Worauf das Bewusstsein des eigenen Körpers beruht

Das Bewusstsein für den eigenen Körper beruht zum Teil darauf, dass das Gehirn auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeitstheorie Vermutungen anstellt

Worauf das Bewusstsein des eigenen Körpers beruht

27.10.2022 Forscher des Karolinska Institutet haben herausgefunden, dass die Wahrnehmung des eigenen Körpers weitgehend auf Vermutungen des Gehirns beruht, die auf der Wahrscheinlichkeitstheorie basieren. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift eLife veröffentlicht.

Wie wir unseren eigenen Körper wahrnehmen, wird weitgehend von Wahrscheinlichkeitsabschätzungen bestimmt, die auf vergangenen Erfahrungen beruhen, kombiniert mit sensorischen Informationen wie z. B. Sehen und Berühren.

„Die Erfahrung des eigenen Körpers ist eine statistische Schätzung der Realität, die auf sensorischen Informationen, sensorischer Unsicherheit und früheren Erfahrungen beruht und in einem mathematischen Modell zusammengefasst werden kann“, erklärt Henrik Ehrsson, Professor am Department of Neuroscience, Karolinska Institutet.

Warum sind diese Ergebnisse wichtig?

Die Ergebnisse klären die Berechnungsfunktionen, die die Wahrnehmung des eigenen Körpers steuern. Diese Wahrnehmung entsteht also nicht nur als Ergebnis einer ‚direkten‘ Interpretation von Signalen des Sehens, des Tastsinns und der Propriozeption, wie es in den Lehrbüchern steht, sondern basiert vielmehr auf aktiven ‚Vermutungen‘, die das Gehirn ständig auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Informationen, die aus den Mustern der sensorischen Signale extrahiert werden können, anstellt, sagt Henrik Ehrsson.

Die Forscher entwickelten eine detektionsähnliche psychophysische Aufgabe, die auf dem Paradigma der Gummihand-Illusion basiert, bei der die Teilnehmer angeben sollten, ob sich die Gummihand wie ihre eigene anfühlt oder nicht. Die Illusion wurde erzeugt, indem visuelle und sensorische Eindrücke mit der eigenen Hand und der Gummihand mit Hilfe von Robotern und Augmented-Reality-Brillen synchronisiert wurden.

„Wenn wir den Grad der Zeitverzögerung zwischen den visuellen und taktilen Eindrücken in kleinen Schritten variierten oder das Bild in der Augmented-Reality-Brille unscharf machten, um die Unschärfe zu erhöhen, veränderte sich die Illusion auf eine Weise, die durch Gleichungen und Kurven beschrieben werden kann: Mit zunehmender Verzögerung wurde das Gefühl, die Gummihand sei die eigene, schwächer, während mit zunehmender Unschärfe die Illusion stärker wurde“, sagt Studienautorin Marie Chancel.

Anhand der Experimente haben die Forscher ein statistisches Erklärungsmodell für die Wahrnehmung des eigenen Körpers durch das Gehirn gefunden.

Veränderungen in der Körperwahrnehmung

In einem nächsten Schritt soll nun untersucht werden, wie das statistische Modell, das die Wahrnehmung des eigenen Körpers bestimmt, von den neuronalen Netzwerken im Gehirn umgesetzt wird.

In einer ersten Studie haben die Forscher gezeigt, dass in Experimenten, in denen sie die Gehirnaktivität mit funktioneller Magnetresonanztomographie maßen, die neuronale Aktivität im hinteren parietalen Kortex dem Bayes’schen Modell entspricht (Chancel et al, 2022, J Neurosci). Die Forscher wollen auch untersuchen, wie ihr Modell Veränderungen der Körperwahrnehmung bei verschiedenen psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen wie Schizophrenie und Anorexie erklären kann.

© Psylex.de – Quellenangabe: eLife (2022). DOI: 10.7554/eLife.77221

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