Wie vergleichbar verschiedene Stresstests sind
15.02.2021 Stress lässt sich auf viele Arten auslösen und untersuchen. Aber kommt dabei auch das Gleiche heraus?
Mit vielen verschiedenen Tests untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, was bei Menschen unter Stress im Gehirn vor sich geht. Inwiefern die diversen Methoden, mit denen Probanden unter Stress gesetzt werden, miteinander vergleichbar sind, ist unklar.
In einer Metaanalyse hat ein Biopsychologie-Team der Ruhr-Universität Bochum 31 frühere Studien verglichen, die Stress mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) untersucht hatten. Das Team arbeitete heraus, welche Hirnregionen standardmäßig bei Stress aktiviert sind und welche Stresstests ähnliche Aktivierungsmuster auslösen. Die Ergebnisse beschreiben sie in der Zeitschrift „Neuroscience and Biobehavioral Reviews“, online veröffentlicht am 5. Februar 2021.
Für die Arbeiten kooperierten Gesa Berretz, Dr. Julian Packheiser und Prof. Dr. Sebastian Ocklenburg vom Lehrstuhl für Biopsychologie mit Prof. Dr. Robert Kumsta, Genetische Psychologie, und Prof. Dr. Oliver Wolf, Kognitionspsychologie.
Aktivierungsmuster aus 31 Studien verglichen
„Wir wissen, dass Stress den kompletten Infomationsverarbeitungsweg beeinflusst, also zum Beispiel Aufmerksamkeit, Arbeits- und Langzeitgedächtnis“, sagt Gesa Berretz. „Aber bisher herrscht kein Konsens darüber, wie diese unterschiedlichen Situationen das gleiche Stressgefühl auslösen und was dabei im Gehirn passiert.“
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen, diese Frage zu klären und nutzen verschiedene Verfahren, um Stress bei ihren Versuchsteilnehmern herbeizuführen. Währenddessen messen sie die Gehirnaktivität der Probandinnen und Probanden mittels fMRT. Die Aktivierungsmuster werden in Form von Koordinaten in einem dreidimensionalen Raum angegeben, die die Hirnregionen repräsentieren, die während des Stresstests aktiv waren.
Das Bochumer Team wertete 31 Studien mit der sogenannten Activation-Likelihood-Estimation-Analyse aus. Dabei vergleichen die Forscherinnen und Forscher die Koordinaten der Aktivierungsmuster aus allen Studien und überprüften statistisch, inwieweit sich die Muster ähnelten. Daten von 1.279 Probandinnen und Probanden gingen ein.
Das Ergebnis: Eine Reihe von Hirnarealen, unter anderem die Insula, das Claustrum, der lentiforme Nucleus und der inferiore frontale Gyrus, waren immer aktiviert, egal welcher Stresstest angewendet wurde. „Diese Hirnareale scheinen eine zentrale Rolle bei Stress zu spielen“, resümiert Gesa Berretz.
Die potenzielle Rolle der Hirnregionen bei Stress
Die Insula steht unter anderem in Verbindung mit Schmerz-, Eigen- und sozialer Wahrnehmung und integriert sensorische und interne emotionale Informationen. Darüber hinaus wirkt sie bei der Steuerung der hormonellen Stressreaktion mit. Auch das Claustrum ist für die Integration von verschiedenen Informationen zuständig und ist auch für das Bewusstsein wichtig. Die Aktivierungen dieser Regionen deuten laut den Forschern darauf hin, dass die Studienteilnehmer unter Stress ihre Aufmerksamkeit nach innen auf ihre emotionalen Prozesse richten.
Der inferiore frontale Gyrus ist verantwortlich für semantische und phonologische Verarbeitung sowie für das Arbeitsgedächtnis. „Die Aktivierung kommt vermutlich dadurch zustande, dass viele der Verfahren anstrengende kognitive Aufgaben beinhalten“, nehmen die Autorinnen und Autoren an.
Der lentiforme Nucleus wird mit Bewegung und Koordination in Verbindung gebracht. Im Kontext von Stress ist seine Aufgabe nicht bekannt. „Wir spekulieren, dass akuter Stress zu einer Zunahme der allgemeinen Muskelspannung und zur Vorbereitung auf eine mögliche Kampf-oder-Flucht-Reaktion führt“, erläutert Gesa Berretz.
Zwei Stresstests fallen aus dem Raster
Außerdem ergab die Analyse, dass die verwendeten Verfahren größtenteils konsistente Ergebnisse erzielten und somit gut geeignet scheinen, um Stress zu untersuchen. Lediglich zwei Verfahren, genannt Cyberball und Aversive Viewing, stellten Ausnahmen dar. Beim ersten Verfahren werden Probanden sozial bei einem virtuellen Ballspiel ausgegrenzt.
Das Hirnaktivitätsmuster, das durch diesen Stresstest hervorgerufen wird, zeigte weniger Überschneidungen mit den Aktivitätsmustern anderer Verfahren. Beim Aversive Viewing sehen die Probanden verstörende Filmszenen mit Gewaltinhalten, während sie in der Kontrollbedingung neutrales Filmmaterial gezeigt bekommen. In einigen Experimenten mit diesem Verfahren ergab die Metaanalyse keine Unterschiede zwischen Stress- und Kontrollbedingung. Deshalb ist laut den Forschern bei der Interpretation von Studien mit diesen Verfahren besondere Sorgsamkeit geboten.
Quellenangabe: Ruhr-Universität Bochum
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