Reaktionen auf Corona: Panik oder Vernunft?
21.03.2020 Hamsterkäufe, Schulschließungen, Angst, überhaupt noch einen Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen: Bei vielen Menschen ist die Panik ausgebrochen, dass sie sich mit dem Coronavirus anstecken könnten.
Was nun hinzukommt, ist die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen und die Frage des Umgangs mit konkreten Alltagsherausforderungen. Eine Panikstörung im klinischen Sinne ist dies deshalb noch lange nicht, erklärt Prof. Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek von der SRH Hochschule Heidelberg. Im Interview beschreibt die Psychologin, wie man das aufkeimende Bedrohungsgefühl erklären und was man dagegen tun kann.
Woher kommt dieses Bedrohungsgefühl in Bezug auf unsere Gesundheit? Bei jedem Einkauf schätzen wir das Risiko ein, ob wir durch den Verzehr von Chips dick werden und gesundheitliche Schäden davontragen. Beim Autofahren entscheiden wir in Sekundenschnelle, ob wir es noch über die gelbe Ampel schaffen. Wie die Entscheidung ausfällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Zum einen davon, wie schwerwiegend wir die Folgen dieser Entscheidung für die Gesundheit einschätzen und wie wahrscheinlich es ist, dass wir diese Folgen überhaupt selbst tragen müssen. Verursacht die Packung Chips Diabetes und verkürzt sich dadurch die persönliche Lebenszeit?
Bei vielen Alltagsentscheidungen wird das persönliche Gesundheitsrisiko eher als gering eingestuft. Also fahren wir über Gelb und legen die Chips in den Einkaufswagen. Solche Risikoabwägungen sind alltäglich, zugleich hocheffizient und für das Gehirn sehr energiesparend, weil sie uns vielfach das Leben erleichtern. Die Bewertung läuft nämlich oft ganz unbewusst, quasi automatisch.
Was ist bei der Bewertung des Coronavirus´ anders?
Im Falle des Coronavirus´ können wir nicht auf bewährte Alltagsroutinen zurückgreifen. Wir haben es mit der Bewertung eines Ereignisses zu tun, welches neu ist, im Vergleich zu vielen anderen Lebensrisiken selten auftritt und dessen potentielle gesundheitlichen Folgen wir für die eigene Person, unsere Familien und die Wirtschaft nicht einzuschätzen können. Das von solchen seltenen und neuen Ereignissen ausgehende Risiko wird typischerweise überschätzt, für deutlich häufiger auftretende, aber bekannte Risiken wird es hingegen eher unterschätzt.
Was beeinflusst noch die Risikowahrnehmung?
Es ist auch relevant, wie man die Kontrollmöglichkeiten einer Ansteckung einschätzt. Kann man sich durch die Desinfektion der Hände oder die Verwendung einer Maske wirksam schützen? Hängt eine Infektion überhaupt von meinem eigenen Verhalten oder dem anderer Menschen oder einfach nur vom Zufall ab?
Durch immer neue Informationen seitens der Medien, berichtete Zwischenfälle oder Verbote entsteht bei vielen der Eindruck einer geringeren Kontrollierbarkeit des Ansteckungsrisikos und dessen Folgen. Bedenkt man die Unfreiwilligkeit der Exposition mit dem Virus, wird die Gefahr ebenfalls größer eingeschätzt. Einer Angst vor einem Flugzeugabsturz kann man ja dadurch entgehen, indem man Flugzeugreisen meidet. Aber reicht der eine Meter Abstand zu anderen Personen für die Eindämmung des eigenen Risikos?
Angesichts der vielen neuen und manchmal auch widersprüchlichen Informationen fällt es uns schwer, ein endgültiges Urteil über die Situation abzugeben. Wir kommen nicht zur Ruhe, sind verunsichert. Kaum hat man sich einen Plan gemacht, wie man zur Infektionslage steht und wie man sich verhält, muss gegebenenfalls umgedacht werden. Schließlich kommt noch unsere Persönlichkeit ins Spiel.
Die Optimisten werden in dieser unsicheren Lage zunächst standhaft eine eher zuversichtliche Haltung vertreten, demnach alles schon irgendwie gut ausgehen wird. So betrachtet, ist die Angst vor dem Coronavirus eigentlich sehr rational. Sie ist die Folge vieler Bewertungsprozesse und die Folge der Anpassung an die neue Situation. Eine Panikstörung ist dies nicht, vielmehr versuchen wir Stress zu bewältigen beziehungsweise ein schwer fassbares Problem zu lösen.
Wie können wir mit dem Corona-Stress umgehen?
Was helfen kann, ist sicherlich zum einen, sich dieser Bewertungsvorgänge bewusst zu werden. Unser Denken und Fühlen steuern unser Verhalten oft unbewusst. Achtsam sein und sich einen Plan machen, wie Kontrolle im eigenen Alltag wiederhergestellt werden kann, kann den Anflug von `Panik´ senken.
Neue Routinen wie zum Beispiel langes, gründliches Händewaschen, Verzicht auf Händeschütteln, Meiden von Menschenansammlungen und gleichzeitig eine positive Umgestaltung des Alltags können hilfreich sein – wie beispielsweise ein ruhiger Spaziergang im Wald, mal wieder ein Buch lesen, ein Bad nehmen. Möglicherweise ist es auch sinnvoll, die Nachrichten nicht im Corona-Lifeticker am Handy zu verfolgen, sondern nur einmal am Abend oder nach einer anderen eigenen Vorgabe. Von der Flut neuer Informationen sollte man zwischenzeitlich pausieren können.
