„Dies hat ernste Auswirkungen auf forensische Befragungen von Kinder-Zeugen, besonders wenn sie ein traumatisches Ereignis erlebt haben könnten, dem sie sich während einer Befragung erneut stellen müssen. Interviewer müssen sehr vorsichtig und gründlich durchdenken, nicht nur was sie sagen, sondern auch wie sie es sagen und welche Gesten sie dabei einsetzen.“

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Hertfordshire, April 2013

Schlechte Laune verbessert die Zeugenaussage

Australische Forscher der Universität von New South Wales in Sydney untersuchten Versuchspersonen, die sie in positive oder negative Stimmung versetzten und anschließend Szenen beobachten (wie z.B. eine Handtasche geraubt wurde) ließen.

Wie die Stimmung die Zeugenaussage beeinflusst

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Gute Laune = schlechtere Beobachtung

Anschließend wurde die Exaktheit der Beobachtungen der Probanden geprüft. Dabei stellte sich heraus, dass die Augenzeugen, die übellauniger waren, genauer beobachtet hatten, als die fröhlicher Gelaunten.

Das zeige, so Forgas (Leiter der Studie), „dass unsere Erinnerung an vergangene Ereignisse durch irrelevante Informationen gestört wird, wenn wir uns in einer guten Stimmung befinden. Die gute Laune begünstige eher unvorsichtigere Denkstrategien“.

Schlecht Gelaunte können besser argumentieren

Bei einem weiteren Versuch, in dem gut und schlecht gelaunte Probanden gegeneinander antraten, sollte eine Argumentation zu Gunsten einer bestimmten Behauptung verfasst werden. Die Übellaunigen zeigten auch in Bezug auf kritisches Denken und Kommunikationsfähigkeit eine Überlegenheit gegenüber den Gutgelaunten. Sowohl Qualität als auch Überzeugungskraft der Argumentationen der Schlechtgelaunten war besser.

Forgas: „Dies hat sich wahrscheinlich im Laufe der Evolution entwickelt. Bei guter Laune ist die Umwelt friedlich und nicht bedrohend, weshalb keine hohe Aufmerksamkeit von Nöten ist. Aber eine durch Bedrohung ausgelöste schlechte Stimmung ist von Vorteil, da sie eine systematische, aufmerksame und umsichtige Informationsverarbeitung der Umgebung schafft“.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität New South Wales Sydney, 2011

Erinnerungen lassen sich leichter mit geschlossenen Augen abrufen

17.01.2015 Augenzeugen von Verbrechen erinnern sich besser an Details, wenn sie ihre Augen schließen. Außerdem hilft der Aufbau einer Beziehung des Interviewers zum Augenzeugen, um die Erinnerung zu unterstützen.

Die Experimente

Dies haben Forscher der Universität Surrey in zwei Versuchen mit 178 Teilnehmern herausgefunden. Im ersten Experiment sahen sich die Teilnehmer einen Film an, in dem ein Elektriker ein Haus betrat, Arbeiten ausführte und Dinge stahl.

Die Teilnehmer wurden dann zufällig einer von vier Bedingungen zugewiesen unter denen sie zu den Geschehnissen befragt wurden: während sie die Augen geschlossen oder offen hatten, und ob sie eine Beziehung zum Interviewer aufgebaut hatten oder nicht.

Besseres Gedächtnis bei geschlossenen Augen

Das Forscherteam fand heraus, dass die Teilnehmer mit geschlossen Augen eine präzisere Aussage machen konnten, indem sie sich besser erinnerten (23% der Fragen wurden mehr korrekt beantwortetet als bei den Probanden mit den offenen Augen). Der Aufbau einer Beziehung zum Interviewer erhöhte ebenfalls die Anzahl der richtigen Antworten. Das Schließen der Augen war aber auch wirksam, auch wenn keine Beziehung zum Frager bestand.

Beim zweiten Versuch wurden die Zeugen sowohl nach Dingen gefragt, die sie gehört, als auch danach, was sie gesehen hatten.

Dieses Mal sahen die Studienteilnehmer einen Ausschnitt aus Crimewatch (BBC-Sendung, die auf Aktenzeichen XY … ungelöst basiert), der eine Rekonstruktion eines Einbruchs zeigte, bei dem ein älterer Mann in seinem Haus angegriffen wurde.

Augenzeuge bei Verbrechen
Bild: Gerd Altmann (pixabay)

Die Ergebnisse zeigten, dass das Schließen der Augen den Augenzeugen half, sowohl die akustischen als auch visuellen Details besser aus dem Gedächtnis abzurufen, sowohl wenn sie eine Beziehung aufgebaut hatten oder auch wenn nicht.

Beziehung zum Interviewer

Bei beiden Versuchen sagten die Probanden, die den Interviewer nicht kennengelernt hatten, dass sie sich weniger wohl fühlten, während sie ihre Augen geschlossen hatten. Im Gegensatz dazu, fühlten sich die Teilnehmer mit größerer Nähe zum Fragesteller wohler bei geschlossenen Augen.

