Zeitwahrnehmung bei Depression

Depressive haben eine genauere Wahrnehmung der Zeit

Menschen mit leichter Depression unterschätzen oft ihre Fähigkeiten; Forscher der Hertfordshire Universität zeigen, dass Depressive präziser bei der Einschätzung der Zeit sind.

Negative Sichtweise

Depressive Menschen scheinen oft die Fakten zu verzerren und ihr Leben negativer als nicht-depressive Personen zu betrachten. Gefühle der Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Wertlosigkeit, und sich nicht unter Kontrolle zu haben, sind einige der Hauptdepressionssymptome.

Für diese Menschen scheint Zeit langsam zu vergehen, und sie verwenden oft Phrasen, wie „die Zeit scheint sich dahinzuschleppen“, um ihre Erfahrungen und ihr Leben zu beschreiben. Jedoch haben depressive Personen manchmal eine genauere Wahrnehmung der Realität als ihre glücklicheren Freunde und Familienangehörigen, die sich das Leben oft durch rosagetönte Gläser ansehen und sich oft das Beste erhoffen.

Wahrnehmung der Zeit

Depressiver Realismus

Professor Diana Kornbrot, Forschungsprofessorin für mathematische Psychologie an der Universität von Hertfordshire sagt: „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass depressive Menschen sehr genau darin waren, verstrichene Zeit richtig einzuschätzen, während die Einschätzungen der nicht-depressiven Teilnehmer zu hoch waren. Dies kann daran liegen, weil die leicht-depressiven Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit auf die Zeit richten und weniger auf externe Einflüsse, und deshalb haben sie eine gewisses Klarheit der Gedanken – ein als ‚depressiver Realismus‘ bekanntes Phänomen.“

Einschätzen der Zeit

In der Studie gaben Freiwillige verbale Schätzungen zu den Längen verschiedener Zeitintervalle zwischen 2 und 65 Sekunden ab, und sie ‚produzierten‘ auch ihre eigenen Zeitintervalle. Bei den nicht-depressiven Teilnehmern waren die Zeitintervall-Schätzungen zu hoch; während ihre eigene Produktion der Zeiten im selben Bereich zu niedrig war. Im Gegensatz dazu waren die leicht depressiven Teilnehmer sowohl bei ihren verbalen Zeitschätzungen als auch bei ihren selbst produzierten Zeiten genau.

Professor Kornbrot sagt: „Unsere Befunde könnten möglicherweise etwas zur Behandlung von Menschen mit Depression beitragen. Depressive werden oft ermutigt, sich an der Realität zu überprüfen/messen, aber diese Fähigkeit zur Zeitberechnung kann vielleicht bei der Behandlung von leicht depressiven Menschen helfen. Diese Befunde könnten auch mit erfolgreichen Achtsamkeit-basierten Behandlungen für Depression verbunden werden, die sich auf die Förderung des Bewusstseins auf den Augenblick konzentrieren.“

Quelle: PLOS ONE, August 2013

Zeitwahrnehmung bei Depressiven verlangsamt

04.03.2015 Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz konnten in einer Metastudie Befunde bestätigen, die subjektive Wahrnehmungsunterschiede der Zeit zwischen Depressiven und Nicht-Depressiven nahelegen.

Die Wissenschaftler analysierten die Resultate aus 16 Studien mit mehr als 430 depressiven und knapp 500 nicht-depressiven Teilnehmern.

Zeitwahrnehmung
Bild: Gerd Altmann

Sie konnten vorherige Befunde (s. oben) und die Aussagen vieler Depressiver bestätigen, wonach es diesen oft so vorkommt, als ob die Zeit schleppend langsam vorübergeht oder sich gar nicht zu bewegen scheint.

Die Forscher stellten fest, dass Depressive oftmals eine andere Zeitwahrnehmung hatten und die Zeit als langsamer als die gesunden Teilnehmer wahrnahmen. Sie konnten jedoch bestimmte Zeitintervalle genauso gut einschätzen wie die Nicht-Depressiven.

„Offensichtlich ist das subjektive Gefühl, wie die Zeit vergeht, für depressive Menschen etwas anderes als die tatsächliche Schätzung der Dauer eines externen Ereignisses“, sagten die Psychologen Sven Thönes und Daniel Oberfeld im Journal of Affective Disorders.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Journal of Affective Disorders; März 2015

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Beiträge zu “Zeitwahrnehmung bei Depression”

  1. Doch das stimmt, es kommt nur darauf an, von welcher Sichtweite es gesehen wird. Viele depressive Menschen möchten so schnell wie möglich wieder gesund werden, doch das geht so nicht einfach, und dann hat man das Gefühl: Die Zeit vergeht viel zu schnell und das erzeugt dann noch mehr Depressionen, weil man meint, dass Leben so wie vorher meistern zu müssen.

    Das ist am Anfang bei mir auch so gewesen, bis ich ganz am Ende gewesen bin.

    Heute mache ich eine sinnvolle psychosomatische Therapie, die ganz speziel auf mich persönlich zugeschnitten ist, und genehmige mir ein Medikament, dass man nirgendwo kaufen kann. Das ist Zeit mit viel Geduld, weil ich die ganzen äußerlichen Einflüsse kenne, die andere gar nicht kennen.

  2. Kann ich nicht zustimmen für mich geht die Zeit trotzdem viel zu schnell rum und das macht sich bemerkbar an meiner depressiven Lage

Was denken Sie darüber? Oder haben Sie Erfahrungen damit gemacht?


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