Veränderte Zeitwahrnehmung und Zeitverarbeitung bei Schizophrenen
31.05.2017 Eine im Fachblatt Clinical Psychology Review veröffentlichte Studie von Psychologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz untersuchte die Forschungsdaten zur Zeitwahrnehmung und Verarbeitung von Zeit-bezogenen Informationen von 957 schizophrenen Teilnehmern aus knapp 70 Studien.
Das Zeitgefühl, die Zeitwahrnehmung und Einschätzung der Zeit bei Menschen mit Schizophrenie ist verändert im Vergleich zu gesunden Menschen laut den Ergebnissen der Metastudie.
Damit unterstützen die Befunde die Theorie, dass Schizophrenie verbunden ist mit einer fehlerhaften zeitlichen Informationsverarbeitung, wodurch Symptome wie das Auftreten von Halluzinationen oder das Aufbrechen von zusammengehörenden Gedanken und Handlungen erklärt werden könnten.
Zeitwahrnehmung und zeitliche Verarbeitung
Bild: Gerd Altmann
Die Psychologen Sven Thönes und Dr. Daniel Oberfeld-Twistel definierten in ihrer Studie „Zeitwahrnehmung“ mit der „Beurteilung eines Zeitraums“ (z.B. wie lange ein Gegenstand auf einem Computerbildschirm zu sehen ist) und „zeitliche Verarbeitung“ mit der „Abfolge von Ereignissen“ (z.B. ob zuerst ein blauer und dann ein roter Gegenstand zu sehen war oder umgekehrt).
Die Befunde zeigten, dass die Zeitwahrnehmung und zeitliche Verarbeitung bei Personen mit Schizophrenie deutlich gestört war.
Im Vergleich zu den gesunden Kontrollteilnehmern unterlagen die Zeiteinschätzungen der schizophrenen Teilnehmer größeren Schwankungen: Z.B. wurde das Zeitintervall bei der (20-maligen) Betrachtung eines Quadrates unterschiedlicher eingeschätzt, obwohl die Dauer der Einblendung immer dieselbe war.
Interessanterweise war der mittlere Wert der eingeschätzten Zeitdauer aber bei beiden Teilnehmergruppen gleich groß, schreiben die Psychologen.
Die innere Uhr
Die innere Uhr tickt bei Schizophrenen also nicht langsamer oder schneller, sagen die Forscher; sie tickt bloß nicht konstant. Der Rhythmus der inneren Uhr ist ungleichmäßiger.
„Man geht heute davon aus, dass die Verarbeitungsprozesse bei Schizophrenie beeinträchtigt sind, dass die Informationsübertragung im Gehirn etwas aus dem Takt geraten ist“, sagt Oberfeld-Twistel. Dadurch könnte erklärt werden, warum eine klare zeitliche Abfolge nicht von den Schizophrenie-Patienten als solche empfunden wird.
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Außerdem legt die Forschungsarbeit nahe, dass einige Punkte dieses Zusammenhangs noch nicht völlig verstanden und zukünftig erforscht werden sollten. So ist die Einflussnahme von Medikamenten und der chemischen Botenstoffe im Gehirn – den Neurotransmittern – noch unklar, schließen die Psychologen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Clinical Psychology Review – DOI: 10.1016/j.cpr.2017.03.007; Mai 2017