Die Sammelbezeichnung Zeitwahrnehmung umfasst Begriffe der kognitiven Psychologie, wie: Zeitgefühl, Zeitsinn, Zeiterfahrung (Gleichzeitigkeit/Nacheinander), Subjektive Zeit oder Zeitqualität.
- Zeit vergeht schneller, wenn man runterzählt
- Wie erfahren wir Zeit
- Facebook verändert die Zeitwahrnehmung
- Die Zeit vergeht zu schnell? Dann sollte man sich an die Vergangenheit erinnern.
- Zeitwahrnehmung, Zeitgefühl bei Depression
- Zeitwahrnehmung, Zeitgefühl bei Schizophrenie
- Die innere Uhr des Menschen
- Zeitdruck
- Weitere News-/Forschungsartikel dazu
Zeit vergeht schneller, wenn man runterzählt
Wenn man während einer Aufgabe bspw. von 100 auf eins runterzählt, dann nimmt man die Zeit als kürzer wahr, als wenn von eins auf 100 hochgezählt würde.
Bild: Kanzeluhr: gemahnte den Pfarrer
zur Einhaltung der Predigtzeiten
Forscher der New York University führten Versuche durch, in denen Teilnehmer verschiedene Aufgaben erledigen sollten (z.B. ein Trainingsgerät mit der Hand betätigen oder geometrische Figuren auf einem Computerbildschirm zählen).
Sie stellten fest, dass die Teilnehmer eine positivere Einstellung zum Produkt entwickelten und eher bereit waren es zu kaufen, wenn sie runter- statt hochzählten.
Die Forscher sagen, dass mehrere Schlüsse gefolgert werden könnten:
- Menschen wären eher bereit, körperliche Aktivitäten auszuführen, wenn sie runterzählen, weil sie die Aufgabe als weniger belastend empfänden.
- Umgekehrt könnten gestresste, aufgeregte Menschen versuchen hochzuzählen (z.B. Schäfchen zählen bei Einschlafproblemen), um die Wahrnehmung der Entspannung zu steigern.
„Diese Befunde könnten auch bei Problemen wie Übergewicht oder Zahnhygiene helfen“, erklärt Morwitz. „Runterzählen kann die Zeitwahrnehmung verkürzen und die Einstellung gegenüber monotonen Aufgaben und gesunden Verhaltensweisen, wie körperliche Bewegung und Zähneputzen, verbessern.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: New York University; Dez. 2013
Wie erfahren wir Zeit
Wie Menschen die Zeit erfahren, könnte von der Art abhängen, wie sie Ursache und Wirkung wahrnehmen, zeigen neue Forschungsergebnisse der Universität Cardiff.
Kausalität bEinflusst Zeitwahrnehmung
Bild: Zeitwahrnehmung durch
eine Form von Camembert cracheur
Dr. Marc Buehner vom Fachbereich Psychologie prüfte, wie kausale Vorstellungen – ein Ding führt zu einem anderen (zum Beispiel: einen Schalter umlegen und ein Licht geht an) – die Wahrnehmung von Zeit beeinflusst.
Als Teil der Forschung wurden Teilnehmer darum gebeten vorherzusagen, wann ein Licht angehen würde. In einem Teil der Studie ging dem (Ziel-)Licht ein Signallicht voraus; in zwei weiteren Teilen drückten die Teilnehmer entweder auch einen Knopf, um das (Ziel-)Licht anzumachen, oder eine separate Maschine drückte dafür den Knopf.
Die Ergebnisse zeigten, dass Voraussagen in der ersten Gruppe, wann das Licht aufblinken würde, bedeutend später als bei jenen in den anderen zwei Gruppen kamen, obwohl die Intervalle genau die gleichen waren.
Der kausale Zusammenhang beeinflusst Wahrnehmung und Motorik
In diesen Gruppen hatte der kausale Zusammenhang, der bei den Teilnehmern im Gehirn entstand, ihre Wahrnehmungs und ihre motorische Planung geändert – die Zeit erschien kürzer zwischen der Ursache (Knopf selbst drückend oder eine Maschine tat dies) und der Wirkung (Licht geht an).
Systematische Verzerrungen
Über die Ergebnisse sprechend, sagte Dr. Buehner: „Hier zeigen wir, dass Wahrnehmungen je nach den kausalen Vorstellungen der Leute systematischen Verzerrungen unterworfen sind – wenn Menschen glauben, dass sie, oder jemand oder etwas anderes, verantwortlich sind, scheint Zeit schneller zu vergehen.
