Neuronale Reaktivität auf soziale Bestrafung sagt künftige nicht-suizidale Selbstverletzungen bei von Gleichaltrigen abgelehnten Jugendlichen voraus
06.01.2023 Selbstverletzendes Verhalten ohne Todesabsicht, d. h. nicht-suizidale Selbstverletzung (NSSI), nimmt beim Übergang von der Kindheit zur Adoleszenz dramatisch zu und wächst in den Teenagerjahren weiter an. Obwohl NSSI häufig mit emotionaler Reaktivität in Verbindung gebracht wird und als Reaktion auf belastende soziale Erfahrungen auftreten kann, ist die Wahrscheinlichkeit für selbstverletzendes Verhalten bei einigen Jugendlichen größer als bei anderen.
Wie sowohl emotionale als auch sozial-umweltbedingte Anfälligkeiten bei Individuen zusammenwirken können, um das Entwicklungsrisiko für Selbstverletzungen zu erhöhen, ist noch unbekannt.
In einer neuen in der Zeitschrift Biological Psychiatry veröffentlichten Längsschnittstudie wurden nun die neuronalen Korrelate und andere Risikofaktoren für selbstverletzendes Verhalten wie NSSI untersucht, deren Verständnis dazu beitragen könnte, die Resilienz von Kindern gegen selbstverletzendes Verhalten zu stärken.
Für die Studie untersuchten Forscher der University of North Carolina in Chapel Hill unter der Leitung von Olivia H. Pollak die Reaktivität von Jugendlichen in einem Gehirnareal namens Amygdala, das mit emotionaler Reaktivität und Sensibilität für das soziale Umfeld, einschließlich Belohnung und Bestrafung, in Verbindung gebracht wird.
Amygdala-Reaktivität
Die 125 Teilnehmer führten eine Aufgabe durch, bei der sie eine Bestrafung durch Gleichaltrige (ein finsteres Gesicht) erwarteten und zu vermeiden suchten und eine soziale Belohnung (ein lächelndes Gesicht) erwarteten und zu erlangen suchten, während sie sich eines Hirnscans unterzogen. Die Teilnehmer füllten im Jahr der Untersuchung und ein Jahr später erneut einen Fragebogen aus, um vergangenes NSSI-Verhalten zu ermitteln. Die Jugendlichen stuften auch ihre Gleichaltrigen (aus einer Klassenliste) als solche ein, die sie am meisten und am wenigsten mochten – eine etablierte Bewertung der sozialen Präferenz, die reale Erfahrungen mit der Akzeptanz und Ablehnung durch Gleichaltrige erfasst.
Die Forscher fanden heraus, dass eine stärkere Amygdala-Reaktivität während der Erwartung sozialer Bestrafung ein Jahr später eine größere Selbstverletzungsaktivität bei Jugendlichen mit geringerer sozialer Präferenz der Gleichaltrigen vorhersagte. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Jugendliche, die sowohl empfindlicher auf die Aussicht auf soziale Bestrafung reagieren als auch größere soziale Widrigkeiten in ihrem realen Peer-Netzwerk erleben, ein erhöhtes Risiko für künftige Selbstverletzungen haben könnten.
Erstautorin Olivia H. Pollak sagte: „Klinisch gesehen deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Vermittlung von Fähigkeiten zur Emotionsregulation und die Förderung prosozialer Interaktionen mit Gleichaltrigen vor selbstverletzendem Verhalten in der Adoleszenz schützen können.“
© Psylex.de – Quellenangabe: Biological Psychiatry – DOI: 10.1016/j.biopsych.2022.09.030
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