ADHS: Diagnose (Diagnostik)

ADHS-Diagnose durch Augenbewegungen

16.08.2014 Eine neuartige und zuverlässigere Methode, um Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu diagnostizieren, könnte bald zur Verfügung stehen.

In einer neuen Studie der American Friends of Tel Aviv University konnten unwillkürliche Augenbewegungen recht genau das Vorhandensein von ADHS, als auch die Wirksamkeit von Stimulanzien zur Behandlung der Störung, festgestellt werden.

ADHS ist die am häufigsten diagnostizierte – und fehldiagnostizierte – Verhaltensstörung bei Kindern.
Es gibt keinen zuverlässigen physiologischen Marker, um ADHS zu diagnostizieren. Ärzte diagnostizieren die Störung im Allgemeinen über die medizinische und soziale Geschichte des Patienten und der Familie, die Erörterung möglicher Symptome und die Beobachtung des Verhalten des Patienten.

Diagnosewerkzeug TOVA

Jedoch kann eine falsche Diagnose zu einer Behandlung mit Ritalin (Methylphenidat) führen.

„Wir hatten zwei Ziele bei unserer Forschung“, sagte Moshe Fried, der selbst mit ADHS diagnostiziert wurde.

  1. „Das erste war, ein neues Diagnosewerkzeug für ADHS zu liefern, und
  2. das zweite: Testen, ob ADHS-Medikamente wirklich funktionieren; und wir stellten fest, dass sie es tun.“

Eyetracking bei ADHS
Bild: ricardomaia (openclipart)

In der Studie verwendeten die Forscher ein Eye-Tracking-System, um die unwillkürlichen Augenbewegungen von zwei Gruppen mit je 22 Erwachsenen im computergestützten Diagnose-Test TOVA (Test of Variables of Attention) zu überwachen. Die erste Gruppe – mit ADHS diagnostizierte Erwachsene – machte den Test einmal ohne Medikament und dann unter Methylphenidat.

Eine zweite Gruppe, nicht mit ADHS diagnostiziert, bildete die Kontrollgruppe. Es gab einen bedeutenden Unterschied zwischen den beiden Gruppen und den beiden Testumgebungen.

Wirksamkeit von Metylphenidat

Die Forscher fanden einen direkten Zusammenhang zwischen ADHS und der Unfähigkeit, Augenbewegungen bei der Erwartung von visuellen Stimuli zu unterdrücken.

Die Befunde stellten bei den Teilnehmern auch eine Leistungssteigerung durch die Einnahme von Methylphenidat fest, das die Unterdrückung von unwillkürlichen Augenbewegungen zum mittleren Niveau der Kontrollgruppe normalisierte.

Der Test

„Dieser Test ist kostengünstig und leicht bedienbar, was es zu einem praktischen und narrensicheren Werkzeug für medizinische Berufstätige macht“, sagte Fried.

„Mit anderen Tests können Sie Fehler machen, absichtlich oder nicht. Aber unser Test kann nicht getäuscht werden. Die Augenbewegungen, die von diesem Test festgehalten werden, sind unwillkürlich, was es zu einem verlässlichen physiologischen Marker für ADHS macht.“

„Unsere Studie konnte auch zeigen, dass Methylphenidat funktioniert. Es ist sicher kein Placebo, wie manche nahelegen.“

Die Forscher führen gegenwärtig weitere Versuche mit größeren Kontrollgruppen durch, um weitere Anwendungen für den Test zu erkunden.

© PSYLEX.de – Quelle: Vision Research / American Friends of Tel Aviv University, August 2014

Retina-Hintergrundrauschen: Objektive Diagnose bald möglich?

09.04.2015 Eine in PLOS ONE veröffentlichte Studie benutzte eine bereits gängige Messmethode, um einen wichtigen Prozess bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu messen: das Hintergrundrauschen von Nervenzellen.

Hintergrundrauschen

Dieses ‚Hintergrundrauschen‘ entsteht, wenn Nervenzellen reizunabhängig Aktivität zeigen.

Die Forscher der Universität Freiburg konnten mit einer – beim Grünen Star bereits angewandten – Messmethode (mit dem sogenannten Schachbrett-Muster-Elektroretinogramm – Muster-ERG) feststellen, dass bei Menschen mit ADHS das Hintergrundrauschen in der Netzhaut verstärkt war.

Bild: Tobias Dahlberg (pixabay)

Die Wissenschaftler maßen die Ganglienzellenaktivität in der Retina von 20 Erwachsenen mit und 20 ohne ADHS während sich diese auf einem Monitor ein Schachbrettmuster mit rasch wechselnden Hell-Dunkel-Bereichen ansahen.

Ursache für ADHS?

„Wir fanden klare Hinweise, dass die mangelnde Aufmerksamkeit bei ADHS mit verstärktem Hintergrundrauschen in der Netzhaut einhergeht“, sagt Prof. Dr. Ludger Tebartz van Elst vom Universitätsklinikum Freiburg.

Auch deutet der Zusammenhang eines (auch bei ADHS vorgefundenen) Mangels an Dopamin im Gehirn und ein erhöhtes Hintergrundrauschen ebenfalls auf die Hypothese einer stimulusunabhängigen Aktivität bei ADHS, die bislang aber noch nicht durch Befunde gestützt werden konnte.

„Die Ergebnisse stützen unsere Annahme, dass das Hintergrundrauschen der pathophysiologische Mechanismus ist, der dem ADHS zugrunde liegt“, fügte er hinzu.

Bereits in Tiermodellen zeigte das Arzneimittel Methylphenidat eine Verringerung des Rauschens und damit seine Wirksamkeit.

Autor Dr. Emanuel Bubl sagte, dass es nun zum ersten Mal möglich sein könnte, ADHS durch einen körperlichen Hinweis objektiv zu messen.

Er hoffe, dass dadurch zukünftig Diagnose und Behandlung verbessert werden können (z.B. die unmittelbare Messung der Wirkung von Medikamenten wie Methylphenidat und von Psychotherapien).

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Freiburg, PLOS ONE; April 2015

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