Räumlich-zeitliche Dynamik von angenehmen und unangenehmen Gerüchen im menschlichen Gehirn
28.05.2022 Mit Hilfe eines speziell entwickelten Geruchsabgabegeräts und einer auf maschinellem Lernen basierenden Analyse von auf der Kopfhaut aufgezeichneten Elektroenzephalogrammen konnten Forscher der Universität Tokio feststellen, wann und wo Gerüche im Gehirn verarbeitet werden.
Die Studie ergab, dass die Geruchsinformationen im Gehirn in den frühen Stadien der Verarbeitung nicht mit der Wahrnehmung in Verbindung stehen, doch wenn die Wahrnehmung später erfolgt, werden unangenehme Gerüche schneller verarbeitet als angenehme Gerüche. Probleme mit der Geruchswahrnehmung können ein frühes Symptom neurodegenerativer Krankheiten sein, so dass die Erforschung der neuronalen Grundlagen der Geruchswahrnehmung in Zukunft zu einem besseren Verständnis dieser Krankheiten beitragen könnte.
Hilft Ihnen der Geruch eines Kaffees, Ihren Tag gut zu beginnen? Oder können Sie das starke Aroma nicht ausstehen? Neuen Forschungsergebnissen zufolge könnte die Geschwindigkeit, mit der Ihr Gehirn den Geruch Ihres Morgengetränks verarbeitet, davon abhängen, ob Sie diesen Geruch als angenehm empfinden oder nicht.
Die Studie
Ein Team der Universität Tokio hat ein spezielles Gerät entwickelt, mit dem 10 verschiedene Gerüche genau und zeitnah wahrgenommen werden können. Die Gerüche wurden Teilnehmern verabreicht, die ihre Annehmlichkeit bewerteten, während sie nicht-invasive EEG-Kappen (Elektroenzephalogramm) trugen, die Signale im Gehirn aufzeichnen.
Das Team konnte dann die EEG-Daten mit Hilfe einer auf maschinellem Lernen basierenden Computeranalyse verarbeiten, um erstmals mit hoher zeitlicher Auflösung zu sehen, wann und wo die verschiedenen Gerüche im Gehirn verarbeitet wurden.
„Wir waren überrascht, dass wir Signale von dargebotenen Gerüchen in sehr frühen Reaktionen des EEG erkennen konnten, bereits 100 Millisekunden nach Einsetzen des Geruchs, was darauf hindeutet, dass die Repräsentation von Geruchsinformationen im Gehirn schnell erfolgt“, so Studienautor Mugihiko Kato von der Graduate School of Agricultural and Life Sciences an der Universität Tokio.
Angenehme und unangenehme Gerüche werden unterschiedlich schnell verarbeitet
Die Geruchserkennung durch das Gehirn erfolgte, bevor der Teilnehmer den Geruch bewusst wahrnahm, was erst mehrere hundert Millisekunden später geschah. „Unsere Studie hat gezeigt, dass verschiedene Aspekte der Wahrnehmung, insbesondere die Annehmlichkeit, die Abneigung und die Qualität von Gerüchen, durch eine unterschiedliche räumliche und zeitliche kortikale Verarbeitung entstanden sind“, so Kato.
„Die Repräsentation des Unangenehmen im Gehirn entstand früher als das Angenehme und die wahrgenommene Qualität“, sagte Koautor Masako Okamoto.
Wenn unangenehme Gerüche (wie faulige und ranzige Gerüche) verabreicht wurden, konnte das Gehirn der Teilnehmer diese bereits 300 Millisekunden nach ihrem Auftreten von neutralen oder angenehmen Gerüchen unterscheiden.
Die Repräsentation angenehmer Gerüche (z. B. blumige und fruchtige Gerüche) im Gehirn erfolgte jedoch erst ab 500 Millisekunden, etwa zur gleichen Zeit, als auch die Qualität des Geruchs repräsentiert wurde.
Ab 600-850 Millisekunden nach dem Einsetzen des Geruchs waren dann vor allem Hirnregionen beteiligt, die für die emotionale, semantische (sprachliche) und Gedächtnisverarbeitung zuständig sind.
Frühere Wahrnehmung unangenehmer Gerüche – ein Frühwarnsystem
Die frühere Wahrnehmung unangenehmer Gerüche könnte ein Frühwarnsystem vor potenziellen Gefahren sein. „Wie die einzelnen Sinnessysteme das zentrale Nervensystem ansprechen, ist bei den verschiedenen Sinnesmodalitäten (Geruch, Licht, Schall, Geschmack, Druck und Temperatur) unterschiedlich. Die Klärung der Frage, wann und wo im Gehirn die Geruchswahrnehmung entsteht, hilft uns zu verstehen, wie das Geruchssystem funktioniert“, sagte Okamoto. „Wir sind auch der Meinung, dass unsere Studie eine breitere methodologische Bedeutung hat. Es war zum Beispiel nicht bekannt, dass ein auf der Kopfhaut aufgezeichnetes EEG es uns ermöglichen würde, die Repräsentation von Gerüchen in Zeiträumen von nur 100 Millisekunden zu beurteilen.“
Diese Bildgebung mit hoher zeitlicher Auflösung, die zeigt, wie unser Gehirn Gerüche verarbeitet, könnte in Zukunft ein Schritt zum besseren Verständnis der Mechanismen neurodegenerativer Krankheiten sein, wie z. B. Parkinson und Alzheimer, bei denen eine Störung des Geruchssinns ein frühes Warnzeichen ist. Das Team ist daran interessiert, mehrere weitere Forschungswege zu erkunden.
Smell-O-Vision
„In unserem täglichen Leben werden Gerüche zusammen mit anderen Sinnesinformationen wie dem Sehen wahrgenommen, und jeder Sinn beeinflusst die Wahrnehmung des anderen“, so Kato. „Obwohl wir in der aktuellen Studie nur Geruchsreize dargeboten haben, halten wir die Erforschung der Gehirnaktivität unter natürlicheren Bedingungen, z. B. wenn Gerüche mit einem Film präsentiert werden, für sehr wichtig.“ Vielleicht feiert Smell-O-Vision ja doch noch ein Comeback?
© Psylex.de – Quellenangabe: Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; 119 (21) DOI: 10.1073/pnas.2114966119