Forscher der Freien Universität Berlin analysierten Lehrpläne aller Bundesländer
17.04.2023 In den deutschen Lehrplänen wird Forschern der Freien Universität Berlin zufolge auf die Stärkung von emotionalen Kompetenzen nur wenig Wert gelegt. Gemeint ist damit der angemessene Umgang mit eigenen Gefühlen und Gefühlen anderer Menschen. Dazu gehören Fähigkeiten wie das Erkennen, Ausdrücken und Regulieren von Emotionen sowie die Fähigkeit zur Empathie.
42 Prozent der deutschen Lehrpläne würden überhaupt nicht auf die Stärkung von emotionalen Kompetenzen abzielen, heißt es in der neuen Studie „Emotional competence: The missing piece in school curricula? A systematic analysis in the German education system“, die gerade im Fachmagazin „International Journal of Educational Research Open“ erschienen ist.
„Eine umfassende Integration von emotionalen Kompetenzen über verschiedene Fächer, Altersstufen und Schulformen hinweg wäre eine wichtige strukturelle Basis, um die Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung von jungen Menschen im Schulalltag zu stärken“, betonten die Studienautoren Julius Grund und Jorrit Holst vom Institut Futur am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin. Aus bisherigen Forschungsarbeiten gehe hervor, dass diese Kompetenzen nicht nur zu besseren akademischen Leistungen und Berufserfolg beitragen, sondern auch langfristig die körperliche und psychische Gesundheit verbessern.
Dennoch gab es bislang kaum Untersuchungen zur Frage, inwiefern emotionale Kompetenzen tatsächlich in den Strukturen des Bildungssystems – wie zum Beispiel in Lehrplänen oder in der Lehrkräfteausbildung – verankert sind. Die Autoren haben für ihre Studie eine systematische Auswahl an 422 Lehrplänen aus allen Bundesländern, Schulformen und über ein breites Fächerspektrum hinweg hinsichtlich des Stellenwerts von emotionalen Kompetenzen analysiert.
„Es zeigte sich, dass allein 42 Prozent der deutschen Lehrpläne die Stärkung von emotionalen Kompetenzen überhaupt nicht als Ziel aufgreifen“, betonten die Autoren. Im Durchschnitt finde sich ein Verweis auf nur jeder dreizehnten Seite. Dabei sei kein zeitlicher Trend festgestellt worden: Neuere Dokumente enthalten also nicht mehr Bezüge zu emotionalen Kompetenzen als ältere.
Auch bestehen deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Fächern: am stärksten finden sich Verweise auf die Stärkung emotionaler Kompetenz im Fach Ethik/Philosophie, während wenige Verweise beispielsweise in den Naturwissenschaften, Informatik oder Wirtschaft gefunden wurden. „Obwohl es breite empirische Belege in der modernen Wissenschaft zur Bedeutung von sozial-emotionalem Lernen für eine gelingende menschliche Entwicklung gibt, wurde in der vorliegenden Studie eine unzureichende Verankerung von emotionaler Kompetenz in den deutschen Lehrplänen festgestellt“, sagen die Forscher. (cxm)
Zur Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666374023000134
Quellenangabe: Pressemitteilung Freie Universität Berlin