Die relative Rolle von exekutiver Kontrolle und Persönlichkeitsmerkmalen bei Grit

23.06.2022 Eine neue Analyse der Persönlichkeitseigenschaft „Grit“ (steht für Beharrlichkeit (perseverance) und Leidenschaft (passion)) ergab, dass Menschen mit einer stärker ausgeprägten Tendenz zu Grit auch andere Muster der kognitiven Leistungsfähigkeit zeigten – aber nicht unbedingt eine höhere kognitive Leistung. Nuria Aguerre von der Universität Granada, Spanien, und Kollegen stellten diese Ergebnisse in der Open-Access-Zeitschrift PLOS ONE vor.
Das Persönlichkeitsmerkmal Grit
Eine Person mit Grit ist jemand, der eine bemerkenswerte Ausdauer bei der Verfolgung langfristiger Ziele an den Tag legt, selbst wenn er oder sie Rückschläge hinnehmen muss. Forscher messen dies in der Regel mit einem Bewertungsinstrument, der sogenannten Grit-Skala. Während frühere Studien einen möglichen Zusammenhang zwischen Grit und bestimmten Aspekten der kognitiven Leistungsfähigkeit nahegelegt haben, wurde dieser Zusammenhang in keiner Studie direkt untersucht.
Die Studie
Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, ließen Aguerre und Kollegen 134 Studienteilnehmer Fragebogen ausfüllen, darunter die Grit-Skala, um ihre Persönlichkeit anhand von drei Merkmalen zu bewerten: Grit, Impulsivität und Achtsamkeit. Die Teilnehmer absolvierten außerdem vier experimentelle computergestützte Aufgaben, um verschiedene Facetten der kognitiven Fähigkeiten zu messen, darunter Flexibilität, Hemmung, die Fähigkeit, irrelevante Elemente im Arbeitsgedächtnis – das Informationen vorübergehend speichert – durch neuere, relevante Elemente zu ersetzen, und die Tendenz zum Kontrollmodus.
Kognitive Fähigkeit, Impulsivität, Achtsamkeit
Die statistische Analyse der Fragebogen und der experimentellen Daten ergab, dass entgegen den Vorhersagen der Forscher Personen mit höheren Grit-Werten nicht notwendigerweise auch höhere Werte bei den kognitiven Fähigkeiten insgesamt erzielten. In Übereinstimmung mit früheren Forschungsergebnissen war Grit jedoch statistisch mit den Persönlichkeitsmerkmalen geringe Impulsivität und hohe Achtsamkeit verbunden, die beide mit der Selbstregulation zusammenhängen.
Allerdings zeigten die Teilnehmer mit hohem Grit, wenn auch in geringerem statistischen Ausmaß, andere Muster der kognitiven Leistung. Die Forscher charakterisierten dieses kognitive Profil als umsichtige Kontrolle: eine verbesserte Fähigkeit, allen verfügbaren Informationen Aufmerksamkeit zu schenken und für widersprüchliche Informationen im gegenwärtigen Moment sensibel zu bleiben, während sie sich weniger auf frühere Informationen verlassen.
Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass unterschiedliche Muster kognitiver Fähigkeiten – nicht notwendigerweise größere Fähigkeiten – dem Grit zugrundeliegen können. Dies steht im Einklang mit den zuvor von anderen Forschern vorgeschlagenen Ideen. Die Forscher bezeichnen diese Studie als explorativ und schlagen vor, dass künftige Forschungen tiefer gehen könnten, z. B. durch die Einbeziehung eines umfassenderen Maßes von Grit und durch die Berücksichtigung einer kognitiven Fähigkeit, die als fluide Intelligenz bekannt ist.
Die Psychologen fügen hinzu: „Um die Spitze des Berges zu erklimmen, braucht man keine sehr guten exekutiven Funktionen. Stattdessen sollte man sich der Umgebung bewusst sein.“
© Psylex.de – Quellenangabe: PLOS ONE, 2022; 17 (6): e0269448 DOI: 10.1371/journal.pone.0269448