Im Kontrast dazu: nur zu wissen, dass etwas passiert – ohne Kausalität – ändert nicht die Zeitwahrnehmung.“
Dr. Buehner glaubt, dass diese Befunde praktische Auswirkungen auf Usability-Ingenieure und Interface-Designer haben können.
Die Forschung wurde vom Engineering and Physical Sciences Research Council und dem Experimental Psychology Society finanziert.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Psychological Science, Nov. 2012
Facebook verändert die Zeitwahrnehmung
08.02.2017 Die Aktualisierung des Facebook-Status kann ein spaßiger Weg sein, um die Zeit zu vertreiben – aber es scheint so, dass es uns wirklich die Zeit vergessen lässt laut einer Studie des Fachbereichs für Psychologie von der Universität Kent.
Die neue im Fachblatt Journal of Applied Social Psychology veröffentlichte Studie legt nahe, dass die Nutzer von Facebook und die Surfer im Web ein beeinträchtigtes Zeitgefühl haben.
Bild: Gerd Altmann
Die Psychologen fanden heraus, dass die veränderte Zeitwahrnehmung davon abhängt, ob die Internetnutzung Facebook-spezifisch war oder eher das Internet generell betraf.
Innere Uhr
Mit gut-etablierten inneren Uhr-Modellen versuchten die Forscher, die Rollen von ‚Aufmerksamkeit‘ und ‚Erregung‘ als Treiber für die Zeitverzerrung zu unterscheiden. Es zeigte sich, dass Facebook-verknüpfte Stimuli zu einer Unterschätzung der Zeit im Vergleich zum allgemeinen Internetgebrauch führen können, aber dass beide zu einer Verzerrung der Zeit führten.
In der Studie überwachten die Psychologen Lazaros Gonidis und Dinkar Sharma die Reaktionen von 44 Menschen, denen 20 Bilder für eine unterschiedliche Zeitdauer gezeigt wurden. Fünf der Bilder waren mit Facebook verknüpft, fünf hatten einen allgemeineren Internetbezug und weitere zehn waren neutrale Kontrollbilder.
Die Teilnehmer sollten sagen, ob das gesehene Bild für kurze oder längere Zeit sichtbar gewesen war.
Zeitschätzung
Der Schlüsselbefund war: Die Teilnehmer neigten dazu, die Zeit eher zu unterschätzen, wenn sie Facebook-verknüpfte Bilder in einem größeren Ausmaß angeschaut hatten – im Vergleich zu allen anderen Internet-gebundenen Bilder, aber dass in beiden Fällen die Zeit falsch eingeschätzt wurde.
Das legt nahe, dass das Anschauen von Bildern auf Facebook die Zeitwahrnehmung verändert, indem es verändert, wie wir den Bildern Aufmerksamkeit schenken, sagten die Psychologen. Die Ergebnisse werden wahrscheinlich Auswirkungen auf zukünftige Studien zu suchterzeugenden Verhaltensweisen haben, schreiben die Wissenschaftler.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Kent, DOI: 10.1111/jasp.12429; Feb. 2017
Die Zeit vergeht zu schnell? Dann sollte man sich an die Vergangenheit erinnern.
23.03.2019 Eine in Acta Psychologica veröffentlichte psychologische Forschungsarbeit zeigt, dass die Bewertung der Zeitwahrnehmung von den aktuell aktivierten autobiographischen Erinnerungen abhängt.
Ferdinand Kosak vom Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg und Kollegen ließen Teilnehmer bewerten, wie schnell die Zeit in den vorangegangenen fünf Jahren vergangen ist.
Dabei beobachteten die Psychologen, dass Menschen die vergangene Zeit als langsamer einstuften, wenn sie dabei mehrere autobiographische Ereignisse in Erinnerung riefen. Personen, die sich an weniger Ereignisse erinnerten, schätzen die vergangene Zeit kürzer ein.
Mehr als vier Erinnerungen verlängerten das Zeitgefühl bzw. verlangsamten die Zeitwahrnehmung allerdings nicht.
„Aktivierte Erinnerungen haben das Potential, das gefühlt schnelle Zeitvergehen etwas abzumildern. Man muss sich nur seine eigene Vergangenheit ins Gedächtnis rufen“, sagte Kosak.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Acta Psychologica – DOI: 10.1016/j.actpsy.2019.01.003
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