„Unsere Studie zeigt klar, dass das Zumachen der Augen und der Aufbau von Nähe zum Fragesteller das Erinnungsvermögen [und damit die Aussage] der Augenzeugen verbessern“, sagte Dr. Robert Nash von der Universität Surrey in der Zeitschrift Legal and Criminology Psychology.

„Obwohl die Erinnerung durch das Schließen der Augen sowohl bei als auch ohne Nähe zum Interviewer verbessert wird, zeigen unsere Ergebnisse, dass es leichter fällt, die Augen zu schließen, wenn man den Fragesteller vorher kennengelernt hat. Das für sich genommen ist schon recht wichtig, wenn wir Zeugen ermutigen wollen, diese hilfreiche Technik während eines Interviews anzuwenden.“

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Legal and Criminology Psychology, Universität Surrey; Jan. 2015

Zeugenaussagen kleiner Kinder

17.11.2015 Augenzeugenberichte kleiner Kinder sind nicht weniger zuverlässiger als die von älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Ältere Kinder können sogar häufiger falsche Erinnerungen produzieren als kleine Kinder, sagt der forensische Psychologe Henry Otgaar von der Maastricht Universität in der Zeitschrift Journal of Experimental Psychology: General.

Erwachsene anfälliger für falsche Erinnerungen?

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Bild: Magyar

Otgaar untersuchte eine nicht intuitive Annahme: Nicht kleine Kinder, sondern ältere Kinder und Erwachsene sind anfälliger für falsche Erinnerungen. Dies widerspricht dem, was allgemein angenommen wird.

Schließlich haben kleine Kinder eine grenzenlose Fantasie, in deren Folge sie es als schwierig empfinden könnten, Tatsachen von Erfundenem zu trennen.

Schwieriger als Erwachsene würde man annehmen, und ganz sicher im Falle von 4 bis 6-Jährigen, die Opfer von körperlichen und sexuellen Misshandlungen geworden sind.

Von solch jungen Zeugen wird allgemein angenommen, dass sie unzuverlässiger in ihren Aussagen sind; zum Beispiel vor Gericht werden ihre Aussagen eher in Zweifel gezogen als die von älteren Kindern und Erwachsenen. Aber trifft das wirklich zu?

Experiment

Otgaar machte Experimente mit jeweils 70 – 80 Teilnehmern (Kinder im Alter von 4 bis 12 Jahren und Erwachsene) bei jedem Versuch. Er testete die Gedächtnisse der Teilnehmer, indem er ihnen Videos zeigte und sie dann anhand Antwortkarten fragte, was sie gesehen hatten. Zum Beispiel wäre eine der möglichen Antworten nach einem Film über einen Bankraub ‚Waffe‘ gewesen, obwohl keine im Film vorkam. Die Teilnehmer gaben einen Augenzeugenbericht und wurden verbal befragt.

Die Augenzeugenberichte der kleinen Kinder der Studie waren nicht weniger zuverlässig als die der Erwachsenen.
Manchmal zeigten ältere Kinder und Erwachsene sogar eher falsche Erinnerungen als die kleinen Kinder.

Suggestionsempfänglichkeit

Tatsächlich nimmt die Suggestionsempfänglichkeit – das ‚Füttern‘ mit nicht existenten Erinnerungen – nicht immer mit dem Alter ab. Die Forscher entdeckten, dass, obwohl falsche Erinnerungen unter kleinen Kindern eindeutig offensichtlicher vorkamen, diese falschen Erinnerungen manipuliert und ‚entfernt‘ werden konnten. Ältere Kinder und Erwachsene blieben hartnäckiger bei dem – wovon sie angenommen hatten, dass sie es gesehen hätten.

Dieses Wissen kann im Gerichtssaal äußerst wichtig sein: die Aussage eines Erwachsenen sollte nicht unbedingt höher eingeschätzt werden als die eines Kindes.

Forensischer Kontext

Otgaar: ‚Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit einem wachsenden Teil von Forschungsergebnissen, die zeigen, dass kleinere Kinder manchmal besser performen als ältere Kinder. Sie unterscheiden fremde Geräusche besser und sind innovativer als Erwachsene, wenn es darum geht alternative Wege beim Gebrauch von Werkzeugen zu finden. Dies liegt wahrscheinlich daran, weil der Erwerb neuen Wissens zu einer verminderten Flexibilität bei der Annahme von neuen Ideen führt.‘

Ein wichtiger Schluss im forensischen Kontext ist, dass das Alter eines Kindes nicht mehr eine Vorhersagevarible für dessen Zuverlässigkeit als Augenzeuge ist. In vielen Kriminalfällen haben Experten oft falsch angenommen, dass insbesondere kleine Kinder eher ‚falsche Erinnerungen‘ spontan oder unter Druck während eines Verhörs hervorbringen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universiteit Maastricht, Journal of Experimental Psychology: General; Nov. 2015

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