Studie zeigt acht Strategien, wie Betroffene am Arbeitsplatz mit ihren Depressionen umgehen
27.07.2021 Mitarbeiter mit einer Depression stehen vor der Entscheidung, ihre psychische Erkrankung anderen am Arbeitsplatz offenzulegen oder zu verheimlichen.
Depressive Identität
Eine Forscherin der West Virginia University fand heraus, dass diese Mitarbeiter acht Strategien anwenden, wie sie diese oft stigmatisierte soziale Identität offenlegen oder verbergen.
Kayla Follmer vom John Chambers College of Business and Economics sagt, dass psychische Erkrankungen eine verdeckte Identität darstellen können, ähnlich wie religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung oder Krankheiten wie HIV oder Diabetes: Man kann sie nicht immer von außen sehen.
Das führte sie zu der Frage, wie Menschen mit dieser Identität am Arbeitsplatz umgehen.
Legen Menschen mit Depressionen ihre Störung am Arbeitsplatz offen? Erzählen sie es anderen Menschen, wie gehen sie damit um?
Nach einer Reihe von Interviews mit 30 Angestellten, die von einem Süßwarenaussteller über eine Apothekenangestellte bis hin zu einem aktiven Mitglied der Navy reichten, fand Follmer heraus, dass die Menschen acht Strategien anwenden, wenn es um den Umgang mit der depressiven Identität am Arbeitsplatz geht.
- Verschweigen: Die Mitarbeiter versteckten ihre Depression einfach vor anderen am Arbeitsplatz. Dies beinhaltete das aktive Verbergen von Informationen und Verhaltensweisen.
- Erfinden: Dies ist eine Verheimlichungsmethode, bei der eine Person falsche Informationen weitergibt, um ihre Depression zu verbergen. Zum Beispiel log eine Teilnehmerin ihren Vorgesetzten über psychiatrische Termine an. Stattdessen erzählte sie dem Chef, dass sie wegen Migräneproblemen einen Arzt aufsuchen musste.
- Maskierung: Eine weitere Verheimlichungsmethode, das Maskieren, beinhaltet das Aufsetzen einer Maske oder einer falschen Rolle, wie z. B. Lächeln, wenn einem nicht danach ist.
- Signalisieren: Das Signalisieren wird als eine halboffene Methode betrachtet und bedeutet, dass man auf seine Depression anspielt, entweder auf passive oder aktive Weise. Bei dieser Strategie gaben die Befragten ihre Depression nicht offen zu erkennen, sondern machten Andeutungen über ihre stigmatisierte Identität. Die Befragten waren der Meinung, dass ihre natürliche Veranlagung ausreicht, damit die Kollegen merken, dass sie depressiv sein könnten. Andere sagten, dass sie die Herausforderungen des Lebens, wie z. B. Scheidung oder Verlust, ihren Kollegen gegenüber offen aussprachen.
- Eingeschränkte Offenlegung: Bei dieser Strategie der eingeschränkten Offenlegung erzählten die Teilnehmer anderen am Arbeitsplatz von einigen Aspekten ihrer Depression, gaben aber nicht alle Informationen preis. Zum Beispiel könnte jemand den Umgang mit psychischen Erkrankungen offenlegen, aber die Einnahme von verschreibungspflichtigen Medikamenten oder Krankenhausaufenthalte nicht erwähnen.
- Selektive Offenlegung: Diese Strategie tritt auf, wenn Personen nur bestimmten Personen am Arbeitsplatz – nicht allen – von ihrer Depression erzählen.
- Transparenz: Diese Methode der vollständigen Offenlegung liegt vor, wenn eine Person generell offen über ihre Depression spricht und jedem davon erzählt.
- Fürsprache: Diejenigen, die Fürsprecher sind, gehen noch einen Schritt weiter. Sie haben nicht nur ihre psychische Gesundheit vollständig offengelegt, sondern setzen sich auch für die Aufklärung anderer ein.
Kontinuum der Offenlegung
Das Neue an dieser in Group & Organization Management veröffentlichten Studie ist, dass wir ein Kontinuum der Offenlegung zeigen konnten, sagte Follmer. Dieses Kontinuum, das bereits theoretisiert wurde, kann nun empirisch unterstützt werden. Mit anderen Worten, die Menschen geben nicht einfach preis oder verheimlichen, sondern es gibt Abstufungen dieser Entscheidungen.
Personen, die auf das Ende des Kontinuums der Nicht-Offenlegung fallen, haben Angst vor der Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen und vor ungerechten Konsequenzen, wie z.B. gefeuert oder am Arbeitsplatz schlecht behandelt zu werden.
Bei Menschen, die Informationen halb offenlegen, glaubt Follmer, dass diese Mitarbeiter ihren Zeh ins Wasser tauchen, um zu testen, wie andere auf ihre Offenlegung reagieren könnten.
Am anderen Ende des Kontinuums steht die vollständige Offenlegung, bei der die Teilnehmer offen über ihre Depressionsdiagnose sprechen.
Es ist nicht unbedingt so, dass man es jeder einzelnen Person erzählt, die man trifft, sondern es ist eher eine allgemeine Offenheit, dass man darüber spricht, wenn es zur Sprache kommt, erklärt Follmer. Man ist bereit, seine Erfahrungen mitzuteilen und man hat keine Angst oder Scham.
In dieser Studie nutzten die Teilnehmer am wenigsten Strategien zur vollständigen Offenlegung, was darauf hindeutet, dass viele Mitarbeiter immer noch Angst haben, ihre psychische Erkrankung am Arbeitsplatz vollständig anzusprechen.
Konsequenzen
Follmer beobachtete auch die Konsequenzen der Entscheidungen ihrer Teilnehmer. Es kann sein, dass die Personen im Laufe der Zeit ihre Strategien aufgrund der Reaktionen ihrer Kollegen und Vorgesetzten geändert haben.
Wenn sie den Arbeitsplatz gewechselt haben, waren sie vielleicht vorher sehr offen, aber jetzt nicht mehr, weil sie eine schlechte Erfahrung gemacht haben, sagte sie. Vielleicht waren sie vorher nicht offen, aber jetzt haben sie ein unterstützendes Klima. Wir sehen also, dass sich diese Veränderung über alle Jobs hinweg und auch innerhalb der Jobs vollzieht. Es gab zum Beispiel einige Personen, die ihrem Chef davon erzählten und dieser war überhaupt nicht aufgeschlossen oder unterstützend. Jetzt sprechen sie nicht mehr darüber.
Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass Mitarbeiter ihre Depressionen auf unterschiedliche Weise bewältigen und es nicht den einen besten Ansatz gibt. Laut Follmer können Unternehmen davon profitieren, indem sie ein integratives Klima schaffen, in dem Mitarbeiter ihre Identität so handhaben können, wie sie es für richtig halten.
© psylex.de – Quellenangabe: Group & Organization Management (2021). DOI: 10.1177/10596011211002010