Gehirnstudie: Oxytocin, PTBS und sexueller Missbrauch sind mit der intrinsischen funktionellen Konnektivität des Aufmerksamkeitsnetzwerks verbunden
28.10.2021 Eine an der Medical University of South Carolina durchgeführte Studie mit Erwachsenen, die in ihrer Kindheit misshandelt wurden, zeigt, dass zwei Gruppen – Teilnehmer mit sexuellem Missbrauch in der Vergangenheit und diejenigen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) – eine verringerte Konnektivität im Aufmerksamkeitssystem – dem sogenannten ventralen und dorsalen Aufmerksamkeitsnetz (VAN-DAN) – aufwiesen.
Bei Erwachsenen mit einer Vorgeschichte von körperlichem Misshandlungen und bei Teilnehmern ohne PTBS wurde keine derartige Verringerung der Konnektivität festgestellt.
Das Team um Jane Joseph zeigte auch, dass die Konnektivität im VAN-DAN-System nach einer Behandlung mit Oxytocin – einem Hormon, das mit sozialen Bindungen und der Stressreaktion in Verbindung gebracht wird – zunahm. Die Ergebnisse des Teams wurden in Psychiatry Research: Neuroimaging veröffentlicht.
Missbrauch in der Kindheit und PTBS
Die Ergebnisse zeigen, wie die Verbindung zwischen den Aufmerksamkeitssystemen des Gehirns an der Entwicklung von PTBS nach einem Kindheitstrauma beteiligt sein könnte, erklärte Hauptautorin Kathleen Crum.
Missbrauch in der Kindheit ist ein wichtiger Risikofaktor für PTBS. Kinder, die in irgendeiner Form missbraucht wurden, haben ein um 70 % höheres Risiko, an einer PTBS zu erkranken. Sexueller Missbrauch in der Kindheit stört die Entwicklung des Gehirns und wird theoretisch mit einem Verratstrauma in Verbindung gebracht, das auftritt, wenn das Vertrauen einer Person in eine Institution oder eine geliebte Person durch Missbrauch verletzt wird.
Betrayal Trauma (Verratstrauma)
Die aktuelle psychologische Forschungsliteratur legt die Möglichkeit eines sogenannten Betrayal Trauma (Verratstraumas) nahe, erklärte Crum. Menschen nehmen Ereignisse je nach Form des Missbrauchs unterschiedlich wahr.
So wiesen Studienteilnehmer mit einer Vorgeschichte von sexuellem Missbrauch eine verringerte VAN-DAN-Konnektivität auf, unabhängig davon, ob sie später eine PTBS entwickelten, während dies bei Teilnehmern mit einer Vorgeschichte von körperlichem Missbrauch nicht der Fall war.
VAN- und DAN-Netzwerke im Gehirn
Laut Crum spielen VAN und DAN jeweils eine einzigartige Rolle bei der Regulation der Aufmerksamkeit.
DAN ist ein Netzwerk im Gehirn, das für die willkürliche Aufmerksamkeit verantwortlich ist, während VAN den Prozess der Verlagerung oder Neuausrichtung unserer Aufmerksamkeit auf ein anderes Ereignis bezeichnet, sagt Crum. Sie wirken wie ein Push-Pull-Mechanismus; während die eine Aktion stattfindet, kann die andere nicht stattfinden.
Joseph und Crum wollten das VAN-DAN-Netzwerk untersuchen, weil es für Patienten mit PTBS oft schwierig ist, ihre Aufmerksamkeit neu auszurichten.
PTBS und die Aufmerksamkeit
Menschen mit PTBS haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit von bedrohungsbezogenen Stimuli abzulenken, einschließlich Hinweisen, die sie an ihre traumatischen Erfahrungen erinnern, erklärt Crum. Menschen mit PTBS können auch dazu neigen, neutrale Hinweise als bedrohlich zu interpretieren. Insgesamt beeinträchtigen diese Probleme ihre Fähigkeit, sich im Alltag auf die anstehenden Aufgaben zu konzentrieren.
Es wird vermutet, dass die „Kampf- oder Flucht“-Reaktion bei diesen Personen hyperaktiv ist, was diese Schwierigkeiten bei der Verlagerung ihrer Aufmerksamkeit erklären könnte. Crum führte ein Beispiel an, um zu verdeutlichen, warum es für Menschen mit PTBS schwierig sein kann, sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren, wenn ihre Wahrnehmung der äußeren Bedrohung erhöht ist.
Stellen Sie sich ein Szenario vor, in dem Sie mit dem Fallschirm abspringen und jemand Sie bittet, eine komplexe mathematische Aufgabe zu lösen – wie gut würden Sie diese Aufgabe lösen, fragt Crum. Die Konzentration auf das Überleben und das Vermeiden von Gefahren kann mit der Bewältigung alltäglicher Aufgaben konkurrieren, wie dem Führen eines Gesprächs oder der Erledigung unserer Arbeit.
Das Team wollte die VAN-DAN-Konnektivität im Ruhezustand messen, weil es so möglich war, Unterschiede in der Konnektivität ohne die Anforderungen einer bestimmten Aufgabe zu vergleichen.
Wirkung des Hormons Oxytocin
Auch die Wirkung des Hormons Oxytocin wurde in Bezug auf die verringerte Konnektivität untersucht. Es wird angenommen, dass Oxytocin auf das Aufmerksamkeitsnetzsystem einwirkt, und es wird landesweit als mögliche Behandlung für PTBS und Kindheitstraumata untersucht, auch am MUSC.
Oxytocin ist sehr wichtig für die soziale Bindung und den Stressabbau, erklärt Joseph. Auch wenn PTBS nicht immer auf ein soziales oder persönliches Trauma zurückzuführen ist, scheint Oxytocin in Stresssituationen von Nutzen zu sein, weshalb es als Behandlungsmöglichkeit für diese Störung untersucht wird.
© Psylex.de – Quellenangabe: Psychiatry Res Neuroimaging. (2021) DOI: 10.1016/j.pscychresns. 2021.111345.