Quellenangabe: SRH Hochschule Heidelberg
Kindern die Corona-Angst nehmen
21.03.2020 Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Heidelberg, erklärt, wie Eltern mit der aufkeimenden Panik umgehen können.
Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Heidelberg, erklärt, wie Eltern mit der aufkeimenden Panik umgehen können.
Ist die Angst vor dem Virus ansteckender als das Coronavirus selbst? An einigen Schulen trauen sich Kinder schon nicht mehr in den Unterricht, da manche Lehrer oder Mitschüler Hysterie verbreiten. Nun ist auch Südtirol zum Risikogebiet erklärt worden. Wie können Eltern mit dem Thema umgehen und ihre Kinder beruhigen, wenn beispielsweise ein Mitschüler in den Ferien im Risikogebiet war? Die Leiterin der Heidelberger Akademie für Psychotherapie, Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer, klärt auf.
Wie beschreibe ich die Erkrankung?
Wir sollten sprachlich sensibel damit umgehen, die Krankheit deutlich und klar beschreiben, dabei aber nicht übertreiben und angstbesetzte Worte verwenden. Die Medien verunsichern uns, sprechen von „Panik“, einer „Pandemie“ und von den „Infizierten“. Sie titeln, dass weltweit aktuell 50.540 Menschen (Stand 11.03.2020) am Coronavirus erkrankt sind, anstatt die Zahl in Relation zur Weltbevölkerung zu setzen, was sich weniger bedrohlich anhört. Wir sollten die Erkrankung benennen, aber dabei bei den Fakten bleiben und erklären, dass „normale“ Grippeviren viel häufiger sind und an ihnen auch ein bis zwei von 1.000 erkrankten Menschen sterben. Auch wenn die Sterblichkeitsrate an diesem neuartigen Virus in China und Italien höher ist – durch das Coronavirus ist bislang hierzulande niemand gestorben und der Verlauf ist meist milde, wie eine Erkältung eben.
Wie wahrscheinlich ist es, dass ich krank werde?
Zunächst gilt natürlich, dass Eltern selbst ruhig und sachlich bleiben, da sie ihre eigene Unsicherheit auf das Kind übertragen. Wenn Kinder in Panik zu uns in die Ambulanz kommen, machen wir erst einmal einen Realitätscheck: Wir überprüfen gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie sich überhaupt mit dem Virus anstecken oder gar daran sterben, wenn sie nicht vorerkrankt sind und davor nicht in einem Risikogebiet gewesen sind, wir versuchen also zu „entkatastrophisieren“. Dann stellen wir Vergleiche her: Wie viele Leute sind bereits an einer klassischen Grippe gestorben? Führen wir uns die Statistiken vor Augen, wird deutlich, dass nur ein sehr kleiner Prozentsatz am Coronavirus erkrankt und ein noch kleinerer daran stirbt. Die Wahrscheinlichkeit, bei Autounfällen ums Leben zu kommen, ist viel höher. Deshalb sollten wir die Erkrankung richtig einordnen. Auch Aufklärung über den Coronavirus ist dabei wichtig: wie man sich dagegen schützen kann, dass man davon nicht gleich stirbt, dass es unterschiedliche Ausprägungen gibt. Bei gesunden Kindern zeigt sie sich eher als eine leichte Erkältung.
Mein Mitschüler war in den Ferien in Südtirol. Habe ich jetzt auch das Virus?
Das Robert-Koch-Institut hat Südtirol zum Risikogebiet erklärt, da dort viele Menschen mit dem Virus infiziert sind. Das heißt aber nicht, dass jeder, der dort war, sich auch angesteckt hat. Dies klären die Gesundheitsämter mit jeder Familie ab, die sich meldet. Die Quarantäne ist nur eine reine Vorsichtsmaßnahme, um die Infektionsketten besser kontrollieren zu können und zu unterbrechen. Wir sollten die Menschen, die aus einem Risikogebiet kommen, nicht stigmatisieren und ausschließen, sondern offen über unsere Sorgen sprechen. Die betroffenen Menschen leiden mehr an den psychischen Folgen der Stigmatisierung als am Virusverdacht selbst!
Warum haben auch viele Erwachsene Angst?
Was viele Leute beunruhigt, ist, dass die mit dem Virus infizierten Menschen zum Teil keine Symptome zeigen und sich nicht krank fühlen. Das macht die Erkrankung unheimlich und ungreifbar. Wir Erwachsenen fühlen uns zum Teil hilflos und unsicher, denn es gibt noch keine Impfung. Deshalb sollten wir zwar neue Informationen zum Coronavirus aufnehmen und bewerten, aber uns nicht nur damit beschäftigen. Auch Ablenkung kann helfen: Welches Thema nehmen die Kinder denn gerade in den regulären Schulfächern durch? Was machen wir am Wochenende? In manchen Familien bedeutet der Virusausbruch auch eine Rückbesinnung auf einen engeren Familienzusammenhalt.
Was kann ich persönlich tun, um zu helfen, dass sich das Virus nicht weiter ausbreitet?
Es geht bei diesem Thema vor allem um Verantwortung: Niemand möchte einen Risikopatienten anstecken, und die Hygiene-Maßnahmen helfen ja nicht nur vor diesem Virus. Das sollten wir auch unseren Kindern deutlich machen. Doch regelmäßiges Händewaschen und Achtsamkeit im Umgang mit Erkältungssymptomen genügen da völlig.
Quellenangabe: SRH Hochschule Heidelberg
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