Exposition, Konfrontation: Angst, Angststörung, Phobie
Psychische Störungen
Behandlung von Phobien: Unbewusste Exposition wirksamer als bewusste Konfrontation?
Weniger ist mehr bei der Exposition gegenüber angstbesetzten Stimuli.
09.02.2017 Eine neue psychologische Studie hat herausgefunden, dass die Exposition gegenüber phobischen Bildern ohne bewusste Wahrnehmung effektiver die Angst (Angststörung) verringert als eine anhaltende, bewusste Konfrontation.
Obwohl die Forscher eine Aktivierung der neuronalen – Angst verarbeitenden – Regionen erwarteten (und beobachteten), zeigten sich auch Aktivitäten in Gehirnregionen, die die emotionalen und Verhaltensreaktionen auf Angst verarbeiten, und so das bewusste Erleben von Angst verringern.
Auch wenn ‘Phobie’ oft als irrationale Angst definiert wird, haben viele Stimuli, die eine phobische Reaktion hervorrufen, tatsächlich eine evolutionäre Basis, die den Menschen biologisch vorbereitet, sie zu fürchten.
Spinnenphobie
Für die aktuelle im Fachblatt Human Brain Mapping veröffentlichte MRT-Studie benutzten die Psychologen von der State University of New York Spinnen – ein weit verbreiteter Angst-Stimulus.
An der Studie nahmen 21 Spinnenphobikerinnen und 21 Kontrollteilnehmerinnen ohne Arachnophobie (pathologische Angst vor Spinnen) teil – alles junge erwachsene Frauen. Frauen wurden ausgewählt, weil frühere Forschungsarbeiten gezeigt hatten, dass 75 bis 80 Prozent aller Menschen mit Phobien Frauen sind.
Alle Teilnehmerinnen wurden drei Bedingungen unterzogen: Sie schauten sich Fotos an,
- die nicht mit Phobien verknüpft waren (Blumen) oder
- Phobien-auslösende Fotos (Spinnen), wobei ihre Exposition gegenüber den phobischen Fotos sehr kurz (ohne bewusste Wahrnehmung) oder
- länger (klar sicht- und wahrnehmbar) war.
Rückwärtsmaskierung
Die sehr kurze Exposition wurde durch eine als Rückwärtsmaskierung bekannte Technik erreicht, bei der das Zielbild sehr kurz gezeigt wird und dann die Erkennung des Zielbildes sofort durch das Zeigen eines neutralen Bildes bzw. der ‘Maske’ verhindert wird.
Bei den Phobikerinnen aktivierte die sehr kurze Exposition gegenüber den Spinnenbildern stark die subkortikalen Gebiete des an der unmittelbaren Angst-Verarbeitung beteiligten Gehirns.
Keine bewusste Angst
Trotzdem verspürten sie nicht bewusst Angst; anscheinend weil die sehr kurzen Expositionen auch Gehirngebiete aktivierten, die die Angst regulieren. Die klare, bewusste Konfrontation mit den Spinnenabbildungen schaltete im Vergleich dazu Gebiete des Gehirns aus, die die Angstreaktionen regulieren – inklusive das bewusste Erleben von Angst.
Kontraintuitiv zeigt damit die Studie, dass das Gehirn besser in der Lage ist, angstbesetzte Stimuli zu verarbeiten, wenn sie ohne bewusste Wahrnehmung präsentiert werden, sagte Studienautor Paul Siegel vom Fachbereich der Psychologie.
Die Befunde legen nahe, dass phobische Menschen möglicherweise besser ihren Ängsten gegenübertreten können, wenn sie deren zuerst nicht bewusst sind, sagte er.
Der Psychologe fügte hinzu, dass er Potential für diese Technik vor allem bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen sieht. Gegenwärtige Therapien beruhen auf der direkten Konfrontation mit dem gefürchteten Stimulus, was für junge Leute bedeutsame emotionale Qualen bedeuten können.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: State University of New York, Human Brain Mapping, DOI: 10.1002/hbm.23533; Feb. 2017
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