Depressive Menschen benutzen andere Wörter
08.02.2018 Eine aktuelle im Fachblatt Clinical Psychological Science veröffentlichte Studie von Mohammed Al-Mosaiwi und Tom Johnstone vom Fachbereich Psychologie der Universität Reading untersuchte mit Hilfe einer Textanalyse, inwiefern Menschen mit Depressionen die Sprache anders – bzw. welche Wörter sie – benutzen.
Wörter negativer Emotionen
Es wird niemanden überraschen zu erfahren, dass Menschen mit depressiven Symptomen übermäßig viele Wörter verwenden, die negative Emotionen vermitteln, insbesondere negative Adjektive und Adverbien – wie „einsam“, „traurig“ oder „unglücklich“.
Selbstfokussierte Pronomen
Bild: PublicDomainPictures (pixabay)
Interessanter ist die Verwendung von Pronomen (auch Fürworte genannt). Depressive Menschen verwenden deutlich mehr Singularpronomen der ersten Person – wie „ich“, „mich“, „mein“ und „mir“ – und deutlich weniger Pronomen der zweiten und dritten Person – wie „du“, „sie“ oder „ihr“.
Dieses Muster des Pronomengebrauchs legt nahe, dass Menschen mit Depressionen mehr auf sich selbst fokussiert und weniger mit anderen verbunden sind. Psychologen konnten zeigen, dass Pronomen tatsächlich zuverlässiger bei der Identifizierung von Depressionen als Worte negativer Emotionen sind.
Das Sprachlabor führte vor kurzem eine große Datentextanalyse von mehr als 60 verschiedenen Online-Foren zur psychischen Gesundheit durch und untersuchte über 6.000 Mitglieder.
Absolute Wörter
Absolute Wörter, absolute Adjektive – die semantisch keine Steigerungen erlauben bzw. absolute Größenordnungen oder Wahrscheinlichkeiten vermitteln, wie „immer“, „nichts“ oder „vollständig“ – erwiesen sich als bessere Marker für Foren zur psychischen Gesundheit als Pronomen oder Ausdrücke negativer Emotionen.
Die Psychologen hatten gleich vermutet, dass Menschen mit Depressionen eher eine schwarz-weiße Sicht der Welt haben werden, und dass sich dies in ihrem Sprachstil manifestieren würde. Im Vergleich zu 19 verschiedenen Kontrollforen (z.B. Mütterforen oder Studentenforen) war die Auftretenshäufigkeit absoluter Wörter in Angst- und Depressionsforen um ca. 50% höher und in Suizidforen um ca. 80 % höher.
Pronomen produzierten ein ähnliches Verteilungsmuster wie absolute Wörter in den Foren, aber der Effekt war geringer. Im Gegensatz dazu waren negative Emotionswörter paradoxerweise in Selbstmordgedanken-Foren weniger verbreitet als in Angst- und Depressionsforen.
Sprache der Genesung
Die Forschungsstudie analysierte auch die Sprache in ‚Genesungsforen‘, in denen Mitglieder, die sich von einer depressiven Episode erholt fühlen, positive und ermutigende Beiträge über ihre Genesung schreiben.
Hier fanden die Psychologen heraus, dass negative Emotionswörter auf vergleichbarem Niveau verwendet wurden im Vergleich zu den Kontrollforen, während positive Emotionswörter etwa um ca. 70 % erhöht vorkamen. Dennoch blieb die Häufigkeit absoluter Wörter signifikant höher als die der Kontrollen, aber etwas niedriger als in Angst- und Depressionsforen.
Entscheidend ist, dass diejenigen, die zuvor depressive Symptome hatten, diese mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder haben werden. Daher ist ihre stärkere Tendenz zu unumschränktem Denken, auch wenn es keine Symptome einer Depression gibt, ein Zeichen dafür, dass sie eine Rolle bei der Entstehung depressiver Episoden spielen kann.
Der gleiche Effekt tritt auch bei der Verwendung von Pronomen auf, jedoch nicht bei negativen Gefühlswörtern.
Praktische Auswirkungen
Die Sprache der Depression zu verstehen kann verständlich machen, wie Menschen mit depressiven Symptomen denken, aber es hat auch praktische Auswirkungen auf Früherkennung, Diagnostik und Therapie, schließen die Wissenschaftler.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Reading; Clinical Psychological Science – DOI: 10.1177/2167702617747074; Feb. 2018
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Interessant ist, dass wir bei Unterhaltungen mit unserer Tochter tatsächlich immer wieder auf Adjektive stoßen, die es uns als Eltern schwer machen sie zu widerlegen. Dennoch achte ich sehr auf ihre Wortwahl um herauszufinden, wie Ernst die Lage ist. Solange sie kommt und davon spricht, dass sie nicht mehr will, nicht mehr kann und sie suizidal ist, dann wird nichts passieren. Dies tatsächlich alles in der Ich Form. Wenn sie jedoch liebliche Worte benutzt und sagt, dass sie uns liebt, sind wir in allerhöchste Alarmbereitschaft. Dies deckt sich schon mit den weniger negativen Pronomen in Suizidforen.
Eine Gratwanderung ist es allemal, aber eine Studie dieser Art würde Eltern sehr helfen den Zustand einschätzen zu können und dementsprechend zu handeln und miteinander zu leben. Unsere Tochter leidet seit zwei Jahren akut an Depressionen. Allein lassen mag man sie nicht und es schränkt das Familienleben stark ein, selbst wenn man nur zur Arbeit geht, man hält es kaum aus.Kein Mensch möchte seine Lieben verlieren. Aber das Leben wird auch für uns schwarz und weiß und Worte werden übermächtig.