Personen mit einem sehr guten autobiografischen Gedächtnis zeigen kein verbessertes kreatives Denken
14.09.2022 Forscher von Universitäten in Italien und den USA untersuchten die Beziehung zwischen Gedächtnis und Kreativität um festzustellen, ob Menschen, die sich an die kleinsten Details ihres Lebens erinnern (hochgradig überlegenes autobiografisches Gedächtnis), möglicherweise eine größere Fähigkeit zum kreativen Denken haben. Die Ergebnisse zeigten keinen Zusammenhang.
Über die Beziehung zwischen Gedächtnis und Kreativität gibt es noch viel zu entdecken, aber man geht davon aus, dass kreative Ideen durch die flexible Neukombination von Konzepten aus dem Gedächtnis entstehen können. Mehrere verhaltens- und neurowissenschaftliche Studien stützen diese Annahme, indem sie eine Verbindung zwischen episodischem Gedächtnis und divergentem Denken nachweisen, das die Grundlage für das Entstehen kreativer Ideen ist.
Die Forscher Sarah Daviddi, William Orwig, Massimiliano Palmiero, Patrizia Campolongo, Daniel L. Schacter und Valerio Santangelo von den Universitäten Perugia, Aquila, Sapienza Rom (Italien) und Harvard (USA) haben sich zusammengetan, um den potenziellen Beitrag des autobiografischen Gedächtnisses zur kreativen Ideenfindung zu analysieren, eine Beziehung, die noch wenig untersucht wurde.
In dem in der Fachzeitschrift Memory veröffentlichten Forschungsbericht erklären die Autoren, dass sie Messungen des divergenten und konvergenten kreativen Denkens in einer Kohorte von 14 außergewöhnlichen Individuen mit einem hoch überlegenen autobiografischen Gedächtnis (Highly Superior Autobiographical Memory, HSAM) durchgeführt haben, die mit einer Kontrollgruppe von 28 anderen Probanden mit einem normalen Gedächtnis verglichen wurden.
Die HSAM-Gruppe absolvierte mehrere Gedächtnisaufgaben und eine Reihe von Kreativitätsmessungen, wie die Alternative Uses Task, die Consequences Task und die Remote Associates Task. Anschließend wurden statistische Analysen durchgeführt, um das Vorhandensein relevanter Unterschiede zwischen der HSAM-Gruppe und der Kontrollgruppe in Bezug auf diese Messungen zu bewerten.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer der HSAM-Gruppe zwar besser in der Lage waren, sich an autobiografische Ereignisse zu erinnern als die Kontrollgruppe, dass aber keine allgemeinen Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf die Kreativitätswerte zu beobachten waren.
Das multidisziplinäre Forscherteam kam daher zu dem Schluss, dass konstruktive episodische Prozesse, die für kreatives Denken relevant sind, bei Personen mit hochgradig überlegenen autobiografischen Gedächtnisleistungen nicht verbessert sind. Eine mögliche Begründung dafür könnte sein, dass sie zwanghaft und eng auf die Konsolidierung und Wiederherstellung autobiografischer Ereignisse ausgerichtet sind.
© Psylex.de – Quellenangabe: Memory (2022). DOI: 10.1080/09658211.2022.2094416