Rückschaufehler: Depressivität überschattet Vergangenheit und Gegenwart
16.08.2017 Depressive Menschen haben eine besondere Sicht auf Vergangenes – anstatt die „guten alten Tage“ zu verherrlichen, projizieren sie ihre allgemein düsteren Aussichten auf vergangene Ereignisse laut einer neuen Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Universität Portsmouth.
Depressive sehen die Gegenwart und die Zukunft eher negativ, das ist bekannt, aber nun zeigt zum ersten Mal eine im Fachblatt Clinical Psychological Science publizierte Forschungsarbeit, dass Depressionen auch einen langen Schatten über die Erinnerungen der Menschen an die Vergangenheit werfen.
Hindsight Bias (Rückschaufehler)
Die in der Studie hergestellte Verbindung zwischen dieser Hindsight Bias (Rückschaufehler) umfasst drei Kernelemente:
- Übertriebene Wahrnehmungen der Vorhersehbarkeit – wir denken, wir wussten, wie sich die Ereignisse entwickeln würden.
- Unvermeidlichkeit – es hatte so geschehen müssen.
- Erinnerungsfehler / Gedächtnisverzerrung – fehlerhaftes Erinnern, dessen was wir dachten, als wir bereits wussten was geschah.
Rückschaufehler wurden bereits in verschiedenen Settings untersucht, wie z.B. Sportveranstaltungen, politische Wahlen, medizinische Diagnosen oder finanzielle Anlagestrategien – aber noch nicht bei depressiven Störungen.
Bild: George Hodan
Studienautor Dr. Hartmut Blank vom Fachbereich Psychologie der Universität Portsmouth sagt: Jeder ist anfällig für Rückschaufehler, aber es nimmt eine sehr spezifische Form bei depressiven Störungen an.
Während nicht-depressive Menschen eher dazu neigen, Rückschaufehler bei positiven Ereignissen – aber nicht bei negativen – zu zeigen, kann man bei depressiven Menschen eher das umgekehrte Muster beobachten.
Gefühl der Hilflosigkeit und fehlenden Kontrolle
Die Dinge schlimmer machen als sie sind; Depressive sehen auch negative Ereignisse als vorhersehbar und unvermeidlich – eine schlimme Kombination, die das Gefühl von Hilflosigkeit und fehlender Kontrolle verstärkt, was bereits das Erleben von Menschen mit Depressionen charakterisiert.
Jeder erlebt Enttäuschungen und Bedauern von Zeit zu Zeit und dies hilft uns, uns anzupassen, zu wachsen und bessere Entscheidungen zu treffen. Aber depressive Menschen haben große Probleme damit, negative Gefühle und Rückschaufehler zu kontrollieren, wodurch ein trostloser Zyklus aufgebaut wird, schreiben die Psychologen.
Die falschen Lehren der Vergangenheit
Sie konnten zeigen, dass Hindsight-Bias eine weitere Belastung für depressive Menschen darstellt, und sie ‚lernen‘ lässt, die falschen Lehren aus der Vergangenheit aufrechterhalten.
Die Psychologen testeten über 100 Teilnehmer, wobei diese unter leichter bis schwerer Depression litten.
Die Teilnehmer sollten sich eine Reihe von alltäglichen Szenarien mit positivem oder negativem Ausgang vorstellen (aus verschiedenen Bereichen des Alltags: z.B. Arbeit, Schule, Familie, Freizeit, soziale und romantische Szenarien).
Für jedes Szenario erfassten die Forscher dann die Werte der Rückschaufehler (Vorhersehbarkeit, Unvermeidlichkeit und Gedächtnisfehler der ersten Erwartungen).
Spezifisches Rückschaufehler-Muster
Die Ergebnisse zeigten, dass mit zunehmender Schwere der Depression ein spezifisches Rückschaufehler-Muster auftauchte – übertriebene Vorhersehbarkeit und Unvermeidlichkeit von negativen (aber nicht positiven) Ereignisausgängen sowie eine Tendenz, die anfänglichen Erwartungen im Einklang mit den negativen Ergebnissen falsch zu berücksichtigen.
Charakteristischerweise war dieser „depressive Rückschaufehler“ stark mit klinischen Werten des depressiven Denkens verbunden, was darauf hindeutet, dass es Teil einer allgemeinen negativen Weltanschauung bei Depressionen ist.
Blank sagte, dies sei nur eine erste Studie, um die wichtige Rolle des Rückschaufehlers in der Depression zu erforschen, weitere Forschungsarbeiten müssen folgen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Clinical Psychological Science; Aug. 2017
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