Ungeselligkeit; ungesellig sein (Psychologie) – Sozialpsychologie – Persönlichkeitspsychologie
Psychologische Studien zur Ungeselligkeit; Ungeselligsein bedeutet, dass jemand die eigene Gesellschaft der von anderen vorzieht. Wenn jemand ungesellig ist, dann in erster Linie bzw. ausschließlich nicht deshalb, weil er / sie Angst vor anderen Menschen hat, sondern weil er das Alleinsein / die Einsamkeit (zuweilen) dem Zusammensein mit anderen vorzieht.
Sozialer Rückzug (ohne Angst) / Ungeselligkeit ist positiv mit Kreativität verbunden
21.11.2017 Jeder braucht eine gelegentliche Pause vom gesellschaftlichen Rummel, obwohl es für viele Menschen ungesund sein kann, zu viel Zeit allein zu verbringen, und es gibt immer mehr Belege dafür, dass die psychosozialen Auswirkungen von zu viel Einsamkeit für einige ein Leben lang andauern können.
Aber eine neue Studie der Universität Buffalo legt nahe, dass nicht alle Formen des sozialen Rückzugs schädlich sind.
Die Motivation zählt
Tatsächlich deuten die in der Zeitschrift Personality and Individual Differences veröffentlichten Forschungsergebnisse darauf hin, dass eine Form von sozialem Rückzug, die als „ungesellig sein“ bezeichnet wird, keine negativen Auswirkungen auf die Psyche hat, sondern im Gegenteil, positiv mit der Entwicklung von Kreativität verbunden ist.
Bild: bridgesward (pixabay)
Die Motivation zählt, schreibt Studienautorin Julie Bowker, Assistenz-Professorin für Psychologie, die die erste Studie über sozialen Rückzug und Ungeselligkeit mit positiven Resultaten für Psyche und Wohlbefinden verbindet.
„Wir müssen verstehen, warum sich jemand zurückzieht, um die damit verbundenen Risiken und Vorteile zu verstehen“, sagt sie.
Bowkers Studienresultate erinnern an Welten in der Literatur, von Henry David Thoreaus selbstgewähltem sozialen Rückzug in Walden oder Leben in den Wäldern und Thomas Mertons Arbeit als Klostermönch, aber bei all den Gesprächen und Beispielen über die Vorteile, sich der Gesellschaft zu entziehen und sich der Natur hinzuwenden oder sich wieder mit sich selbst zu beschäftigen, ist diese Ungeselligkeit etwas geblieben, das in der psychologischen Forschung nicht gut untersucht worden ist, so Bowker.
Kosten des sozialen Rückzugs
Wenn Menschen – besonders junge Menschen – über die Kosten nachdenken, die mit sozialem Rückzug verbunden sind, nehmen sie oft eine Entwicklungsperspektive ein, sagt sie. Wenn man sich zu sehr von den anderen während der Kindheit und Jugend entfernt – so nimmt man an, dann muss man auch Einschränkungen bei positiven Interaktionen wie sozialer Unterstützung, Problemen bei der Entwicklung sozialer Fähigkeiten etc. hinnehmen.
Das mag der Grund sein, warum insbesondere in der Jugend die negativen Auswirkungen der Vermeidung und des Rückzugs von Gleichaltrigen so stark gefürchtet sind, schreibt die Psychologin.
Doch die damit verbundenen psychosozialen Gefahren hängen vom zugrundeliegenden Grund oder der Motivation ab.
Formen des sozialen Rückzugs
Manche Menschen ziehen sich aus Angst bzw. einer Angststörung zurück. Diese Art von sozialem Rückzug bzw. Ungeselligkeit ist mit Schüchternheit verbunden.
Andere scheinen sich zurückzuziehen, weil sie die sozialen Interaktionen / Begegnungen nicht mögen. Sie gelten als ungesellig oder die Gesellschaft meidend.
Und einige Menschen ziehen sich zurück, weil sie keine Angst vor der Einsamkeit haben und diese vorziehen. Diese Personen genießen es, Zeit allein zu verbringen, zu lesen oder an ihrem Computer zu arbeiten. Sie sind ungesellig.
Im Gegensatz zu Schüchternheit und Vermeidung zeigt die Forschung immer wieder, dass die Ungeselligkeit nicht mit negativen Auswirkungen zusammenhängt. Aber, Bowkers Studie ist die erste, die sie mit einem positiven Resultat – Kreativität – verbindet.
Verbindung mit Kreativität
Obwohl ungesellige Menschen mehr Zeit allein als mit anderen verbringen, wissen wir, dass sie nicht antisozial sind, schreibt die Psychologin. Sie initiieren zwar keine zwischenmenschlichen Aktivitäten, scheinen aber auch soziale Einladungen nicht abzulehnen; haben also ausreichend soziale Kontakte, um wieder ihr Alleinsein genießen zu können.
Sie sind in der Lage, kreativ zu denken und neue Ideen zu entwickeln – wie ein Künstler im Atelier oder der Akademiker in seinem Büro, sagt Bowker.
In der Studie wurden Schüchternheit und Vermeidung negativ mit Kreativität in Verbindung gebracht. Bowker meint, dass schüchterne und vermeidende Menschen nicht in der Lage sind, ihre Einsamkeit mit Freude und produktiv zu nutzen, vielleicht weil sie durch ihre negativen Erkenntnisse und Ängste abgelenkt werden.
Für die Studie berichteten 295 Teilnehmer über ihre unterschiedlichen Beweggründe für den sozialen Rückzug. Andere Tests erfassten Kreativität, Angstsensitivität, depressive Symptome, Aggression, das Behavioral Approach System (Annäherungssystem) und das Behavioral Inhibition System (Verhaltenshemmung).
Unterschiedliche Auswirkungen der drei Formen
Bowker sagt, dass sich die Formen des sozialen Rückzugs etwas überschneiden. Z.B.: Jemand mag sehr schüchtern sein, aber er hat auch eine gewisse Tendenz zur Ungeselligkeit.
Aber die Ergebnisse ihrer Studie zeigen, dass die drei Formen des sozialen Rückzugs mit voneinander unterschiedlichen Ergebnissen zusammenhängen.
Die Resultate zeigten nicht nur, dass die Ungeselligkeit positiv mit Kreativität verbunden war, sondern auch andere einzigartige Verknüpfungen, wie z.B. einen positiven Zusammenhang zwischen Schüchternheit und Angstsensitivität.
Im Laufe der Jahre wurde das „ungesellig sein“ als eine relativ ‚gutartige‘ Form des sozialen Rückzugs charakterisiert. Aber, mit den neuen Entdeckungen, die die Ungeselligkeit mit Kreativität verbinden, denken die Psychologen, dass sie besser als eine potentiell vorteilhafte bzw. Nutzen-bringende Form des sozialen Rückzugs bezeichnet werden sollte.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Buffalo; Personality and Individual Differences; Nov. 2017
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