Warum Schizophrenie und Apathie Hand in Hand gehen

Adaptive Kodierung von Belohnungen bei Schizophrenie, ihre Veränderung im Laufe der Zeit und Zusammenhang mit Apathie

Warum Schizophrenie und Apathie Hand in Hand gehen

07.07.2024 Zu den häufigsten Symptomen von Schizophrenie zählen Apathie und mangelnde Motivation, wobei es dafür keine Behandlung gibt.

Durch den Vergleich der neuronalen Aktivierung zwischen einer Gruppe von Patienten und einer Kontrollgruppe während eines belohnungsbasierten Spiels hat ein Team der Universität Genf (UNIGE) und der Universitätskliniken Genf (HUG) in Zusammenarbeit mit Forschern der Charité Berlin die neuronalen Grundlagen dieser Störung entschlüsselt.

Danach sind die Gehirne von Menschen mit Schizophrenie nicht in der Lage, zwischen verschiedenen Belohnungsstufen hinreichend subtil zu unterscheiden, was ihre Motivation zur Bewältigung alltäglicher Aufgaben beeinträchtigt.

Die in der Fachzeitschrift Brain veröffentlichten Ergebnisse legen mehrere potenzielle Behandlungsmöglichkeiten nahe, darunter Hirnstimulation und gezielte Psychotherapie.

Wenn man von Schizophrenie spricht, denkt man zunächst an Symptome wie Halluzinationen oder Wahnsymptome z. B. Verfolgungsideen. Weniger offensichtlich sind jedoch Apathie und mangelnde Motivation, die im Alltag ebenso belastend sind.

Was geschieht im Gehirn, insbesondere im neuronalen Belohnungssystem, dem Sitz von Motivation und Verhaltensreaktion? Mithilfe von MRT wollten Wissenschaftler herausfinden, ob Personen mit Schizophrenie andere neuronale Reaktionen zeigen als Personen ohne eine psychische Störung und ob diese Reaktionen mit klinischen Beobachtungen korrelieren.

Auslösung der neuronalen Reaktion durch ein Spiel

Die Wissenschaftler ließen 152 Freiwillige – 86 Personen mit Schizophrenie und 66 „Kontrollpersonen“ ähnlichen Alters und Geschlechts – in einem MRT-Scanner ein Belohnungsspiel spielen, um die Aktivierung ihrer Gehirnregionen zu beobachten. Das Experiment wurde in drei Phasen durchgeführt: eine Bewertung der Motivation in verschiedenen Kontexten, eine erste Spielsitzung und drei Monate später eine zweite Sitzung, die mit der ersten identisch war, um die Stabilität der zerebralen Reaktion über einen längeren Zeitraum zu ermitteln.

„Um die Belohnungsnetzwerke zu stimulieren, bietet das Spiel die Möglichkeit, Geld zu gewinnen – bis zu einem Betrag von etwa 40 CHF. Zu Beginn jeder Sitzung erscheint ein Kreis, der die mögliche Belohnung anzeigt: ein leerer Kreis (Gewinn 0), ein Kreis mit einem Balken (Gewinn zwischen 0 und 0,4 CHF) oder ein Kreis mit zwei Balken (Gewinn zwischen 0 und 2 CHF)“, erklärt Mariia Kaliuzhna, Forscherin in der Abteilung für Psychiatrie an der medizinischen Fakultät der UNIGE und Erstautorin dieser Untersuchung.

„Dann erscheinen drei weitere Kreise. Der rechte oder linke unterscheidet sich von den anderen beiden; die Spieler müssen so schnell wie möglich die entsprechende Taste drücken. Schließlich zeigt ein roter Balken an, wie hoch die Belohnung war, woraufhin das neuronale Netz aktiviert wird. Die Tests liefen etwa fünfzehn Minuten lang so ab.“

Hypoaktivierung oder Sättigung

Während der ersten Sitzung zeigten Personen mit Schizophrenie im Vergleich zu den „Kontrollen“ niedrigere Aktivierungsniveaus, insbesondere wenn die Belohnung niedrig war, als ob ihre Gehirne Mühe hatten, sich zu mobilisieren. In der zweiten Sitzung hingegen stieg bei vielen von ihnen die Gehirnaktivität beträchtlich an, sogar über die der Kontrollgruppe hinaus, die das gleiche Aktivierungsniveau beibehielt.

„Entgegen dem Anschein sind diese Ergebnisse nicht widersprüchlich. Sie deuten vielmehr darauf hin, dass bei Menschen mit Schizophrenie die neuronale Reaktion nicht in der Lage ist, sich an den Belohnungskontext anzupassen. Es liegt entweder eine Hypoaktivierung oder eine Sättigung vor, was auf ein Versagen bei der Regulierung dieser Gehirnstruktur hinweist.“

„In beiden Fällen kann die Person die Belohnung nicht richtig einschätzen, um ihr Verhalten anzupassen. Das Ergebnis ist die Unfähigkeit, auf kleine alltägliche Belohnungen wie ein Essen mit Freunden oder einen angenehmen Spaziergang zu reagieren, was typisch für apathisches Verhalten ist“, erklärt Kaliuzhna.

Diese Ergebnisse eröffnen eine Reihe von therapeutischen Möglichkeiten, die genau auf diesen neuronalen Aktivierungsdefekt abzielen würden. „Zum Beispiel eine Psychotherapie, die auf die Wahrnehmung von Belohnung und Vergnügen abzielt, um die Motivation zu sozialem Verhalten zu verstärken, oder der Einsatz von nicht-invasiver Hirnstimulation, einer Technik, die bereits zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird“, erklärt Kaliuzhna.

„Diese Techniken sind jedoch komplex und müssen vor einer klinischen Anwendung in klinischen Studien validiert werden.“

© Psylex.de – Quellenangabe: Brain (2024). DOI: 10.1093/brain/awae112

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