Sozioökonomischer Status (Psychologie)
Psychologie-Lexikon – Wirtschaftspsychologie
News und Artikel zu den psychosozialen Faktoren, die den sozioökonomischen Status beeinflussen und umgekehrt. Der Begriff bezeichnet verschiedene Merkmale menschlicher Lebensumstände – wie z.B. Schulabschluss, Ausbildung, Beruf und Einkommen, Besitz von Kulturgütern, Wohnort, Liquidität und Kreditwürdigkeit etc.
Kleine Männer und übergewichtige Frauen sind sozioökonomisch benachteiligt
13.03.2016 Laut einer in der Zeitschrift BMJ veröffentlichten Studie der Universität Exeter sind Übergewicht bei der Frau und eine geringe Körpergröße beim Mann mit geringeren Chancen im Leben – in Beruf, bei Einkommen, akademischer Laufbahn – verbunden.
Die Ergebnisse stellen bislang die stärksten Belege zur Verfügung, dass übergewichtige Menschen, besonders Frauen, sozioökonomische Nachteile haben – und dass größere Leute, insbesondere bei den Männern, einen sozioökonomischen Vorteil erhalten.
Bild: Peggy und Marco Lachmann-Anke
Es ist bekannt, dass ein höherer sozioökonomischer Status mit einer besseren Gesundheit und einem längeren Leben zusammenhängt. In entwickelten Ländern ist eine hohe Körpergröße und eine schlanke Statur mit dem höheren sozioökonomischen Status verbunden, aber die Richtungen dieser Verbindungen sind noch unklar.
Um diese wechselseitigen Wirkungen besser zu verstehen, untersuchte das Team von Professor Timothy Frayling, ob genetische Varianten – die Körperhöhe oder BMI beeinflussen – eine direkte (kausale) Rolle beim sozioökonomischen Status spielen.
Mendel-Randomisierung der Gen-Varianten
Sie analysierten die genetischen Varianten mit bekannten Effekten auf die Körperhöhe und den Körpermassenindex (BMI) von 119.000 Personen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren der UK Biobank – einer Datenbank mit biologischen Informationen von einer halben Million britischen Erwachsenen – und benutzten eine Technik namens Mendel-Randomisierung (Entsprechung zur randomisierten klinischen Studie).
Die Verwendung genetischer Informationen auf diese Weise vermeidet einige der Probleme, die Beobachtungsstudien haben; die Ergebnisse sind weniger anfällig für Beeinflussungen und nicht messbare Störfaktoren, und deshalb ist diese Methode auch zuverlässiger.
Es wurden fünf Maße des sozioökonomischen Status bewertet: Alter beim Abschluss der Vollzeit-Schulausbildung, Abschluss-Niveau der akademischen Ausbildung, Job-Klasse, jährliches Haushaltseinkommen und Townsend-Deprivation-Index (ein anerkannter sozialer Deprivationsscore = Zustand/Status der Benachteiligung).
Die Analysen wurden getrennt für Männer und Frauen wiederholt.
Sozioökonomische Unterschiede
Die Ergebnisse zeigen, dass ein kleinerer Wuchs (gemessen über die genetischen Daten) zu einer schlechteren Ausbildung, einem schlechteren Job-Status und geringerem Einkommen besonders bei Männern führt, und dass ein höherer BMI zu weniger Einkommen und größerer Deprivation bei Frauen führt.
Eine Reihe von Faktoren könnten die höhere Statur mit einer höheren gesellschaftlichen Stellung verbinden, obwohl diese Studie nicht in Betracht zog, welche von diesen Faktoren beteiligt ist, erklärten die Autoren. Jedoch vermuten sie, dass komplexe Wechselwirkungen zwischen Selbstwertschätzung, Stigma, positive Diskriminierung, und höherer Intelligenz eine Rolle spielen, sagte Studienautorin Jessica Tyrrell.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Exeter, BMJ; März 2016
Je mehr man hat, desto mehr will man? Höhere soziale Schicht und Verlangen nach Reichtum und Status
18.09.2019 Menschen einer höheren sozialen Schicht haben ein größeres Verlangen nach Reichtum und Status laut einer im European Journal of Social Psychology publizierten Studie.
Zhechen Wang vom Fachbereich Psychologie der Universität Queensland und Kollegen untersuchten anhand der Umfrageergebnisse von mehr als 175.000 Menschen, wer sich eher Reichtum und Status wünscht: eher wohlhabendere oder ärmere Menschen.
Das deutet darauf hin, dass wirtschaftliche Ungleichheit nicht nur auf die inadäquaten Bestrebungen von Menschen der unteren Klasse zurückzuführen ist, einen höheren sozioökonomischen Status zu erringen. Sie sind auch auf die unersättliche Gier der Reichen zurückzuführen, mehr anzuhäufen, schreiben die Psychologen.
Besitz definiert Identität
Die psychologischen Befunde zeigen, dass wohlhabende Menschen sich über ihren Besitz definieren und eine größere Bedrohung für ihre Identität erlebten, wenn sie Gefahr liefen, ihn zu verlieren.
In Zeiten von Wirtschaftskrise und Turbulenzen laufen wohlhabende Menschen eher Gefahr, nicht nur Geld, Macht und Status, sondern auch ihre Identität und ihr Selbstbewusstsein zu verlieren, schließen die Psychologen.
Gier nach materiellen Belohnungen und Positionen
Es gibt einen sich selbst verstärkenden Zyklus der sozialen Klasse, in dem die Reichen – weil sie sich durch Reichtum und Status definieren – nach mehr Reichtum und Status streben, was den Status quo aufrechterhält bzw. die wirtschaftliche Ungleichheit verstärkt, sagt Koautorin Jolanda Jetten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Oberschicht mehr auf materielle Belohnungen und Positionen ausgerichtet ist als die Menschen der unteren sozialen Klasse.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: European Journal of Social Psychology – DOI: 10.1002/ejsp.2620
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