Abweichende emotionale Prosodie-Verschaltung sagt Beeinträchtigungen der sozialen Kommunikation bei Kindern mit Autismus voraus
10.01.2023 Die emotionale Prosodie (Lautstärke, Tempo und Sprechmelodie) liefert akustische Hinweise, die den emotionalen Zustand des Kommunikationspartners widerspiegeln, und ist entscheidend für erfolgreiche soziale Interaktionen.
Kinder mit Autismus haben oft Schwierigkeiten, die emotionalen Signale in den Stimmen anderer Menschen zu verstehen, und jetzt haben Forscher vielleicht den Grund dafür gefunden.
Hirnareal für soziale Kommunikation beteiligt
In einer Studie mit 43 Kindern mit und ohne Autismus konnten die Forscher diese Probleme auf ein bestimmtes Hirnareal zurückführen – eines, das an der sozialen Kommunikation beteiligt ist.
Experten zufolge deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Kinder mit Autismus den Klang vokaler Emotionen ohne Probleme verarbeiten. Der Stolperstein kann in der Interpretation dieser Laute liegen.
Normalerweise lernen Kinder von klein auf, Stimmgeräusche mit bestimmten Emotionen zu verbinden: Sie wissen, wann ihre Eltern glücklich oder traurig sind, auch wenn sie nicht alle Worte verstehen, die gesagt werden.
Viele Kinder und Erwachsene mit Autismus haben jedoch Schwierigkeiten, die emotionalen Signale in den Stimmen anderer Menschen zu „lesen“, was die Kommunikation erheblich erschweren kann.
„Diese Fähigkeiten sind entscheidend, um sich in unserer sozialen Welt zurechtzufinden“, sagte Daniel Abrams, einer der leitenden Forscher der neuen Studie.
Er bemerkte, dass die Menschen oft nicht offen sagen, was sie fühlen, sondern es stattdessen in ihrem Tonfall ausdrücken.
„Die Stimme kann mehr über Emotionen aussagen als die Worte einer Person“, so Abrams, klinischer Associate Professor für Psychiatrie an der Stanford University School of Medicine.
Es ist allgemein bekannt, dass Autismus die Kommunikation und die sozialen Fähigkeiten in unterschiedlichem Maße beeinträchtigt.
Sensorische Verarbeitung oder Interpretation
Aber die Art der Schwierigkeiten der Patienten mit stimmlichen Hinweisen war bisher unklar, so Abrams.
Das liegt daran, dass Autismus ein weiteres häufig auftretendes Merkmal aufweist: Störungen bei der Verarbeitung sensorischer Informationen. Menschen mit Autismus sind oft überempfindlich gegenüber bestimmten Reizen. Es kann ihnen schwer fallen, helles, fluoreszierendes Licht, das Gefühl bestimmter Stoffe oder laute Geräusche zu ertragen.
Allein der Klang eines Raumes voller Kinder, die „Happy Birthday“ singen, kann sie überwältigen, so Abrams.
Eine zentrale Frage war daher, ob die Probleme mit den stimmlichen Emotionen auf die sensorische Verarbeitung – den „hörenden“ Teil – oder auf die Interpretation zurückzuführen sind.
Um das herauszufinden, untersuchten Abrams und seine Kollegen 22 Kinder mit Autismus im Alter zwischen 7 und 12 Jahren. Weitere 21 Kinder im gleichen Alter ohne Autismus dienten als Vergleichsgruppe.
Die Forscher ließen jedes Kind mehrere Aufnahmen von zwei einfachen Sätzen anhören: „Eine Tasche steht im Zimmer“ und „Mein Löffel liegt auf dem Tisch“. Jede Aufnahme wies eine andere Intonation auf – neutral, fröhlich oder traurig – und die Kinder wurden gebeten, die jeweils vermittelte Emotion zu identifizieren.
Kinder mit Autismus hatten es insgesamt schwerer.
Konnektivität zwischen Hörzentrum und temporoparietalen Übergang
Anschließend hörten sich die Kinder die Aufnahmen neben einigen anderen, nicht-stimmlichen Geräuschen an, während sie sich einer funktionellen MRT unterzogen – einer Art von Bildgebung des Gehirns, die es den Forschern ermöglicht, die Gehirnaktivität in Echtzeit aufzuzeichnen.
Es stellte sich heraus, dass die „hörenden“ Teile des Gehirns bei Kindern mit und ohne Autismus in ähnlicher Weise auf Stimmen reagierten. Der Unterschied bei Kindern mit Autismus lag im nächsten Schritt, nämlich darin, wie die auditiven Informationen zu einem Teil des Gehirns gelangen, der an der sozialen Kommunikation beteiligt ist, dem sogenannten temporoparietalen Übergang (TPJ).
Es schien eine „Über-Konnektivität“ zwischen den Hörzentren und dem TPJ zu geben, im Gegensatz zu dem, was bei Kindern ohne Autismus beobachtet wurde.
Abrams sagt, dass Kommunikation eine „bidirektionale Straße“ ist, so dass jeder aus Studienergebnissen wie diesen lernen kann.
Wenn jemand mit Autismus nicht auf Ihre stimmlichen Signale reagiert, so Abrams, „bedeutet das nicht, dass sie nicht zuhören oder dass es ihnen egal ist“.
Die in Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging veröffentlichten Ergebnisse zur Hirnaktivität könnten zu Therapien führen, die Menschen mit Autismus dabei helfen, ihre Interpretation von Stimmsignalen zu verbessern, so Abrams.
© Psylex.de – Quellenangabe: Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging